Deutsche Redaktion

"003, melde Dich"

04.02.2020 13:18
Nach dem ersten Tag der Visite von Emmanuel Macron in Polen ist in den meisten Blättern von einem Neustart in den polnisch-französischen Beziehungen die Rede. Die wichtigsten Kommentare heute in der Presseschau.
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Nach dem ersten Tag der Visite von Emmanuel Macron in Polen ist in den meisten Blättern von einem Neustart in den polnisch-französischen Beziehungen die Rede. 

Rzeczpospolita: 003., Frankreich, das uns liebt

Die Pläne, Polen in den Bau des europäischen Panzers der neuesten Generation mit einzubeziehen, in den bis dato nur Deutschland und Frankreich engagiert sein sollten, sei schwer zu überschätzen, betont in seinem Kommentar für die konservative Rzeczpospolita der Publizist Jerzy Haszczyński. Ebenso wichtig sei, dass Macron nicht nur den historischen Lügen von Vladimir Putin kein Gehör schenken wolle, sondern ihre Bekämpfung sogar aktiv unterstütze. Macrons Haltung gegenüber dem Kreml, beobachtet Haszczyński, habe sich merklich gewandelt. Von dem Enthusiasmus, mit dem er noch vor einem Jahr über den Umbau der Weltordnung in Partnerschaft mit Russland gesprochen habe, sei in letzter Zeit immer weniger zu sehen. Dessen, ob er ganz erlöschen werde, könne man sich jedoch nicht sicher sein. 

Zu den wichtigsten Gründen für die neue Offenheit des französischen Präsidenten zähle die Einsicht der französischen Eliten, dass die Regierung PiS so schnell nicht enden werde und man gemeinsam mit dieser Partei die dringliche Frage zur Zukunft der EU und des ganzen Westens beantworten müsse. Außerdem würden sich die Franzosen auch zunehmend damit abfinden, dass sich Polen, ebenso wie die anderen Staaten der Region emanzipiert und zu vielen Themen eine eigene Meinung habe. Die PiS, so der Autor, sei in ihren Aussagen zwar oft radikal und antieuropäisch, es wäre jedoch naiv zu glauben, dass ein Wechsel am Staatssteuer in Polen die Rückkehr zur Situation von vor 10 Jahren bedeuten würde, als die neuen EU-Staaten sich noch unsicher fühlten und das, was die alten ausgearbeitet hätten, kritiklos angenommen hätten.

Frankreich, lesen wir weiter, sei von Beginn an gegen die Erweiterung der EU um Polen und dessen Nachbarstaaten gewesen, da es korrekt vorhergesehen habe, dass dies Deutschland stärken werde. Nun habe sich Macron offenbar entschieden, die Verluste einzuschränken, besonders da der Brexit einen guten Anlass für einen Neustart gebe. Und auch für Polen sei Frankreich ein Schlüsselpartner, was allein schon an den diplomatischen Kennziffern der Staaten zu sehen sei. 

Die Nummernschilder der französischen Diplomaten würden mit 003 beginnen. Das Kennzeichen 001 gehöre den zweifellos wichtigsten USA und 002 dem seit ein paar Tagen abwesende Großbritannien. Deutsche Nummernschilder würden mit 005 beginnen und die James Bond-Nummer 007 gehöre Italien. In dieser Hierarchie, die schließlich auch nicht durch Zufall entstanden sei, sei Frankreich für Polen ein Schlüsselpartner in der EU. Und sein Präsident habe in Warschau das gesagt, was wir von einem Verbündeten auch hören wollen, so Jerzy Haszczyński in der Rzeczpospolita. 


Gazeta Polska Codziennie: Unerwünschter Macron?

Vor dem Zweiten Weltkrieg habe noch fast jeder gut ausgebildete Pole fließend französisch gesprochen. Heute seien die Kenntnisse dieser Sprache und, was damit zusammenhänge, auch das Wissen über die französische Kultur, für einen engen Kreis von Liebhabern reserviert, beobachtet in seinem Kommentar für die nationalkonservative Gazeta Polska Codziennie der Publizist Adrian Stankowski. Das, so der Autor, sei vor allem die Folge der radikalen Änderung des Statuses von Frankreich, das seine imperiale Position unwiderruflich verloren habe. Noch wichtiger für die Polen sei jedoch der doppelte Verrat der Franzosen während des Zweiten Weltkriegs, der sich dauerhaft in das polnische DNA eingedruckt habe. Dazu habe sich eine unglaublich lange Liste von arroganten Äußerungen verschiedener Einwohner des Elysee-Palasts hinzugesellt, die die Polen systematisch als Europäer zweiter Klasse behandelt hätten. 

Die französische Presse, lesen wir, beschreibe die Visite von Präsident Macron in Polen als Versuch "die zweite Berliner Mauer abzureißen, die Macron selbst aufgestellt hatte". Es scheine, dass eine Vorbedingung für die Verbesserung der beiderseitigen Beziehungen ein Blick auf diese Verhältnisse aus der Perspektive der Realpolitik sei - das heißt, der Verzicht der französischen Regierenden auf imperialistische Luftschlösser. Außerdem sollten in den Verhältnissen die Perspektive wirtschaftlicher Interessen, gegenseitiger Respekt für nationale Aspirationen dominieren, so Adrian Stankowski in Gazeta Polska Codziennie.

 

Dziennik/Gazeta Prawna: Wir zahlen gerne für saubere Luft

Die Polen würden gerne für saubere Luft bezahlen, wenn sie könnten, schreibt in seinem heutigen Aufmacher das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. Wie eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts United Surveys zeige, lesen wir im Blatt, würden über 90 Prozent der Polen sehen, dass sich das Klima ändere. Zwei Drittel dieser Gruppe würden diese Änderungen als negativ bewerten. Und fast genauso viele wären bereit, mehr für Strom zu bezahlen, falls dieser nicht aus der Verbrennung von Kohle stammen würde.

"Es ist offensichtlich, dass ein größerer Teil der Gesellschaft sich der Gefahren des Klimawandels bewusst und daher auch bereit ist, die Kosten ihrer Milderung und einer Energiewende mitzutragen", beobachtet Krzysztof Niedziałkowski vom Philosophie und Soziologie-Institut der Polnischen Akademie der Wissenschaften. Die Änderungen, so das Blatt weiter, seien mittlerweile mit bloßem Auge sichtbar. So bedeute der aktuelle milde Winter für einen großen Teil des Landes fehlenden Schnee und folglich auch ein höheres Risiko von Dürren im Frühling und Sommer - geht es nach Regierungsexperten könnte Polen vielleicht sogar eine der schwersten Dürren seit 50 Jahren bevorstehen. "Zudem hat auch die Debatte über Smog und saubere Luft die Menschen auf den Klimawandel sensibilisiert", fügt Piotr Lewandowski vom Institut für Strukturelle Studien hinzu. All das zeige, so die Zeitung, dass die Regierung sich in diesem Bereich eigentlich auch die notwendigen, aber weniger populären Entscheidungen leisten könnte. Auch wenn die wichtigsten vom Staat kontrollierten Energieunternehmen vom aktuellen System profitieren würden und es beträchtlichen Widerstand von einflussreichen Gruppen, wie die Bergarbeiter gebe. Gewisse Entscheidungen könne man nicht vermeiden. Eine von ihnen sei die Entscheidung zum EU-Ziel der Klimaneutralität bis 2050 und dem Preis, den man dafür werde zahlen müssen. Weitere würden erneuerbare Energien und Kernkraftenergie betreffen, so Dziennik/Gazeta Prawna.

Autor: Adam de Nisau