Ein wichtiges Thema in der Presse ist der rapide Anstieg der Covid-19-Infektionen in Polen und die damit verbundene angekündigte Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen. Die Regierung hatte gestern ab Samstag unter anderem neue Regeln für die Gastronomie und die Schließung von Schwimmbädern sowie Fitnessstudios angeordnet. Zudem sollen sich ab Samstag 70 Prozent der polnischen Bevölkerung in der roten Zone wiederfinden.
Rzeczpospolita: Polen verliert Kontrolle
Polen verliert die Kontrolle über das Coronavirus, schreibt dazu in der Rzeczpospolita die Publizistin Joanna Ćwiek. Und erinnert daran, dass die Zahl von neuen Ansteckungen gestern mit 8099 Personen um über 1500 Fälle höher lag, als die vom Vortag. Die Krankenhausbetten, so die Autorin, würden sich in Windeseile füllen. Derzeit seien schon 6558 Plätze in Krankenhäusern besetzt. Vor einer Woche seien es noch 4138 und Ende August 2185 gewesen. Ähnlich sehe die Lage mit Beatmungsgeräten aus. Heute seien 508 Geräte besetzt, nach den Sommerferien seien es nur 80 gewesen. All dies zeige, laut Experten, wie schnell sich die Epidemie ausbreite. Und die identifizierten Fälle seien nicht die symptomlosen, sondern vor allem die mit schwerem Verlauf. Noch vor kurzem, so der Virologe Professor Włodzimierz Gut, seien die größten Anstiege von Infektionen am Donnerstag und Freitag verzeichnet worden, was ein Resultat der Aktivitäten am Wochenende gewesen sei. Dies, so der Experte, habe sich nun aber geändert. Die Anstiege seien schon zu Wochenbeginn zu sehen, was deutlich mache, wie stark sich das Virus in der Gesellschaft verankert habe. Weitere Epidemieherde in Büros, Krankenhäusern und Sozial-Einrichtungen werden die Folge sein, so Joanna Ćwiek in der Rzeczpospolita.
Dziennik/Gazeta Prawna: Wir haben nichts erfahren
Im Interview mit dem Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna gibt der Fraktionschef der Bürgerkoalition Cezary Tomczyk seinem Frust nach dem Fern-Treffen zur Epidemie zwischen Opposition und Regierung Ausdruck. Der Premier habe der Opposition nichts in Bezug auf die Strategie der Regierung im Kampf gegen das Virus zu sagen gehabt, wirklich nichts. Kein Plan sei vorgestellt worden. Die Opposition, so Tomczyk, habe nur vom Vize-Gesundheitsminister gehört, dass Grippeimpfungen nicht notwendig seien, da es in Polen keine Grippeepidemie gebe. Schock, so Tomczyk. Italien habe 16 Millionen Impfungen gekauft. Deutschland 22 Millionen. Und wir, nichts. Die Regierung habe nur diejenigen beschlagnahmt, die Apotheken für ihre Kunden bestellt hatten. Wo diese Impfungen nun seien, sei nicht bekannt. Er kenne eine Person, die sich geimpft habe. Als er eine Impfung für seine Mutter kaufen wollte, habe er nirgends eine bekommen können, so Cezary Tomczyk im Gespräch mit Dziennik/Gazeta Prawna.
Gazeta Polska Codziennie: Weitere spektakuläre Aktion der Zentralen Antikorruptionsbehörde
Zweites wichtiges Thema ist die überraschende Verhaftung von Ex-Politiker und Anwalt Roman Giertych.
“Die Zentrale Antikorruptionsbehörde hat den Anwalt der Bürgerplattform festgenommen”, titelt den Aufmacher ihrer heutigen Ausgabe die regierungsnahe nationalkonservative Gazeta Polska Codziennie. Zur selben Zeit sei auch Geschäftsmann Roman Krauze verhaftet worden. Laut den Ermittlern, lesen wir in der Einführung zum Leitartikel, seien die beiden an einem organisierten Prozedere beteiligt gewesen, das in der Ausführung von Mitteln aus einer Firma, sowie Geldwäscherei bestand. Es gehe um über 90 Millionen Zloty.
Es sei eine weitere spektakuläre Aktion der CBA, in der ehemals straflos bleibende Personen, die auf dem Schnittpunkt zwischen Politik und Business agierten zur Rechenschaft gezogen würden, lobt in seiner Stellungnahme der Chefredakteur des Blattes, Tomasz Sakiewicz. Es sei ein wahrer Durchbruch, denn erstmals würden auch relativ alte Verbrechen, die der polnischen Wirtschaft und Gesellschaft großen Schaden zugefügt hätten aufgearbeitet. Es gehe um fundamentale Gerechtigkeit. Und darum, den Polen zu zeigen, dass alle, die Verbrechen begehen, unabhängig von ihren Einflüssen, letztendlich zur Rechenschaft gezogen werden, so Tomasz Sakiewicz in der Gazeta Polska Codziennie.
Gazeta Wyborcza: Schlag der Staatsanwaltschaft gegen bekannten Anwalt
Es sei eine Machtdemonstration und ein Einschüchterungsversuch - kommentiert die Verhaftung indes im Gespräch mit der linksliberalen Gazeta Wyborcza der Anwalt Jacek Dubois. Und bringt die Festnahme mit dem heutigen Prozess in Verbindung, bei dem über eine eventuelle Untersuchungshaft für Unternehmer Leszek Czarnecki entschieden werden soll, dessen einziger Verteidiger Giertych sei. Laut Dubois würde den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft gegen Czarnecki im Zusammenhang mit der so genannten Getback-Affäre die Substanz fehlen. Und für Justizminister Zbigniew Ziobro sei der Prozess eine Prestige-Frage, denn er hatte vor drei Jahren Czarnecki als Hauptschuldigen genannt. Das Blatt macht zudem darauf aufmerksam, dass das nationale Fernsehen TVP offenbar bestens auf die Festnahme vorbereitet gewesen sei und sofort nach der Verhaftung begonnen habe, Hintergrundinformationen zu den Ermittlungen zu publizieren. Und zitiert aus dem Tweet von Giertych, der gestern schrieb: “Lasst nicht zu, dass meine Festnahme die epidemiologische Katastrophe der Regierung PiS verdeckt, denn dies ist ihr Ziel”. Geht es nach Publizist Jarosław Kurski, sei die Festnahme einen Racheakt der Regierung an Giertych für dessen systematische und effektive Kritik an der Politik der PiS.
Autor: Adam de Nisau