Deutsche Redaktion

"Lukaschenkas Provokation"

25.05.2021 12:52
Thema Nummer 1. in der polnischen Presse ist die Entführung des Ryan-Air-Flugzeugs durch Belarus und die Verhaftung des Bloggers und Nexta-Gründers Raman Pratasiewicz durch das Regime Lukaschenka. 
Raman Pratasiewiczzdjęcie archiwalne
Raman Pratasiewicz/zdjęcie archiwalnePAP/EPA/STRINGER

Thema Nummer 1. in der polnischen Presse ist die Entführung des Ryan-Air-Flugzeugs durch Belarus und die Verhaftung des Bloggers und Nexta-Gründers Raman Pratasiewicz durch das Regime Lukaschenka. 

Rzeczpospolita: Lukaschenkas Provokation

Der Informationskanal Nexta habe, wie die konservativ-liberale Rzeczpospolita in ihrem heutigen Aufmacher erinnert, ein für das 9,5 Millionen Menschen große Belarus erstaunlich großes Publikum von einer Million Followern für sich gewonnen. Während der Proteste nach den gefälschten Präsidentschaftswahlen im August sei der Kanal für die Belarussen zur wichtigsten unabhängigen Informationsquelle geworden. Man habe dank ihm nicht nur sehen können, wo, wann und in welcher Form Proteste organisiert werden, aber auch wie Inhaftierte gefoltert werden und was das Militär und die Polizei vorhaben. Alles, so das Blatt, dank illoyalen Beamten des Innenministeriums und anderer Dienste, die geglaubt hätten, dass sich das Regime am Rande des Zusammenbruchs befindet. Aber auch später, als Lukaschenka die Initiative übernommen habe, habe Nexta die offizielle Propaganda untergraben, unter anderem mit Berichten darüber, was wirklich inmitten der Pandemie in den Krankenhäusern geschah - diesmal dank Filmen, die Ärzte geschickt hätten. Die KGB-Funktionäre, die nun Pratasiewicz verhören, so die Zeitung, würden sicherlich nicht zögern, Foltern anzuwenden, um die Namen der “Verräter” zu erfahren. 

Der Hass Lukaschenkas gegenüber Nexta sei so stark, lesen wir weiter, dass wie diplomatische Quellen zugeben, das Interview, das Premierminister Morawiecki dem Portal im August gegeben habe, ein Wendepunkt gewesen sei, der den Diktator Lukaschenka auf Konfrontationskurs mit Polen brachte.

Doch, so Rzeczpospolita, der Preis der Verhaftung von Protasiewicz könne für Lukaschenka höher ausfallen, als er vermutet habe. Die Entführung des Flugzeugs habe die Öffentlichkeit so erschüttert, dass die EU und Amerika in ihrer Reaktion nun über die rituellen Gemeinplätze hinausgehen müssten. Es sei von schmerzhaften Sanktionen die Rede. Zudem wolle Polen auch den Schutz der 401 Belarussen erhöhen, die aufgrund ihrer oppositionellen Aktivität an der Weichsel Zuflucht gefunden haben, so Rzeczpospolita. 

Gazeta Wyborcza: Je größer Not, je näher... 

Als es zu der Entführung des Flugzeugs und der Verhaftung von Pratasiewicz gekommen sei, sei die Reaktion von Premierminister Mateusz Morawiecki eindeutig gewesen, so Bartosz Wieliński in seinem Kommentar für die linksliberale Gazeta Wyborcza. Er habe sich an die EU um Hilfe gewendet. Eine solche Entscheidung könne wundern, wenn doch noch ein paar Tage zuvor Bildungsminister Przemysław Czarnek die EU als ein “unrechtmäßiges Gebilde” bezeichnet habe. Man habe auch noch die Worte von Staatspräsident Andrzej Duda von einer “imaginären Gemeinschaft” sowie viele andere EU-kritische Aussagen von Regierungspolitikern in Erinnerung. Nun zeige sich jedoch deutlich, dass Polen alleine nichts gegen den belarussischen Autokraten ausrichten könne, von dessen russischem Protektor ganz zu schweigen. Die Frage sei nur, wie viel in der EU die Stimme eines Politikers wert sei, dessen Partei jede Gelegenheit nutze, die Gemeinschaft zu kritisieren.

Polen, so Wieliński, gebe den Debatten über die Ostpolitik der EU nicht mehr den Ton an. Seit dem Ausbruch der Revolution in Belarus sehe man deutlich, dass Warschau zugunsten von Vilnius abgedankt hat. Oppositionsführerin Swiatlana Cichanouska habe die Hauptstadt von Litauen und nicht die von Polen für ihren Sitz gewählt. Litauische und nicht polnische Diplomaten würden die Politik der Gemeinschaft gegenüber dem Regime koordinieren. Der litauische und nicht der polnische Präsident hätte als erster ein Sanktionspaket vorgeschlagen. Die Erklärungen der polnischen Politiker seien erst viel später aufgetaucht. Es sei unheimlich frustrierend, dass im sechsten Jahr der Amtszeit des Regierungslagers, das die Auferstehung von den Knien angekündigt habe, das einzige, was den Behörden einfällt sei, Litauen zu folgen, so Bartosz Wieliński in der Gazeta Wyborcza.

 

Dziennik/Gazeta Prawna: Hohe Noten für Ideen aus der “Polnischen Ordnung”

Gesundheit, Steuern, Wohnungen - in diesen Bereichen sind die populärsten Vorschläge aus dem Regierungsprogramm “Polnische Ordnung” zu finden, berichtet das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna unter Berufung auf eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts United Surveys. So würden 82 Prozent der Befragten die Abschaffung des Limits beim Zugang zu Fachärzten befürworten. Für das geplante Paket von Profilaxe-Untersuchungen für die Gruppe 40+ würden sich 81,9 Prozent aussprechen, für die Anhebung der steuerfreien Quote auf 30 Tausend PLN 80,7 Prozent und für die Erhöhung der Finanzierung des Gesundheitswesens auf 7 Prozent des BIP 77,1 Prozent. In der Regierungskoalition würde nun vor allem eine Debatte über die Senkung der Belastung für Wirtschaftstätige laufen, die viele Kommentatoren als übertrieben kritisiert hatten, so Dziennik/Gazeta Prawna.

Autor: Adam de Nisau