Deutsche Redaktion

"Wird die Oder dem Premierminister zum Verhängnis? "

16.08.2022 15:07
Die Umweltkatastrophe in der Oder bleibt ein wichtiges Thema in den Pressekommentaren. 
Polen hat am Samstag die ersten Ergebnisse der Proben aus der kontaminierten Oder von deutschen Labors erhalten. Entgegen frheren Medienberichten soll darin kein Quecksilber gefunden worden sein, informierten Beamte.
Polen hat am Samstag die ersten Ergebnisse der Proben aus der kontaminierten Oder von deutschen Labors erhalten. Entgegen früheren Medienberichten soll darin kein Quecksilber gefunden worden sein, informierten Beamte.PAP/Marcin Bielecki

Gazeta Wyborcza: Wird die Oder dem Premierminister zum Verhängnis? 

60 Tonnen tote Fische sind inzwischen aus dem Fluss geborgen worden. Die Ursachen des massenhaften Fischsterbens bleiben für Experten jedoch weiterhin ein Rätsel, schreibt in ihrem heutigen Aufmacher die linksliberale Gazeta Wyborcza. Umweltministerin Anna Moskwa, lesen wir, habe eingeräumt, dass bisher keine Untersuchungen toxische Substanzen in den entnommenen Wasserproben bestätigt haben. Nun würden Pestizide als mögliche Ursache ins Visier genommen. Zuvor seien Mesitylen und Quecksilber als Gründe für das Fischsterben ausgeschlossen worden, erinnert das Blatt. Nachdem der Kommandant der Polizei am Samstag eine Million Złoty Belohnung für Hilfe bei der Identifikation desjenigen ausgelobt habe, der die Oder vergiftet habe, seien inzwischen hunderte von Meldungen eingeflossen. Alle würden jetzt verifiziert, berichtet Gazeta Wyborcza. 

Der Publizist des Blattes Paweł Wroński sieht in der Katastrophe sowie der langsamen Reaktion der Behörden indes einen weiteren Beweis für die tiefe Krise der Regierung Morawiecki. PiS-Chef Kaczyński, so der Autor, könne natürlich versuchen, Deutschland schlechtzureden, die verräterische EU oder die Gender-Ideologie, die die wahre polnische Seele vergifte, um die Öffentlichkeit von dem Problem abzulenken. Doch Tatsache bleibe, dass seine Regierung offenbar nicht imstande sei, den zweitgrößten Fluss Polens zu retten. Werde der Premierminister wegen der Oder sein Amt verlieren, fragt Wroński? Die Entscheidung seines Konkurrenten in der PiS, Verteidigungsminister und Vizepremier Mariusz Błaszczak, 150 Soldaten an die Oder zu schicken, noch bevor der Ministerpräsident reagiert habe, könne man jedenfalls als subtile Suggestion lesen, nach dem Motto: vielleicht sollte der Herr Premier sich schon zur Ruhe setzen und ich, “der starke Mann der Partei” werde das Steuer übernehmen. Die PiS sei sich bewusst, dass wenn sie nichts ändert, schon im Herbst ein Absturz in den Umfragen droht. Sie wisse auch, dass sie mit einem Wechsel an der Regierungsspitze eine Niederlage zugeben würde und eine solche Operation daher riskant sei, so Paweł Wroński über das Dilemma im Regierungslager. 

 

Gazeta Polska Codziennie: Politische Instrumentalisierung der Umweltkatastrophe

 

Die nationalkonservative und regierungsnahe Gazeta Polska Codziennie scheint sich das Motto “Angriff ist die beste Verteidigung” zu Herzen genommen zu haben und wirft der Opposition und Bürgerplattform-Chef Donald Tusk die Instrumentalisierung der Umweltkatastrophe im politischen Kampf vor. Fake-News, Halbwahrheiten, Hate und skrupelloser politischer Kampf - das, lesen wir, sei das Menü, das uns die Bürgerplattform in Bezug auf die Umweltkatastrophe in der Oder zu bieten habe. Nur ein Beispiel sei die systematische Verbreitung der längst widerlegten These über eine Quecksilbervergiftung der Oder durch Oppositionspolitiker und oppositionsnahe Medien. Laut ihren politischen Gegnern, so das Blatt, würde die Vereinigte Rechte die Verantwortung für die Katastrophe tragen. “Die Strategie ist simpel: die Regierung muss man immer und für alles kritisieren, das in Polen geschieht” - zitiert das Blatt den Soziologen Professor Henryk Domański. Und wie der Experte zugebe sei es eine Strategie, die im Falle der unentschiedenen Wähler aufgehen könne. Man müsse hier jedoch auch erwähnen, so das Blatt weiter, dass nicht alle die Narration der “totalen Opposition” vervielfältigen wollen. Auch in ihren Reihen würden einige die Reaktion der Regierung loben, betont die Zeitung. Und führt als Beispiel die Vize-Landrätin des Landkreises Gryfino an, die sich bei Premierminister Mateusz Morawiecki in den sozialen Medien für seine Bemühungen bedankt habe.

Dziennik/Gazeta Prawna: Viele Ukrainer werden Steuern für vergangenes halbes Jahr begleichen müssen

Schon in Kürze wird der Aufenthalt vieler Ukrainer in Polen 183 Tage überschreiten. Das bedeutet, dass diejenigen, die bisher keine Steuern in Polen gezahlt haben, ein Problem haben könnten, beobachtet das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. Der Grund: Laut Vorschriften müssen Ausländer nach der Überschreitung dieser Frist, also im Falle vieler ukrainischer Flüchtlinge ab September, ihre Steuern an den polnischen Fiskus abführen - nicht nur für jeden darauffolgenden Monat, sondern auch für das ganze vergangene halbe Jahr, so Dziennik Gazeta Prawna. Das betreffe auch Ukrainerinnen, die von Polen aus für ihren ukrainischen Arbeitgeber arbeiten, deren Lebenszentrum aber in der Ukraine geblieben sei, wo ihr Ehemann und ihr Haus sei, zu dem sie nach dem Krieg zurückkehren wollen. Die Betroffenen können dann zwar theoretisch versuchen, die an Polen gezahlten Steuern von der Ukraine zurückzuerhalten. Es bleibe aber offen, ob das gelingen werde, so Dziennik/Gazeta Prawna. 

 

Autor: Adam de Nisau