Die deutschen Kriegsreparationen an Polen seien aufgrund des deutschen Erbes eine historische Verpflichtung, meint Prof. Stephan Lehnstaedt, Historiker am Touro College in Berlin. Er betone, dass bisher noch keine polnische Regierung eine schriftliche Forderung gestellt habe. Sollte dies geschehen, könne die Regierung in Berlin "auf ernsthafte Forderungen nicht mit Almosen reagieren, da sie sonst ihre Glaubwürdigkeit verlieren würde", lesen wir auf dem regierungsnahen Nachrichtenportal niezależna.pl.
Reparationen, heißt es weiter, seien auch eine Frage der guten Nachbarschaft und der Zusammenarbeit. Nach Ansicht des Professors sollte die Frage der Wiedergutmachung auf nationaler Ebene diskutiert werden. Deutschland sollte dies tun, schon allein deshalb, glaubt der Akademiker, weil es für Polen ein so wichtiges Thema sei. Und dazu könne man nur etwas sagen, wenn die polnischen Wünsche und Forderungen präzisiert und klar dargelegt werden. Lehnstaedt weise auch darauf hin, dass Polen im Vergleich zu den Opfern im Westen viel weniger Entschädigung erhalten hätten. In einigen Fällen habe es sogar überhaupt keine Entschädigung gegeben. Polens Regierung sollte deshalb auf jeden Fall Entschädigungen fordern und anfangen daran zu arbeiten.
Das Wissen und das Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit über die Besetzung Polens und die Verbrechen der Nationalsozialisten sei recht gering, erklärt der Professor des Weiteren. Es beschränke sich auf sehr elementare Fakten wie den Überfall auf Polen 1939 oder Auschwitz. Nur wenige wüssten zum Beispiel über den Warschauer Aufstand von 1944. Dem Historiker zufolge sei dies vor allem eine Frage der Bildung.
Die Inhalte des Schulunterrichts seien von der Politik bestimmt. Geschichte sei in Deutschland leider kein wichtiges Fach. Die Verbrechen von 1933 bis 1945 würde man in Deutschland meist nur am Beispiel des Holocausts vermitteln. Daher gebe es nur wenig Wissen über Polen.
Nach Ansicht des Professors seien sich die "durchschnittlichen" Deutschen möglicherweise überhaupt nicht der Gräueltaten und Verbrechen bewusst, die während des Zweiten Weltkriegs in Polen stattfanden.
Eine gute Nachbarschaft erfordere deshalb umso mehr Wissen, Verständnis und Respekt, lesen wir. Es sei klar, dass die deutsche Erinnerungskultur höchst problematische Lücken habe. Es sollte keine Bevorzugung von Opfern geben. Und daran müsse gearbeitet werden, glaube der deutsche Gelehrte, wenn das Gedenken mehr als ein leerer Begriff sein soll, heißt es abschließend auf niezalezna.pl
Piotr Siemiński