Deutsche Redaktion

"Wollte der Kreml den ukrainischen Präsidenten und den griechischen Premierminister töten?"

08.03.2024 14:21
Wollten die Russen Selenskyj töten oder einen Krieg mit der NATO provozieren, indem sie Odessa während des Besuchs des griechischen Premierministers bombardierten? Woher kommt die Führungsschwäche der USA? Und: Wird vom Green Deal am meisten China profitieren? Die Einzelheiten in der Presseschau.
Президент Украины Владимир Зеленский Фото: @ZelenskyyUa/X

Rzeczpospolita: Wollte der Kreml den ukrainischen Präsidenten und den griechischen Premierminister töten?

Wollten die Russen Selenskyj töten oder einen Krieg mit der NATO provozieren, indem sie Odessa während des Besuchs des griechischen Premierministers bombardierten, fragt Rusłan Szoszyn von der konservativ-liberalen Rzeczpospolita. Wie der Autor erinnert, war der ukrainische Präsident zusammen mit dem griechischen Regierungschef Kyriakos Mitsotakis am Mittwoch in Odessa unterwegs. Die Welt habe von dem Besuch aber erst erfahren, nachdem Russland kurz vor Mittag die Hafenanlagen der Stadt bombardiert hatte. Griechischen Medien zufolge habe eine russische Rakete nur 150 Meter von der Regierungskolonne mit den Staatsoberhäuptern eingeschlagen. Seit Beginn des Krieges, so Szoszyn, sei dies der erste russische Angriff auf die Ukraine gewesen, der in unmittelbarer Nähe des Staatschefs eines NATO-Landes stattfand. Dabei hätten in den letzten zwei Jahren des Krieges mehrere ausländische Staatsoberhäupter, darunter auch der US-Präsident, das Land besucht. Gehe es nach dem US-Sender CNN, sei der Einschlag so stark gewesen, dass die Begleiter der Staatsoberhäupter die Auswirkungen der Explosion am eigenen Leib zu spüren bekamen. Daher spekuliere der Sender auch, dass der russische Angriff am Mittwoch ein Signal an den ukrainischen Präsidenten sein könnte. Die Tatsache, dass dies in Anwesenheit eines NATO-Staatschefs geschah, zeige, wie hoch das Risiko eines globalen Konflikts sei, so CNN.

Auch ukrainische Kommentatoren, lesen wir weiter, würden nicht an Zufälle glauben. Ähnliche Besuche des ukrainischen Präsidenten würden immer im Geheimen stattfinden. Nur ein kleiner Personenkreis sei informiert. Selbst in Odessa sei sich niemand des Besuchs bewusst gewesen. Man vermute deshalb, dass die Russen Informationen erhalten haben müssen, vielleicht gar von einem Maulwurf" im Umfeld  des Präsidenten. Der Vorfall sei jedenfalls sehr ernst. 

Möglicherweise wolle Russland damit Angst schüren. Dies sei eine typisch russische Methode. Moskau werde jedoch das Gegenteil des Erhofften erreichen. Der griechische Premierminister werde die Ukraine nun umso mehr unterstützen.

Auf Selenskyj seien bereits mehrere Attentate verübt worden, fährt der Autor fort. Der ukrainische Präsident selbst spreche von fünf oder sechs Attentatsversuchen, US-Medien gehen von einer höheren Zahl aus. Allein die CIA habe mindestens einen vereitelt. Der Kreml habe auch versucht, den Präsidenten zu entführen.

Wäre es Moskau gelungen, Präsident Selenskyj gleich zu Beginn des Krieges zu entführen und wären russische Truppen in Kiew einmarschiert, könnte der gesamten Ukraine dasselbe Szenario wie der Krim widerfahren, glaubt der internationale Sicherheitsexperte des Kiewer Razumkow-Zentrums, Oleksij Melnyk. Damals sei die Rolle des Präsidenten sehr groß gewesen. Heute seien die Zeiten aber anders. Heute sei Selenskyj nicht mehr so wichtig. Niemand würde aufhören, das Land zu verteidigen, sollte ihm was passieren. Die Beseitigung Putins hingegen könnte in der Tat einen entscheidenden Einfluss auf den Verlauf des Krieges haben, zitiert Melnyks Einschätzung Rusłan Szoszyn in der Rzeczpospolita.

Dziennik.pl: Amerikas Einzigartigkeit verblasst immer stärker

Die Führungsrolle der USA in der Welt erodiere. Unklar bleibe, ob nur für eine Weile oder dauerhaft, urteilt Mateusz Obremski vom Nachrichtenportal dziennik.pl. Zunächst der chaotische Rückzug aus Afghanistan, der einer Supermacht nicht würdig sei. Hinzu komme der Krieg in der Ukraine, die militärische Herausforderung der Pax Americana durch Russland und jetzt die langwierige Blockade der militärischen Unterstützung für Kiew durch den Kongress. Auch im Gazastreifen herrsche Krieg. Die Unruhen im Nahen Osten hätten nach Angaben von Außenminister Antony Blinken den Höhepunkt seit den 1970er Jahren erreicht. All dies geschehe in einer Zeit, in der die USA selbst sehr unentschlossen seien.

Man ärgere sich über Trump, wenn er sage, säße er im Weißen Haus, wären die jüngsten Konflikte nie ausgebrochen. Diese These könne man natürlich nicht verifizieren. Trotzdem gebe es viele berechtigte Fragen über die Qualität der amerikanischen Führungsrolle. Warum sei die Antwort der USA so oft zu spät, reaktiv und zaghaft? Und das nach Tausenden von inoffiziellen Warnungen in der Presse oder absichtlichen Leaks an Medien. All das erwecke den Eindruck, als ob Joe Biden und Außenminister Antony Blinken mutige Schritte und starken Druck vermeiden würden. Sie würden vielleicht einfach glauben, dass Amerika nicht mehr stark genug sei. Dass unterm Strich ohnehin niemand auf Amerika hören werde. Und genau deshalb würden sie wie höfliche Langweiler auftreten. Sie würden niemanden irritieren oder provozieren wollen.

Das Problem liege nicht allein bei den demokratischen Bürokraten in Washington, fährt das Blatt fort. Die amerikanische Gesellschaft selbst würde so denken. Die Amerikaner hätten aufgehört, an ihr Land zu glauben. Umfragen zufolge würde sich dieser negative Trend fortsetzen. Auch Bidens Amtsantritt habe an dieser Situation nichts geändert. Nur 27 Prozent der US-Bürger seien mit dem politischen System ihres Landes zufrieden. Das Vertrauen in amerikanische Institutionen liege auf einem Rekordtief. Nur 16 Prozent der Amerikaner würden ihrer Regierung vertrauen.

Es sei auch das erste Mal, dass mehr Amerikaner dem Obersten Gerichtshof der USA misstrauen als ihm vertrauen. All dies werde bei den  Demonstrationen und Versammlungen in den Vereinigten Staaten deutlich. Erwähnenswert sei hier vor allem Trumps ewiger Slogan „Make America Great Again". Er bedeute nichts anderes, als dass Amerika nicht mehr großartig sei und auf der Welt nicht mehr alleine funktionieren könne. Amerika wolle sich deshalb auf sich selbst konzentrieren, wiederaufbauen und möglicherweise ein Netzwerk starker Allianzen schaffen. Ob die USA wirklich nicht die Macht haben, etwas zu bewirken, bleibe ungewiss. Denn auch das lasse sich nicht verifizieren, so Mateusz Obremski im Portal Dziennik.pl. 

Dziennik/Gazeta Prawna: China profitiert am meisten von der Einführung des Green Deal

Die Umsetzung der Richtlinien des Green Deal in Europa nehme eine unerwartete Wendung. Wie das Wirtschaftsblatt DGP schreibt, würden chinesische Unternehmen das meiste Geld mit grünen Technologien verdienen und die EU-Industrie in den Bankrott treiben.

Wie wir erfahren, habe der Vorstandsvorsitzende der Siemens Energy AG gegen den Import billiger chinesischer Windkraftanlagen nach Europa protestiert. Er fordere die Europäische Kommission auf, die Eroberung des EU-Marktes durch China zu begrenzen und europäische Unternehmen zu unterstützen. Möglich wäre dies, wenn die EU Qualitätsanforderungen einführen würde. In der Rangliste der 10 größten Unternehmen, die Windturbinen herstellen, seien nämlich sieben Plätze von Unternehmen aus China besetzt, so das Blatt.

Infolgedessen stünden Unternehmen wie die Siemens Energy AG am Rande des Bankrotts, und nur die staatliche Unterstützung bewahre sie vor dem totalen Zusammenbruch. Die Pläne und Erwartungen in Bezug auf den Green Deal seien aber ganz anders gewesen, heißt es weiter. Noch vor einem Jahrzehnt seien die EU-Länder führend bei den Technologien und der Produktion der für die geplante große Energiewende benötigten Ausrüstung gewesen. Es seien europäische Unternehmen, die mit Windturbinen, Fotovoltaik, Lithium-Ionen-Batterien und - in der nächsten Phase - mit Elektroautos in großem Stil reich werden sollten.

Dies erfordere allerdings riesige Ausgaben. Nach Schätzungen seien für das Ziel der Klimaneutralität bis Mitte des Jahrhunderts Investitionen in Höhe von 28 Billionen Euro notwendig. Das Problem sei, dass China möglicherweise das größte Stück von diesem Kuchen abbekommt. Schon jetzt wird der europäische Markt von Photovoltaikmodulen, Windturbinen und Wärmepumpen aus China beherrscht. Wird der asiatische Riese diesen Teil des europäischen Marktes vollständig zerstören, fragt die Tageszeitung als Fazit.

Autor: Piotr Siemiński