Deutsche Redaktion

"NATO will sich direkter in die Unterstützung der Ukraine engagieren"

04.04.2024 12:15
Jens Stoltenberg will noch vor dem Ende seiner Amtszeit ein Vermächtnis hinterlassen: einen NATO-Fonds, der innerhalb von fünf Jahren 100 Milliarden Euro an die Ukraine überweisen soll. Außerdem: Der Umgang Israels mit dem Tod von Freiwilligen im Gaza-Streifen schlägt weiterhin hohe Wellen in Polen. Und: Bei den anstehenden Kommunalwahlen könnte eine geringe Anzahl von Stimmen darüber entscheiden, wie viele Woiwodschaftstage die Regierungskoalition der PiS entreißen wird. Die Einzelheiten in der Presseschau.
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Флаг НАТО.Фото: РАР/EPA/ROBERT GHEMENT

Rzeczpospolita: NATO will sich direkt in die Unterstützung der Ukraine engagieren

Die Rolle des NATO-Generalsekretärs erfordert eine rasche Bildung von robusten Kompromissen zwischen den inzwischen 32 Mitgliedsstaaten. Jens Stoltenberg sei dies sehr gut gelungen, so Rzeczpospolita in ihrem heutigen Aufmacher. Stoltenberg, so die Zeitung, habe zudem auch, dank seiner realistischen Perspektive auf Russland, den Respekt der Ost- und Mitteleuropäischen Staaten genossen. Daher auch die Bitte an ihn nach dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine, seine Amtszeit zu verlängern. Nun sei allerdings sicher, dass der Jubiläumsgipfel der NATO in Washington im Juli der letzte für Stoltenberg sein wird. Da die Situation an der ukrainischen Front nicht einfacher werde, wolle der Norweger jedoch noch vor dem Ende seiner Amtszeit ein Vermächtnis hinterlassen: einen NATO-Fonds, der innerhalb von fünf Jahren 100 Milliarden Euro an die Ukraine überweisen soll. Darüber, so das Blatt, hätten am Mittwoch in Brüssel die Außenminister der NATO-Länder beraten, eine endgültige Entscheidung könnte auf dem Gipfel in Washington fallen. Schon jetzt, fährt die Zeitung fort, stamme nahezu die gesamte militärische Hilfe für die Ukraine (99 Prozent) von NATO-Staaten. Es handle sich jedoch um bilaterale Vereinbarungen, die nur im Rahmen der sogenannten Ramstein-Gruppe koordiniert werden, benannt nach dem deutschen Ort, an dem sich die Geber treffen. Angesichts der fehlenden Waffenlieferungen aus den USA und der schwierigen Situation an der Front, sei eine Diskussion über ein neues Unterstützungsformat dringend notwendig. Bisher habe die NATO eine solche Koordination nie selbst übernommen, um nicht den Eindruck zu erwecken, Konfliktpartei zu sein. Aber diese imagebezogenen Bedenken würden allmählich schwinden, und die Ukraine brauche dringend Waffen. Daher – meint Stoltenberg – sei eine Institutionalisierung der Hilfe notwendig. – Sie muss vorhersehbarer und solider gemacht werden, da wir zutiefst überzeugt sind, dass die Unterstützung für die Ukraine stärker von den langfristigen Verpflichtungen der NATO abhängen sollte. Auf diese Weise geben wir der Ukraine, was sie braucht. Es wird auch ein Signal an Moskau sein – sagte Stoltenberg am Mittwoch. Jeder Tag der Verzögerung bei Waffenlieferungen aus den Vereinigten Staaten, so Stoltenberg, habe Auswirkungen auf dem Schlachtfeld. Drittens fürchte Jens Stoltenberg eine mögliche Entwicklung der Situation, sollte Donald Trump die Wahlen in den USA gewinnen. Angesichts seiner aktuellen Ankündigungen könne man ernsthafte Zweifel haben, ob er bereit wäre, die massive Unterstützung für die Ukraine aufrechtzuerhalten. Wenn es indes vor einem möglichen Machtwechsel in den USA tatsächlich gelingen würde, einen institutionellen Rahmen für die NATO-Hilfe zu schaffen, wäre es schwer, sich später daraus zurückzuziehen.

Gazeta Wyborcza: Schnelle Aufklärung notwendig

Der Umgang Israels mit dem Tod von Freiwilligen im Gaza-Streifen schlägt weiterhin hohe Wellen in Polen. Der Koordinator der Spezialdienste, Tomasz Siemoniak, hat gestern dazu aufgerufen, auf die Ergebnisse der Ermittlungen zu warten. Bartosz Wieliński von der Gazeta Wyborcza hat indes keine Zweifel: Ja, so der Publizist im Aufmacher der Gazeta Wyborcza, der Angriff auf den Konvoi, in dem der 36-jährige Damian Soból reiste, qualifiziere sich als Kriegsverbrechen. Das internationale Recht verbiete den Beschuss von Zivilisten. Und der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu, der mit einem Halblächeln auf dem Gesicht verkündet habe, dass „sowas im Krieg passiert“, habe radikalen Zynismus bewiesen. Man, so der Autor, könne spekulieren, was schiefgelaufen sei. Habe der Geheimdienst, der künstliche Intelligenz zur Zielbestimmung im Gazastreifen verwende, einen tragischen Fehler gemacht? Hätten die Operatoren der Drohnen, die Panzerabwehrraketen abgefeuert hätten, die Konvois verwechselt? Oder habe jemand gedacht, dass man ausländischen Freiwilligen eine Lektion erteilen müsse? Netanjahu kündige eine Untersuchung an, und Polen – sowie die gesamte internationale Gemeinschaft – müsse darauf drängen, dass diese schnell und gründlich durchgeführt wird und die Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden.

Die Unterdrückung der Palästinenser durch Israel, so Wieliński, rechtfertige in keiner Weise den von der Hamas verübten Mord an 1.300 israelischen Zivilisten. So wie der Angriff der Terroristen Israel keine Carte Blanche im Gazastreifen gegeben habe und die Verursachung einer gigantischen humanitären Katastrophe nicht rechtfertige. Millionen von Zivilisten, einschließlich Kinder, würden hungern. Er, so der Autor, befürchte, dass der in Verruf geratene Premierminister Netanjahu, der um sein politisches Überleben kämpfe (der Angriff der Hamas habe die israelischen Geheimdienste und das Militär völlig überrascht), den Krieg im Gazastreifen eskalieren wird. Israel sei jedoch – im Gegensatz zu der vom iranischen Regime unterstützten Hamas – eine starke Demokratie. Es verfüge über die entsprechenden Institutionen, um solche Tragödien wie den Angriff auf die Freiwilligen von World Central Kitchen ehrlich aufzuklären, so Bartosz Wieliński in der Gazeta Wyborcza. 

Dziennik/Gazeta Prawna: Schlacht um die Regionen auf der Zielgeraden

Am Sonntag finden in Polen Kommunalwahlen statt. Und bei den Wahlen zu den Provinzlandtagen (bzw. Woiwodschaftstagen) könnte sich die Situation vom Oktober 2023, also von den Parlamentswahlen, wiederholen, schreibt das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna.. Obwohl im Vordergrund der Wettbewerb zwischen der Bürgerkoalition und der Recht und Gerechtigkeit PiS stehe, werde es wichtiger als ihr direktes Duell sein, wie viele Stimmen der Dritte Weg erhalte. Das Ergebnis dieser Gruppierung könnte entscheiden, wie viele Woiwodschaftstage die Koalition der PiS entreißen werde. Die Partei von Jarosław Kaczyński hoffe wiederum, den Abwärtstrend stoppen zu können und den Druck der politischen Gegner abzuwehren. In diesem Kampf könne eine geringe Anzahl von Stimmen entscheiden, ob nur der Landtag der Woiwodschaft Karpatenvorland bei PiS bleibt oder ob es mit Hilfe der nationalkonservativen Konföderation gelinge, die Macht sogar in fünf Regionen zu behalten.Die Wahlen am Sonntag, so die Zeitung, würden entscheiden, wer in den Regionen regieren werde und somit, in wie vielen Woiwodschaften über die Verteilung von Milliarden Euro aus der aktuellen Haushaltsperspektive die Koalition und in wie vielen die PiS entscheiden werde. Sie werden auch ein echter politischer Test vor den Europawahlen im Juni sein und können entscheiden, in welcher Formation die Koalitionsparteien zu ihnen gehen werden.

Autor: Adam de Nisau