Deutsche Redaktion

Einen zweiten Kniefall hat es nicht gegeben

02.08.2024 10:00
Vor 54 Jahren kniete Willy Brandt vor dem Denkmal für die Helden des Warschauer Ghettos im Warschauer Stadtteil Muranów nieder. Wie der deutsche Bundeskanzler später erklärte, war dies eine ungeplante Geste, die als spektakulärer Ausdruck der Sühne für die Verbrechen des Holocausts gedacht war. Diese Woche wiederholte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Kranzniederlegung vor dem Mahnmal des Warschauer Aufstands die Geste nicht, sondern verneigte sich einen langen Moment, schreibt Jędrzej Bielecki in seinem Kommentar in der Tageszeitung Rzeczpospolita. Zuvor hatte er bereits zweimal um Vergebung für die Gräueltaten seiner Landsleute vor 80 Jahren gebeten.
Bundesprsident Frank-Walter Steinmeier und Prsident Andrzej Duda in Warschau.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Präsident Andrzej Duda in Warschau.PAP/Rafał Guz

Die Rede des Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland bestand nicht nur aus tiefsinnigen und treffenden Worten. Seine Zusicherung vor den letzten überlebenden Aufständischen, dass die Regierungen beider Länder hinsichtlich der Zahlung von Sozialhilfe an die Überlebenden der Besatzung in engem Kontakt bleiben, klang kleinlich, wenn nicht gar erbärmlich. An einer Stelle waren auch die Stimmen der Versammelten zu hören, die riefen: „Wiedergutmachung! Wiedergutmachung!“. Es waren jedoch nur wenige und sie wurden schnell von Applaus überdeckt, lesen wir weiter.

Und obwohl sowohl der polnische Staatspräsident Andrzej Duda als auch der Warschauer Bürgermeister Rafał Trzaskowski erwähnten, dass die deutschen Verbrechen nie aufgearbeitet wurden, taten sie dies nur kurz und nicht an den entscheidenden Stellen ihrer Reden. Der Warschauer Bürgermeister wies darauf hin, dass Russland heute nicht daran denke, Polen anzugreifen, weil es aufgrund der Erfahrungen von 1944 wisse, dass es es mit einer Nation zu tun hätte, die Moskau nicht verzeihen würde. Trzaskowski wies auch darauf hin, dass wir jetzt ein möglichst enges Bündnis mit unserem Nachbarn jenseits der Oder eingehen müssen, wenn wir wollen, dass die Werte, die den Aufständischen wichtig sind, wie etwa die Freiheit, gesichert sind. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wiederum verglich das Heldentum der Ukrainer im Kampf gegen Russland mit dem Aufstand an der Weichsel vor 80 Jahren. Und er erkannte an, dass der Aufbau eines geeinten Europas die Erfüllung des Testaments der Helden von 1944 ist. Bei den Kranzniederlegungen am Denkmal des Warschauer Aufstands fehlte wie immer die russische Botschaft. Dies ist ein Maß für die Kluft, die heute unsere Beziehungen zu Berlin von unseren Beziehungen zu Moskau trennt. 

DO RZECZY: Vielsagendes Geschenk 

Während seiner Polen-Reise beteiligte sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auch an den Gedenkfeierlichkeiten im Stadtteil Wola, wo er der Opfer des deutschen Völkermordes gedachte, berichtet die Wochenzeitschrift Do Rzeczy.

An der Gedenkstätte in der Górczewska-Straße in Wola habe Wojciech Kolarski aus der Kanzlei von Präsident Duda dem deutschen Präsidenten den Autor eines Buches über den Völkermord in den ersten Augusttagen 1944 - Piotr Gursztyn - vorgestellt. Der Präsident erhielt ein Exemplar seines Buches über das Massaker in deutscher Sprache.


Er bitte um Vergebung für die Verbrechen, gegen die sich die Polen im Warschauer Aufstand gewehrt haben, sagte der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Zeremonie. Wie er betonte, scheine jedes Wort zu schwach, um diese Bestialität zu benennen. Er versicherte, dass die polnischen Bürger und Staatsangehörigen den Warschauer Aufstand niemals vergessen würden. Und auch die Deutschen, in deren Namen er spreche, dürfen ihn auch nicht vergessen. Der Deutsche fügte hinzu, dass er sich bewusst sei, wie viele Familien noch immer unter der Erinnerung an den Krieg litten. 

wGOSPODARCE.PL: Das Haus ohne Haus 

Am 1. August initiierte das Deutsch-Polnische Haus eine Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag des Ausbruchs des Warschauer Aufstandes vor dem Roten Rathaus in Berlin, berichtet das Portal wGospodarce.pl. Zum ersten Mal in der Geschichte der Stadt wurde am 1. August eine polnische Flagge vor dem Rathaus gehisst. Es wurden Gedichte von Anna Świrszczyńska – einer Warschauer Aufständischen - in einer neuen Übersetzung von Peter Oliver Loew gelesen. In Kürze wird übrigens ein Band mit Übersetzungen von Świrszczyńskas Werken erscheinen, der vom Deutsch-Polnischen Haus mitfinanziert wird, sagt Agnieszka Wierzcholska, eine Vertreterin der Institution.

Das Deutsch-Polnische Haus hat gemeinsam mit dem Deutschen Polen-Institut in Darmstadt auch das Projekt #63Tage initiiert. Es sei eine Klammer für eine Reihe von Veranstaltungen in Berlin, wie Lesungen, Ausstellungen, Diskussionen, ein Gespräch mit einem Zeitzeugen, die Herstellung von Wandbildern in der Topographie der Stadt durch polnische und deutsche Jugendliche, erklärt Wierzcholska.

Plakate mit Gedichten von Anna Świrszczyńska in deutscher Übersetzung werden auch im Berliner Raum aufgehängt und auf Bildschirmen in der Berliner U-Bahn zu sehen sein.

Die Institution beginne bereits seine Bildungs-, Geschichts- und Gedenkaktivitäten gerade jetzt im Raum Berlin. Es geht um das sogenannte Haus ohne Ort-Konzept. Man versuche, das Deutsch-Polnische Haus so schnell wie möglich zum Laufen zu bringen, aber man wolle nicht auf ein fertiges Gebäude warten, um zu handeln. Die Veranstaltungen zum 1. August und 1. September seien Beispiele dafür. Man plane auch weitere Veranstaltungen für den Herbst und Winter, betont Agnieszka Wierzcholska im Gespräch mit dem Portal.

 

Autor: Jakub Kukla