Rzeczpospolita: Bluttat vor der Wahl
Der Terroranschlag im Westen Deutschlands wird die Wahl in den östlichen Bundesländern beeinflussen, schreibt im heutigen Aufmacher der konservativ-liberalen Rzeczpospolita der Publizist Jerzy Haszczyński. Kurz nach dem Anschlag, so der Autor, hätten noch viele deutsche Medien von einer Attacke gesprochen. Abends sei stattdessen immer häufiger von einem Terroranschlag die Rede gewesen. Am Sonntagmorgen hätten dann selbst die liberalsten Medien gemeldet, dass ein mit blut beschmierter Syrer in den Zwanzigern festgenommen worden sei. Und dass er gestanden habe, während des Diversity-Festivals mit einem Messer getötet zu haben.
Kurz vor den Wahlen in den östlichen Bundesländern habe die extreme Rechte damit ein tragendes Thema erhalten. AfD-Politiker und ihre Anhänger würden bereits in den sozialen Medien unter dem Hashtag Solingen posten. Sie würden die Ereignisse in Westdeutschland in den letzten Tagen des Wahlkampfs in den östlichen Bundesländern Sachsen und Thüringen sicherlich nutzen wollen. Das Thema Zuwanderung, vor allem aus muslimischen Ländern, habe dort bereits zuvor große Emotionen geweckt. Und die letzten Umfragen, die kurz vor dem Anschlag durchgeführt worden seien, würden der AfD immer noch einen Sieg voraussagen - in Sachsen liege die Partei bei 32 Prozent (vor der CDU mit 30 Prozent), in Thüringen bei 30 Prozent. Die CDU könne in diesem Bundesland nur mit 21 Prozent der Stimmen rechnen, erinnert Haszczyński.
Rzeczpospolita: Es wird nicht dasselbe Deutschland sein
Die bevorstehenden Wahlen in den ostdeutschen Bundesländern werden in den deutschen Medien zunehmend als Untergangsszenario beschrieben, schreibt in seiner Analyse zum Thema in der Rzeczpospolita der Politologe und Philosoph Marek Cichocki. Jeder sehe die Katastrophe kommen und wisse, dass sie nicht mehr zu verhindern ist. Nach dem Attentat in Solingen könnte die Lawine nun noch schneller rollen. Natürlich, so der Autor, könne immer alles auf Merkel geschoben werden. Migration, Nord Stream, Russland, die Energiewende. Die Liste der Sünden, die Deutschland heute plagen und die Wähler zu den Radikalen von rechts und links treiben, sei lang. Aber die aktuelle Situation, die den Zusammenbruch des Machtmonopols der westdeutschen etablierten Parteien in mindestens zwei Bundesländern ankündige, habe eine viel ernstere Ursache: Die Wiedervereinigung Deutschlands.
Die rechte AfD und die linke Partei von Sahra Wagenknecht (BSW) seien typische Protestparteien, bei denen die Umstände und Motive, die zu ihrer Gründung geführt hätten, nicht ganz transparent seien. Es wäre jedoch ein Fehler, ihre Anführer als "Putins Marionetten" zu betrachten. Die enorme Unterstützung, die sie in der ehemaligen DDR erhalten hätten, und ihre wachsende Popularität in ganz Deutschland seien symptomatisch für eine echte Systemkrise in der deutschen Politik, meint Cichocki. Das wahrscheinliche Ende der Brandschutzmauer um die AfD und das BSW in Sachsen und Thüringen markiere das Ende des westlichen Konsens, der durch die deutsche Wiedervereinigung nach 1990 in der deutschen Politik erzwungen worden sei. Dieser Konsens sei bisher untrennbar von den Parteien der alten BRD gebildet worden: den Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen.
Das Monopol des westlichen Konsens habe dazu geführt, dass sich immer mehr Menschen in der ehemaligen DDR als Bürger zweiter Klasse gefühlt hätten. Diese Asymmetrie des Ansehens zwischen West- und Ostdeutschland, die sich trotz der Wiedervereinigung vertieft habe, habe schließlich in der aktuellen Unterstützung für die AfD und die BSW resultiert.
Die Wahrheit sei jedoch komplizierter. Ostdeutsche würden sich gerne als Opfer einer aufgezwungenen westlichen Transformation darstellen. In Wirklichkeit hätten viele von ihnen diese westliche Federführung bewusst akzeptiert, um unbequemen Problemen zu entgehen: der Verantwortung für Opportunismus und Unterstützung des Kommunismus in der ehemaligen DDR oder für ihre eigene Zukunft in einem wiedervereinigten Deutschland. So oder so werde das Ende der Brandschutzmauer den Beginn eines großen Wandels in der deutschen Politik markieren. Es werde ein anderes Deutschland sein, wenn auch nicht sofort, so Marek Cichocki in der Rzeczpospolita.
Dziennik/Gazeta Prawna: Polen auf eine weitere Pandemie nicht vorbereitet
Polen ist auf eine weitere Pandemie völlig unvorbereitet, warnt indes das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. Nach dem Machtwechsel, lesen wir, habe die Regierung kein strategisches Dokument vorgelegt, wie das Land auf die nächste Epidemie vorbereitet werden sollte. Und diese sei - wie Experten betonen - nur eine Frage der Zeit.
Abgesehen von den vom Obersten Rechnungshof (NIK) durchgeführten Inspektionen habe es keine kohärente Prüfung der Maßnahmen der Vorgängerregierung gegeben, wie dies beispielsweise im Vereinigten Königreich der Fall gewesen sei, das eine öffentliche Untersuchung zu diesem Thema eingeleitet habe. In Polen seien die Forderungen nach einer Stärkung und stärkeren Zentralisierung der Gesundheitsdienste nicht umgesetzt worden. Dem Gesundheitswesen fehle es an klaren Anweisungen für den Fall einer weiteren Epidemie. Und die Polen scheinen diese Trägheit zu erkennen: Eine Umfrage von United Surveys für Dziennik Gazeta Prawna und den Radiosender RMF FM zeigt, dass nur 28 Prozent der Befragten glauben, dass Polen auf die nächste Pandemie vorbereitet ist, lesen wir in Dziennik/Gazeta Prawna.
Autor: Adam de Nisau