Rzeczpospolita: Ja zum Plan von Tusk
Die Staats- und Regierungschefs der EU und die EU-Kommissionschefin stimmen dem Vorschlag von Donald Tusk zu, die Rechte von Migranten an der Grenze zu Belarus auszusetzen, schreibt in der heutigen Ausgabe die konservativ-liberale Rzeczpospolita.
Wie das Blatt erinnert, sei der Premierminister zum EU-Gipfel gereist, um Unterstützung für seine Idee zu gewinnen, die Migrantenflut an der Grenze zu Weißrussland durch eine Aussetzung der Annahme von Asylanträgen einzudämmen. Und er habe sein Ziel erreicht. Viele EU-Staats- und Regierungschefs hätten eingeräumt, dass das, was an der polnischen Grenze geschehe, nicht normal sei und nicht mit den üblichen rechtlichen Standards behandelt werden könne. Zudem habe der Premierminister sicherstellen wollen, dass Brüssel kein Verfahren wegen Verletzung des EU-Rechts gegen Polen einleiten wird. Auch dies sei ihm gelungen. "Wir können das Asylsystem vorübergehend und angemessen abschotten, um auf einen hybriden Angriff zu reagieren", soll EU-Kommissionchefin Ursula von der Leyen während einer nicht öffentlichen Diskussion über Migration beim EU-Gipfel in Brüssel gesagt haben.
Polen befinde sich in einer wachsenden Gruppe von Ländern, die eine Verschärfung der Migrationspolitik anstreben. Dazu würden sowohl Länder gehören, die von der extremen Rechten regiert werden, als auch solche mit christdemokratischen oder sogar sozialistischen Anführern. Sie wollen den Zustrom von Migranten stoppen, die Grenzen sichern und die Asylverfahren in Drittstaaten verlagern, lesen wir in der Rzeczpospolita.
Rzeczpospolita: Es gibt keine Migrationskrise
Nur, gibt es derzeit tatsächlich eine Migrationskrise, fragt der Publizist der Rzeczpospolita in seinem Meinungsartikel. Wie der Autor betont, sei die Zahl der Personen, die derzeit illegal die Grenzen der Europäischen Union überqueren, stark gesunken. Nach Angaben von Frontex sei die Zahl der illegalen Migranten in den ersten neun Monaten dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr um 42 Prozent zurückgegangen. Es seien lediglich 166.000 Personen gewesen – ein Tropfen auf den heißen Stein im Vergleich zur gesamten EU-Bevölkerung. Auch die Versuche, die polnisch-belarussische Grenze zu überwinden, seien deutlich zurückgegangen. Von einer Migrationskrise könne daher keine Rede sein.
Obwohl die EU-Grenzschutzagentur nur wenige Kilometer vom Sejm entfernt sei, seien die Daten von Frontex zu niemandem hier durchgedrungen. Im Gegenteil: Donald Tusk habe einen Plan zur teilweisen Aussetzung des Asylrechts vorgelegt. In einem Land, dessen Bevölkerung seit vielen Generationen ins Ausland ausgewandert und die Gastfreundschaft von Fremden genutzt habe, sei dies ein äußerst kontroverser Schritt. Aber der Premierminister werde von einer anderen Logik angetrieben: dem Wunsch, den Anstieg der Unterstützung für die PiS zu stoppen.
Geht es nach Bielecki, würde ganz Europa das Thema Migration politisch instrumentalisieren. Giorgia Meloni habe den ersten Schritt gemacht. Die Zahl der Länder, in denen die extreme Rechte direkt oder indirekt an der Macht beteiligt sei – wie Österreich, Schweden, Finnland und die Niederlande – nehme zu. Selbst die links-liberale Koalition in Deutschland habe die Kontrollen an den innereuropäischen Grenzen wieder eingeführt, um in den Umfragen nicht weiter abzufallen.
Diese Dynamik erfasse auch die europäischen Institutionen. Im Europäischen Parlament habe die konservative Europäische Volkspartei erstmals die Wahl, entweder wie bisher mit Sozialisten und Liberalen Mehrheiten zu bilden oder sich der extremen Rechten zuzuwenden – und entscheide sich immer öfter für Letzteres. Ähnlich in der Europäischen Kommission, in der mittlerweile viele Kommissare aus Parteien wie den Brüdern Italiens stammen.
Deshalb habe auch Ursula von der Leyen den Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Länder "innovative Lösungen" zur Begrenzung der Migration vorgeschlagen, wie etwa Auffanglager für Migranten außerhalb der EU (ein solches sei auf Initiative Italiens in Albanien eingerichtet worden), Systeme zur Rückführung festgehaltener illegaler Migranten in ihre Herkunftsländer oder Abkommen mit Transitländern der Migrationswellen.
In alledem, so Bielecki, könne die EU jedoch ihre Seele verlieren. Sie sei als Organisation gegründet worden, die die Menschenrechte verteidigt. Jetzt wolle sie Abkommen mit brutalen Diktaturen schließen, damit diese Menschen, die vor Armut oder den Folgen des Klimawandels fliehen, nicht durchlassen, oder sie dorthin zurückschicken. Abgesehen vom Machterhalt der aktuellen EU-Eliten gebe es dafür keine Gründe, so Jędrzej Bielecki in der Rzeczpospolita.
Dziennik Gazeta Prawna: Eine Schutzschild reicht nicht aus
In einem Meinungsartikel in der Dziennik Gazeta Prawna argumentiert Witold Sokała, dass der geplante "Schutzschild Ost" (Tarcza Wschód) zwar begrüßenswert ist, aber nicht ausreicht, um Polens Sicherheit zu gewährleisten. Ein möglicher Bodenangriff Russlands sei nicht die einzige und möglicherweise nicht einmal die gravierendste Bedrohung für das Land.
Sokała weist darauf hin, dass selbst wenn die Politiker ihr Wort halten und der Schutzschild bald errichtet wird, er in der geplanten Form nicht unbedingt Sicherheit garantiert. Er könnte höchstens die Richtung oder Art der Bedrohung verändern.
Als historisches Beispiel führt er die Maginot-Linie an, eine massive Befestigungsanlage, die Frankreich im 20. Jahrhundert errichtete. Trotz ihrer beeindruckenden Struktur habe sie, wie Sokała erinnert, Hitler nicht davon abgehalten, Frankreich anzugreifen. Stattdessen hätten die deutschen Generäle unkonventionelle Strategien entwickelt, indem sie über die Ardennen und Luxemburg vorgingen—Routen, die als schwierig galten und von den Franzosen weniger stark verteidigt wurden.
Die Geschichte, so der Autor, lehrt uns, dass es keine Befestigungen gibt, die nicht umgangen werden können. Selbst wenn die Russen nicht frontal durch Polens verstärkten Verteidigungsgürtel brechen könnten, könnten sie versuchen, über Litauen einzudringen oder den Schutzschild von Süden her über das Territorium der Ukraine zu umgehen. Die über 500 Kilometer lange Grenze zur Ukraine sei derzeit nicht in den Plan des Schutzschildes einbezogen. Sollte Russland in der Ukraine erfolgreich sein und das Land schwächen, könnte Moskau einen schnellen Truppentransfer durch die Ukraine nach Polen durchführen.
Zudem, lesen wir weiter, sei es auch möglich, dass Russland über die Slowakei operieren könnte, insbesondere wenn sich weitere politische Veränderungen ergeben—die Slowakei werde schließlich bereits von einem pro-russischen Politiker regiert und in Zukunft, wer weiß. Unter bestimmten Umständen könnte sie die Front ändern und, vielleicht gemeinsam mit Ungarn, als Ausgangsbasis für russische Militäraktionen dienen.
Schließlich, so Sokała, könne ein gut geplanter und gebauter Schutzschild-Ost das Leben russischer Panzer- und Infanterieeinheiten erschweren. Die Bedrohungen durch Luftwaffe und Langstreckenraketen würden jedoch weiterhin bestehen bleiben.
Fazit: Ein Schutzschild reiche nicht aus. Sich nur auf das Programm zu konzentrieren, das derzeit von Politikern und Generälen gefördert werde, würde der Marquis de Talleyrand als "mehr als ein Verbrechen - einen Fehler" bezeichnen. Und das gelte selbst dann, wenn das Programm einige Komponenten zum Schutz des Luftraums enthalte. Es sei notwendig, Programme wie "Wisła" zu beschleunigen und zu erweitern, um die Fähigkeit zur Abwehr von Luft- und Raketenangriffen zu verbessern, und zwar nicht nur im Grenzgebiet. Zusätzlich sollten weitere Schutzschilde geschaffen werden, einschließlich solcher gegen asymmetrische Angriffe auf kritische Infrastruktur und strategische Versorgungslinien—hier Grüße an die Marine. Hinzu kämen Verteidigungsmaßnahmen im Cyberraum und in der Informationssphäre, um die Widerstandsfähigkeit von Institutionen und Gesellschaft gegen feindliche politische Manipulationen zu stärken. In diesen Bereichen gebe es noch mehr zu tun, als bei der Befestigung von Podlachien.
Und dafür sind - neben einem Verständnis für die Bedürfnisse und einem guten Plan - auch viele Milliarden Zloty nötig. Und Zeit, von der wir immer weniger haben, so Witold Sokała in Dziennik/Gazeta Prawna.
Autor: Adam de Nisau