Deutsche Redaktion

„Beim Bären, tu so, als wärst du tot“

25.10.2024 12:30
Verstärkte russische Desinformationskampagnen, zielen auf die bevorstehenden Wahlen in Moldau und Georgien. 
Bild:
Bild:shutterstock/PhotoJuli86

Dziennik: „Beim Bären, tu so, als wärst du tot“

Analysten zufolge stellt die verstärkte Desinformationskampagne Russlands und seiner Verbündeten eine ernsthafte Bedrohung für die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen am 3. November und die Parlamentswahlen im nächsten Jahr in Moldau dar.

Wie das Online-Portal Dziennik schreibt, beschuldigt die moldauische Opposition die pro-westlichen Behörden, gegen den neutralen Status des Landes zu handeln und einen NATO-Beitritt anzustreben. Die russische Propaganda behauptet, die EU sei ein Mittler der NATO und die Stärkung der Armee stehe im Widerspruch zur Neutralität der Republik Moldau, so die Analysten.

Weiter heißt es, die Neutralität sei für viele Menschen eine illusorische Sicherheitsgarantie. Sie sei ein Mythos, der seit Jahren von Russland und seinen Verbündeten sorgfältig gepflegt werde. Vor den Wahlen in Moldau seien auf den Straßen Flugblätter aufgetaucht mit Aufschriften wie „Die EU ist Krieg“ oder „Moldauer werden in Konfliktgebieten unter der NATO-Flagge sterben“.

Die NATO sei der traditionelle Feind der prorussischen Propaganda, erklären Experten. Moldauische Umfragen zeigten daher stets eine große Kluft zwischen dem Wunsch nach einem EU-Beitritt und der Haltung gegenüber der NATO. Gerade aufgrund der geringen Unterstützung für die NATO habe die derzeitige Favoritin der Wahlen, Maia Sandu, wiederholt erklärt, dass ein NATO-Beitritt der Republik Moldau derzeit nicht auf der Tagesordnung stehe, da die Mehrheit der Bevölkerung dagegen sei. Das Argument der „Neutralität“ werde daher auch von offiziell pro-westlichen Kandidaten benutzt. Sie alle wüssten, dass dieses Thema für die Moldauer heikel sei und man politisch punkten könne, wenn man die Bevölkerung mit Krieg ängstigt, so die Analysten.

Am Schluss heißt es weiter, ein sehr tief verwurzelter Mythos in der moldauischen Gesellschaft sei, dass Russland angreifen werde, wenn man in irgendeiner Weise in die eigene Sicherheit investiere, wie etwa in die Armee. Dies erzwinge eine Taktik, die einige Analysten als „Beim Bären, tu so, als wärst du tot“ bezeichnen. Um Russland zufriedenzustellen und Angriffe zu vermeiden, müsse die Republik Moldau aufhören, an ihre eigenen Interessen und ihre Sicherheit zu denken. Sie dürfe sich nicht gegen die russische Politik und den Krieg Moskaus stellen, so Dziennik.

niezależna.pl: Russland könnte in Georgien eine radikale Wahlfälschung durchführen

Wie das oppositionsnahe Portal niezależna schreibt, finden am Samstag in Georgien Parlamentswahlen statt, die nach Ansicht von Kommentatoren entscheidend für die Zukunft des Landes sein könnten. Die zunehmend antiwestliche Partei Georgischer Traum, die um eine vierte Amtszeit kämpft, drohe, dass ein Sieg der Opposition das Land in den Krieg Russlands gegen die Ukraine hineinziehen könnte. Sie habe das Verbot der wichtigsten Oppositionspartei angekündigt. Die Opposition warnt hingegen, dass ein Sieg der Regierungspartei das Land unwiderruflich auf einen pro-russischen Kurs bringen und die georgischen Hoffnungen auf eine Integration in die EU und die NATO zunichtemachen würde.

Der investigative Journalist Christo Grosew habe dem litauischen Portal Delfi erklärt, dass Russland versuchen könnte, das belarussische Szenario in Georgien umzusetzen. Der Kreml könnte sich mit der Regierungspartei absprechen und deren unrealistisch hohen Wahlsieg verkünden. Seiner Meinung nach würde eine solche Wahlmanipulation zu Massenprotesten führen, die anschließend niedergeschlagen würden, wie es 2020 in Belarus der Fall war.

Sollten Russlands Pläne gelingen, so der Leiter der investigativen Abteilung des Portals The Insider, würde dies das Ende eines freien Georgiens bedeuten. Zur Abmilderung der Folgen könnte der Kreml eine friedliche Option vorschlagen, nämlich die Rückgabe der seit 2008 besetzten Gebiete Abchasien und Südossetien.

Dies sei auch ein zentraler Punkt im Programm der georgischen Regierungspartei. Geht es nach Grosew, wäre eine solche Wiedervereinigung jedoch ein trojanisches Pferd. Sie wäre mit einem Abkommen verbunden, das Georgien für immer Russland unterwerfen würde.

Im Interview mit Delfi habe Grosew auch Erkenntnisse investigativer Journalisten über die Korrespondenz zwischen Mitarbeitern des russischen Geheimdienstes geteilt. Demnach hätten die russischen Geheimdienste Anfang 2024 nicht an den Sieg des Georgischen Traums geglaubt und „radikale Maßnahmen“ vorgeschlagen, um ein „zweites Armenien“ zu verhindern, schreibt niezależna.

Rzeczpospolita: Donald Tusk führt EU-Migrationswende an

Polens Ministerpräsident Donald Tusk habe die Tür zur Aussetzung des Asylrechts in der EU aufgestoßen, schreibt Anna Słojewska in der Rzeczpospolita. Mit seiner Autorität habe er den Rechtsruck in der EU-Migrationspolitik gestärkt.

Von der Zeitung inoffiziell befragte Diplomaten hätten keinen Zweifel: Wäre jemand anderes als Donald Tusk mit dem Vorschlag zur Aussetzung des Asylrechts nach Brüssel gekommen, wäre die Debatte beim EU-Gipfel deutlich heftiger verlaufen und hätte zu Spaltungen führen können. Polens Premierminister sei jedoch als ehemaliger Präsident des Europäischen Rates weithin bekannt und genieße ein hohes Ansehen bei den Staats- und Regierungschefs der anderen EU-Länder. Sie vertrauen auf seinen politischen Instinkt, heißt es in dem Blatt.

Darüber hinaus habe Tusk seine migrationskritischen Vorschläge in ein pro-europäisches Narrativ eingebettet: Er habe sie nicht als Kontrapunkt zu anderen Meinungen präsentiert. Westeuropa habe er nicht für seine jahrzehntelange Nachlässigkeit in der Migrationsfrage verantwortlich gemacht und rassistische Klischees habe er nicht bedient. Tusk habe nicht einmal um Hilfe gebeten. Stattdessen habe er lediglich erklärt: Lasst mich die polnischen Grenzen schützen, die schließlich auch die Grenzen der EU sind. Wie Słojewska weiter schreibt, habe Tusk seine Position nicht plötzlich um 180 Grad gedreht. Schon als Präsident des Europäischen Rates während der großen Flüchtlingskrise 2015 habe er vor verbindlichen Migrantenquoten gewarnt. Ähnlich wie Viktor Orbán soll er vor allem auf eine stärkere Grenzsicherung gedrängt haben.

Weiter heißt es, dass diese Sichtweise inzwischen den Mainstream in der EU-Migrationsdebatte darstellt. Und obwohl es immer noch wichtige Politiker gibt, für die etwa die Einrichtung von Migrantenzentren außerhalb der EU inakzeptabel ist (wie etwa für den spanischen Premierminister Pedro Sánchez), hat sich der Mainstream bereits deutlich nach rechts verschoben. Dies sei zwar nicht allein das Verdienst des polnischen Regierungschefs, doch Tusk sei der Katalysator, der diese Debatte beschleunigt habe. Die Autorin erwartet nun engere Beziehungen zu Ländern, die nicht unbedingt demokratische Werte teilen oder die Menschenrechte achten (wie Ägypten oder Tunesien), um Migranten an ihren Küsten zurückzuhalten.


Autor: Piotr Siemiński