Rzeczpospolita: An diesem Tag sind die Holocaust-Opfer am wichtigsten
Am 27. Januar, dem Internationalen Holocaust-Gedenktag, sollten vor allem die Opfer im Vordergrund stehen. Doch Polens Präsident Andrzej Duda habe diesen Anlass genutzt, um eine politische Kontroverse zu entfachen und Polens Verpflichtungen in Bezug auf den internationalen Haftbefehl gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu in Frage zu stellen, schreibt Estera Flieger in der konservativ-liberalen Rzeczpospolita. Wie Flieger erinnert, habe der IStGH habe im November 2024 Haftbefehle gegen Netanjahu und den ehemaligen Verteidigungsminister Jo'aw Gallant wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Gaza-Operation nach dem Hamas-Angriff im Oktober 2023 erlassen.
Netanjahu werde vorgeworfen, Hunger als Waffe eingesetzt, zivile Ziele angegriffen und humanitäre Hilfe für Palästinenser blockiert zu haben. Im März 2023, so Flieger weiter, habe der Strafgerichtshof einen Haftbefehl gegen Wladimir Putin erlassen. Werde Duda ähnlich konsequent den Schutz Putins fordern, da russische Soldaten am Auschwitz-Befreiungstag beteiligt gewesen seien, fragt die Autorin rhetorisch.
Wie Flieger zudem, unter Berufung auf den Guardian, betont, habe Israel prozessführende Juristen bedroht und überwacht. Warum sollte Polen dies legitimieren? Und noch eines: 2020 habe Israel unter anderem Putin zum Welt-Holocaust-Forum in Jerusalem eingeladen und im Programm eine Rede des russischen Präsidenten vorgesehen. Polens Präsident habe indes nicht sprechen dürfen. Wieso erinnere sich Duda nicht daran, fragt Flieger in der Rzeczpospolita.
Rzeczpospolita: Der wichtigste Stand-up der Welt
Der Redaktionskollege von Flieger, Jerzy Haszczyński sieht die Schuld für das Durcheinander bei der amerikanischen „Doppelspitze“ der, wie er sie nennt, Stand-Up-Comedians Trump und Musk, die bereits vor Amtsantritt weitreichende internationale Verwerfungen provozieren. Sie, so Haszczyński, würden systematisch versuchen, die politische Landschaft verbündeter Staaten zu beeinflussen – von Großbritannien bis Deutschland, wo sie die rechtspopulistische AfD unterstützen. Die amerikanische Doppelspitze habe auch Polen beeinflusst, indem sie Druck ausgeübt habe, den wegen Kriegsverbrechen gesuchten israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu zu den Gedenkveranstaltungen in Auschwitz einzuladen.
Ohne Rücksicht darauf, dass ein Fall, bei dem eine, wenn auch kontroverse Entscheidung des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), ignoriert werde bedeute, dass die internationale Justiz aufhöre zu existieren. Kleine und mittlere Staaten könnten künftig nicht mehr auf die Abrechnung mit Verbrechern hoffen, die ihre Sicherheit bedrohen. Wladimir Putin werde für immer straflos bleiben. Es bleibe zu hoffen, dass Worte letztendlich mit dem ernsten Spiel der Interessen verlieren. Auch Milliardäre würden solche haben und ab und zu westliche Verbündete brauchen, schließt Haszczyński.
Do Rzeczy: Polen hat sich lächerlich gemacht
Der polnische Umgang mit dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu habe das Land „lächerlich gemacht“, sagt auch der Chefredakteur der nationalkonservativen Wochenzeitschrift Do Rzeczy, Paweł Lisicki. Lisicki kritisierte, dass sowohl Duda als auch Tusk offenbar um internationale Anerkennung, insbesondere von den USA, wetteiferten.
„Polen fordert ansonsten die strikte Einhaltung der Entscheidungen des IStGH, macht aber bei Netanjahu eine Ausnahme, weil er eine ‚heilige Kuh‘ ist“, so der Publizist. Man könne sagen, dass Präsident Duda in diesem „Wettstreit“ mit Tusk gewissermaßen gewonnen habe, doch das Ergebnis sei beschämend für Polen, so Paweł Lisicki in seiner Stellungnahme für Do Rzeczy.
Rzeczpospolita: Ping-Pong zur Finanzierung der PiS
Indes sorgt das politische Tauziehen um die Wahlkampffinanzierung der PiS in Polen für zunehmendes Chaos, berichtet die Rzeczpospolita in ihrem Aufmacher. Wie das Blatt erinnert, habe Finanzminister Andrzej Domański die Staatliche Wahlkommission (PKW) um eine rechtliche Auslegung ihrer Entscheidung gebeten, die den Bericht zur Wahlkampffinanzierung der PiS letztlich akzeptiert hatte.
Daraufhin habe der PKW-Vorsitzende Sylwester Marciniak prompt eine rechtliche Grundlage für diesen Antrag gefordert. Laut dem Rechtsexperten Prof. Krzysztof Urbaniak sei die PKW zwar nicht verpflichtet, Beschlüsse zu erklären, könne aber im Sinne der Zusammenarbeit zwischen staatlichen Institutionen tätig werden. Premierminister Donald Tusk habe indes seinerseits klargestellt, dass eine Entscheidung, zu der es rechtliche Zweifel gebe, keine Grundlage für die Auszahlung öffentlicher Gelder sein können. Das Chaos vertiefe sich und die Wahlen rücken immer näher, so Rzeczpospolita.
Gazeta Wyborcza: Nawrocki verschließt der Ukraine die Tür zu NATO
Der von der PiS unterstützte Präsidentschaftskandidat, Karol Nawrocki, habe mit seinen jüngsten Aussagen die Tür Europas vor der Ukraine verschlossen und damit ein "wunderbares Geschenk" für die russische Propaganda geliefert, schreibt Bartosz T. Wieliński in der linksliberalen Gazeta Wyborcza. In einem Interview mit Polsat News hatte Nawrocki erklärt, dass er sich die Ukraine weder in der EU noch in der NATO vorstellen könne, solange "wichtige zivilisatorische Fragen" für Polen ungeklärt blieben – darunter die Aufarbeitung der Massaker an Polen in Wolhynien 1943–1944.
Wejście Ukrainy do NATO i Unii Europejskiej jest częścią polskiej racji stanu. Karol Nawrocki kandydat PiS na prezydenta właśnie ją podważył - pisze @bart-wielinski.bsky.social #Nawrocki #Wyborcza #Wybory #PiS wyborcza.pl/7,75399,3160...
[image or embed]
— Gazeta Wyborcza (@wyborcza.pl) January 9, 2025 at 3:22 PM
Wie Wieliński betont, würden diese Äußerungen auf einen kritischen Moment des Krieges fallen. Russland setze alles daran, ukrainisches Territorium zu erobern, während die Unterstützung der USA unter dem künftigen Präsidenten Donald Trump offenbleibe. In dieser Situation sei Polens unerschütterliche Unterstützung, die seit den ersten Kriegsminuten an der Seite der Ukrainer stehe, von zentraler Bedeutung. Nawrockis Worte würden genau diese Solidarität untergraben.
Wieliński erinnert daran, dass bereits andere polnische Politiker die "antiukrainische Karte" gespielt hätten, darunter die PiS und der PSL-Vorsitzende Władysław Kosiniak-Kamysz, der den EU-Beitritt von der Lösung der Wolhynien-Frage der Ukraine abhängig machen wollte und dafür heftige Kritik einstecken musste. Präsident Andrzej Duda habe damals erklärt, dass “wer den Beitritt der Ukraine in die EU blockiert, die Politik Putins realisiert”. Werde Duda heute dasselbe über Nawrocki sagen, fragt Wieliński.
Nawrockis Forderung, der Ukraine den NATO-Beitritt zu verwehren, sei ein Angriff auf polnische Interessen. "Die Ukraine hat einen Platz in der EU und der NATO", betont er. Über die tragische gemeinsame Geschichte werden wir diskutieren, sobald die Ukraine Russland besiegt habe, so Bartosz Wieliński in der Gazeta Wyborcza.
Autor: Adam de Nisau