Rzeczpospolita: Das wichtigste Ziel Trumps ist eine Veränderung der Beziehungen mit den Alliierten
Donald Trumps wichtigste strategische Zielsetzung ist die Neugestaltung der transatlantischen Beziehungen, nicht jedoch ein "strategischer Rückzug" aus Europa, urteilt Marek Budzisz vom Think Tank Strategy & Future in einer Analyse für die konservativ-liberale Rzeczpospolita. Die Beendigung des Krieges in der Ukraine, so Budzisz, sei nur ein Nebenziel, während die Gespräche mit Russland in erster Linie als Druckmittel zur Mobilisierung der Verbündeten dienten.
Wie Budzisz betont, zeichne sich Trumps Politik durch eine transaktionale Herangehensweise aus. Sein Vorgehen beruhe darauf, europäische Staaten durch die Androhung einer Vernachlässigung europäischer Interessen in Verhandlungen mit Moskau zu eigenen sicherheitspolitischen Anstrengungen zu bewegen. Dabei liege der Fokus nicht mehr auf kollektiven Strukturen wie der NATO oder der EU, sondern auf bilateralen Beziehungen zwischen Washington und einzelnen Staaten. Dies erkläre auch die abnehmende Bedeutung Deutschlands als zentralem US-Partner in Europa. Während Paris und London auf eine neue Rolle als primäre Ansprechpartner der USA hinarbeiteten, befinde sich Berlin aufgrund seiner wirtschaftlichen Schwäche und militärischen Defizite in einer strategischen Defensive.
Die Verhandlungen zwischen den USA und Russland seien primär ein Instrument zur Umstrukturierung der Beziehungen in der Allianz und nicht vorrangig auf einen Frieden in der Ukraine ausgerichtet, so Budzisz weiter. Sollte es Trump gelingen, Europa sicherheitspolitisch neu zu ordnen, könne dies zu einer langfristigen strategischen Verschiebung führen. Allerdings berge diese Politik auch Risiken, insbesondere wenn sie zu protektionistischen Maßnahmen wie umfassenden Zollerhöhungen führe oder wenn Moskau die europäische Unsicherheit für eigene Interessen zu nutzen wisse.
Sowohl Washington als auch Moskau, so der Autor, seien in erster Linie an einer Neuverteilung der geopolitischen Gewichte in Europa interessiert. Das Fortbestehen der transatlantischen Beziehungen stehe zur Debatte, allerdings unter neuen Bedingungen. Die zentrale Frage sei, ob Europa sich auf das von den USA vorgegebene Modell einlasse oder ob es langfristig zu einer strategischen Trennung zwischen den USA und ihren europäischen Verbündeten komme. “Beide Seiten dieser Verhandlungen - sowohl Washington als auch Moskau - haben aus unterschiedlichen Gründen ein großes Interesse daran, dass diese geführt werden, aber nicht unbedingt zu einem baldigen Abschluss kommen”, resümiert Budzisz in der Rzeczpospolita.
Dziennik/Gazeta Prawna: Europäischer Verteidigungsplan im Schatten von Trump
Angesichts der protektionistischen US-Politik und der verminderten Militärunterstützung unter Trump bereite die Europäische Union ein massives Rüstungspaket im Wert von 800 Milliarden Euro vor. Trotz dieser ambitionierten Pläne bestehen jedoch erhebliche Zweifel an der Einigkeit innerhalb der EU sowohl hinsichtlich des Vorhabens selbst als auch der weiteren Unterstützung der Ukraine, berichtet das Wirtschaftsblatt Dziennik Gazeta Prawna.
Brüssel, so das Blatt, wolle mit diesem Vorstoß das Tempo mitgehen, das Trump vorgebe, und die europäische Verteidigungsindustrie massiv stärken. Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen habe in einem Schreiben an die Staats- und Regierungschefs erklärt, dass Europa mit einer beispiellosen Bedrohung konfrontiert sei. Das geplante Verteidigungspaket bestehe aus mehreren Komponenten: Ein Kreditprogramm über 150 Milliarden Euro soll Investitionen der Mitgliedstaaten in Luftverteidigung, Munition, Drohnen und Artilleriesysteme finanzieren. Die Mittel sollten über Kapitalmärkte aufgenommen und durch den EU-Haushalt abgesichert werden. Zudem stehe eine Umleitung von 93 Milliarden Euro aus ungenutzten Mitteln des Corona-Wiederaufbaufonds im Raum, wobei unklar sei, ob diese Summe in den 150 Milliarden Euro enthalten oder zusätzlich sei.
Darüber hinaus plane die EU-Kommission, den Mitgliedstaaten mehr Spielraum bei der Einhaltung der Defizitregeln zu gewähren. Verteidigungsausgaben sollten künftig nicht in das Verfahren zum übermäßigen Defizit einfließen, was den Staaten ermöglichen würde, ihre Verteidigungsbudgets innerhalb von vier Jahren um insgesamt bis zu 650 Milliarden Euro zu erhöhen. Dieser Betrag, zusammen mit dem Kreditpaket, ergebe die anvisierten 800 Milliarden Euro. Überlegungen, Gelder aus dem Kohäsionsfonds für Verteidigungszwecke umzuwidmen, so das Blatt, seien auf Widerstand gestoßen.
Ein weiterer kontroverser Punkt sei die Rolle der Europäischen Investitionsbank (EIB), die bisher keine Rüstungsprojekte finanzieren dürfe. Die EU-Kommission wolle dies ändern. Auch die EIB-Spitze habe bereits Bereitschaft signalisiert. Präsidentin Nadia Calviño habe in einem Brief an die Staats- und Regierungschefs betont, dass die Bank über Vermögenswerte in Höhe von 600 Milliarden Euro verfüge, bislang jedoch nur begrenzt in militärische Infrastruktur investiert habe, beispielsweise in ein Militärlager für die Bundeswehr in Litauen.
Nicht entschieden sei schließlich, ob die EU auf die eingefrorenen russischen Vermögenswerte in Höhe von 200 Milliarden Euro zugreifen solle. Bislang seien nur die daraus erzielten Zinsen für die Ukraine-Hilfe verwendet worden. Während baltische Staaten, Polen und zuletzt auch Frankreich eine vollständige Enteignung gefordert hätten, würden andere Länder zögern. Der aktuelle EU-Gipfel werde voraussichtlich eine Hilfszusage von 30,6 Milliarden Euro für die Ukraine enthalten, davon 12,5 Milliarden als nicht rückzahlbare Zuschüsse, während weitere 18 Milliarden Euro als Kredite der G7 bereitgestellt werden sollten. Zusätzliche Mittel könnten aus dem von von der Leyen vorgestellten Plan "ReArm Europe" stammen.
Unabhängig davon, ob die EU einen neuen Fonds für die Ukraine nur für willige Staaten einrichte oder weiterhin den Europäischen Friedensfonds sowie andere Finanzierungsmechanismen nutze, so die Zeitung, werde dies jedoch die Zustimmung aller 27 Mitgliedstaaten erfordern. Auch der Plan zur Finanzierung der europäischen Rüstungsindustrie sowie mögliche neue Ukraine-Hilfen oder die Nutzung von EIB-Krediten müssten von Budapest und Bratislava gebilligt werden. Ungarn und die Slowakei würden jedoch auf der Seite von Donald Trump stehen, Europa kritisieren und Hilfspakete für Kiew blockieren. Ob die gestrigen Gespräche zwischen Emmanuel Macron und Viktor Orbán zu einer Annäherung geführt haben, werde sich im Laufe des heutigen Abends zeigen, so Dziennik Gazeta Prawna.
Do Rzeczy: Trumps Blockade umgangen. So erhält Kiew nachrichtendienstliche Informationen
Nach der Entscheidung der USA, die Bereitstellung von Geheimdienstinformationen für die Ukraine einzustellen, hat Frankreich diese Lücke gefüllt. Wie der französische Verteidigungsminister Sébastien Lecornu erklärte, unterstütze Paris Kiew nun mit eigenen nachrichtendienstlichen Erkenntnissen, berichtet das nationalkonservative Wochenblatt "Do Rzeczy" unter Berufung auf Reuters.
Wie das Blatt erinnert, hatten die Vereinigten Staaten die Geheimdienstkooperation mit der Ukraine ausgesetzt, um den Druck auf Präsident Wolodymyr Selenskyj zu erhöhen und ihn zu Verhandlungen mit Russland zu bewegen. Lecornu betonte in einem Interview mit dem Sender France Inter, dass Frankreich über eigene Kapazitäten verfüge, die es zur Unterstützung der Ukraine einsetze. Die Rolle anderer europäischer Länder sei in dieser Hinsicht komplexer, insbesondere im Fall Großbritanniens, das Teil des geheimdienstlichen "Five Eyes"-Bündnisses mit den USA sei.
Zusätzlich habe Präsident Emmanuel Macron angekündigt, dass Frankreich bereit sei, eine Diskussion über die Ausweitung seines nuklearen Schutzschirms auf andere europäische Staaten zu führen.Polens stellvertretender Verteidigungsminister Cezary Tomczyk habe Macrons Vorschlag im Sender TVN24 kommentiert und darauf verwiesen, dass Polen bereits durch den nuklearen Schutz der NATO gesichert sei. "Alle Mitgliedsstaaten tragen zu den Fähigkeiten der Allianz bei", so Tomczyk.
Frankreich bleibt das einzige EU-Land mit eigenen Nuklearwaffen, während Großbritannien über ein unabhängiges Arsenal verfügt. Zudem sind in mehreren europäischen Staaten, darunter Deutschland, Italien und die Türkei, US-Atomwaffen im Rahmen des NATO-Programms "Nuclear Sharing" stationiert, so Do Rzeczy.
Autor: Adam de Nisau