Deutsche Redaktion

Klitschko : „Russland braucht eine Ukraine ohne Ukrainer"

13.12.2022 09:43
Russische Angriffe auf die ukrainische Energieinfrastruktur würden zeigen, dass es Moskaus Ziel sei, so viele Ukrainer wie möglich zu töten, sagte Witali Klitschko in einem Interview mit dem litauischen Radiosender LRT RADIO. 
Vitali Klitschko
Vitali KlitschkoCTK Photo/Pavel Nemecek via PAP

Wie Klitschko gestand, sei die Ukraine auf den Krieg nicht vorbereitet gewesen. „Ehrlich gesagt haben wir nie damit gerechnet, dass es in der heutigen Zeit, mitten in Europa, möglich sein würde, einen der größten Kriege nach dem Zweiten Weltkrieg zu führen. Wir haben nicht erwartet, dass die Russen unsere kritische Infrastruktur zerstören würden. Der Krieg hat Regeln, aber alles, was die Russen tun, verstößt gegen diese Regeln", erklärte der Bürgermeister.

Der Krieg sollte nicht gegen Kinder, Frauen und Zivilisten gerichtet sein, fuhr er fort. „ (...) sie wollen uns einfrieren, sie wollen jeden Ukrainer töten oder die Menschen zwingen, das Land zu verlassen und es für die Russen frei zu machen. Die Russen brauchen die Ukraine ohne Ukrainer. Das ist kein Krieg. Es ist ein Völkermord an der ukrainischen Bevölkerung. Es ist Terrorismus", so Klitschko.

Allein in Kiew hätten russische Raketen und Artillerie 670 Gebäude zerstört, darunter 350 Wohnhäuser. Dabei seien 152 Menschen, darunter vier Kinder, getötet worden, informierte der Beamte. Die Energie-, Wasser- und Heizversorgung in der von 3,5 Millionen Menschen bewohnten Hauptstadt sei derzeit dank der Bemühungen ukrainischer Streitkräfte stabil. Im Falle eines Stromausfalls aufgrund des russischen Beschusses könnte die Situation allerdings kritisch werden, teilte Klitschko mit. Die Temperaturen würden derzeit bei fast -10 °C liegen. In Kiew seien schon jetzt alle Einwohner von den regelmäßigen Stromausfällen in der Stadt betroffen. Die Menschen hätten nur für ein paar Stunden während des Tages Strom.

Auf die Frage, ob eine Evakuierung aus der Stadt eine Option sei, sagte Witali Klitschko, man müsste die Menschen aus der Stadt in einige Dörfer umsiedeln, wo sie Heizung und Wasser hätten. „Wir bitten die Menschen, ihre Häuser mit Menschen zu teilen, die Hilfe brauchen", sagte er. Die Ukraine habe außerdem 500 so genannte „Unbesiegbarkeitszentren" in Kiew für seine Einwohner eingerichtet. „Aber um ehrlich zu sein, ist das nicht genug, 5.000 werden nicht genug sein, und 50.000 werden nicht genug sein, weil in Kiew 3,5 Millionen Menschen leben. Deshalb ist die Luftverteidigung für unsere Heimatstadt sehr wichtig. Es ist eine Frage des Überlebens. (...) Jeder einzelne unserer Bürger braucht einen Plan. Deshalb bitten wir die Menschen, Wasser, Lebensmittel und warme Kleidung in Reserve zu haben. Wir leben in einer Kriegssituation, und jeder ist für sein Leben und das Leben seiner Familie verantwortlich."

Derzeit gebe es auch 300.000 Binnenflüchtlinge in Kiew. „Jeder braucht einen Arbeitsplatz und soziale Unterstützung. Es ist sehr wichtig, zusammenzuhalten und diese Menschen, die ihre Heimat verloren haben, zu verteidigen. Die meisten Flüchtlinge kamen aus Mariupol, aus ost- oder südukrainischen Städten, die völlig zerstört wurden, nach Kiew", fügte der Bürgermeister der Hauptstadt hinzu.

Am Ende des Interviews hat Witali Klitschko allen Freunden der Ukraine für ihre Unterstützung gedankt. „Die Einigkeit um die Ukraine ist der Schlüssel zu Freiheit und Frieden in Europa. Wir sind dankbar für die humanitäre, politische und wirtschaftliche Hilfe. Wir sind dankbar für die Waffen, mit denen wir unsere Häuser verteidigen. Ohne Ihre Hilfe würden wir nicht überleben, und deshalb werden wir die Hilfe unserer Freunde nie vergessen", so der Politiker.

Ihm zufolge würden manche Menschen den Krieg als weit weg von sich sehen. „Das ist der größte Irrtum, denn der Krieg berührt alle. Deshalb müssen wir alles tun, was wir können, um den Frieden nach Europa zurückzubringen. Die Ukraine ist das größte Land in Europa, und Stabilität in der Ukraine kann der ganzen Region Stabilität bringen", erklärte Klitschko im Gespräch mit LRT RADIO. 


lrt.il/ps