Das führende Thema in den heutigen Pressekommentaren ist der am Freitag ausgebrochene Krieg um die Staatsanwaltschaft. Justizminister und Generalstaatsanwalt Adam Bodnar hatte den durch die PiS kurz vor den verlorenen Wahlen ernannten und mit neuen Kompetenzen ausgestatteten Landesstaatsanwalt und Vertrauten des ehemaligen Justizministers Zbigniew Ziobro, Dariusz Barski informiert, dass seine Ernennung auf Vorschriften basierte, die nicht mehr in Kraft gewesen sind und daher nicht rechtskräftig war. An seine Stelle hat Bodnar Jacek Bilewicz zum geschäftsführenden Landesstaatsanwalt nominiert und in zwei Monaten die Wahl eines neuen Landesstaatsanwalts in einem Wettbewerbsverfahren angekündigt. Staatspräsident Andrzej Duda, der wiederum von der PiS-Regierung vor den Parlamentswahlen die Kompetenz erhalten hatte, Wechsel auf dem Posten des Landesstaatsanwalts abzusegnen, hat beide Schritte daraufhin als rechtswidrig bezeichnet. Und das Verfassungsgericht hat, nach einem Antrag des Staatspräsidenten zur Lösung des Kompetenzstreits, angeordnet, bis zum Ende des Verfahrens auf Änderungen in der Landesstaatsanwaltschaft zu verzichten.
Gazeta Polska Codziennie: Pfad der Rechtslosigkeit verlassen
Die nationalkonservative Gazeta Polska Codziennie hat erwartungsgemäß keine Zweifel, wer in dem Streit das Recht auf seiner Seite hat. Wie das Blatt in seinem Aufmacher berichtet, habe Staatspräsident Andrzej Duda den Justizminister dazu aufgerufen, sich vom Pfad der Rechtlosigkeit zurückzuziehen. Duda, lesen wir weiter, habe keine Zweifel daran gelassen, wer der Chef der Landesstaatsanwaltschaft sei. “Herr Dariusz Barski”, habe Duda bestätigt. Und das Verfassungsgericht, so das Blatt, habe den Anschlag auf die Staatsanwaltschaft blockiert. Zudem setzt die Zeitung auf ihrer Titelseite auch die Kampagne für die inhaftierten PiS-Politiker Kamiński und Wąsik fort, die wie die Zeitung betont “politische Gefangene” seien, nicht “Politiker in Gefangenschaft” wie es die Regierungskoalition darstelle.
Rzeczpospolita: Staatsanwaltschaft droht Chaos
Die konservativ-liberale Rzeczpospolita äußert in der aktuellen Ausgabe die Sorge, dass die Staatsanwaltschaft infolge des Streits im Chaos versinken könnte. Einige Staatsanwälte, so die Zeitung, würden bereits inoffiziell zugeben, dass sie Zweifel an der Rechtmäßigkeit von Anweisungen haben, die sie von ihren Vorgesetzten erhalten. Sie würden sogar erwägen, die Befolgung der Anweisung bis zur Klärung des Kompetenzstreits zu verweigern. Ernsthafte Konsequenzen würden auch in den Gerichten drohen. Einige Verteidiger würden bereits ankündigen, die Einstellung von Strafverfahren gegen ihre Mandanten zu fordern und den Status von Staatsanwälten oder die Legalität einiger ihrer Entscheidungen anzufechten. Indes sei der Landesstaatsanwalt, wie die Zeitung betont, für die wichtigsten Verfahren verantwortlich, bei denen es um die schwerwiegendsten Verbrechen gehe. Auch Beförderungen von Staatsanwälten könnten hinterfragt werden, was zu einer Lähmung der Staatsanwaltschaft führen könnte, so Rzeczpospolita.
Auf der Titelseite veröffentlicht das Blatt auch Zitate aus Interviews mit dem durch die neue Regierung und dem durch die PiS nominierten Landesstaatsanwalt. Beide Herren halten daran fest, dass sie derzeit an der Spitze der Landesstaatsanwaltschaft stehen. “Ich bin geschäftsführender Landesstaatsanwalt und arbeite normal”, sagt Jacek Bilewicz. Er sei sich sicher, dass seine Nominierung niemand anfechten werde. Der Kampf gegen das organisierte Verbrechen sei eine Priorität und alles laufe nach Plan.
“Ich bin Landesstaatsanwalt. Niemand hat mich rechtskräftig abberufen”, entgegnet Dariusz Barski und argumentiert unter anderem, dass der durch den Justizminister unternommene Schritt in sich widersprüchlich sei. Noch am Morgen des 12. Januar, so Barski, habe ihn Bodnar um die Beförderung von Bilewicz zum Staatsanwalt der Landesstaatsanwaltschaft gebeten, was er auch getan habe. Zu diesem Zeitpunkt habe der Justizminister seinen Status als Landesstaatsanwalt also offensichtlich akzeptiert. Und dann am Nachmittag habe er ihm ein Schreiben übermittelt, in dem er festgestellt habe, dass Barski nie aus dem Ruhestand zurückgekehrt und nie wirklich Landesstaatsanwalt gewesen sei. Es sei ein Versuch, die rechtmäßige Prozedur der Abberufung des Landesstaatsanwalts zu umgehen, bei der auch der Staatspräsident einer solchen Entscheidung zustimmen müsse.
Wenn der Kompetenzstreit länger anhält, werden nur Verbrecher und ihre Verteidiger davon profitieren, warnt in seinem Kommentar zum Thema der Publizist des Blatts, Tomasz Pietryga. Denn Anwälte, die diejenigen verteidigen, die in den schwerwiegendsten Fällen angeklagt seien, in denen es nicht selten um Millionen von Złoty gehe, werden sicherlich keine Skrupel haben, das Chaos in der Staatsanwaltschaft für sich zu nutzen, so Pietryga.
Dziennik/Gazeta Prawna: Justizministerium hofft auf schnelle Dämpfung der Rebellion
Geht es nach dem Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna, sei das Justizministerium der Meinung, dass die Rebellion der Staatsanwälte, die sich den Entscheidungen des Justizministers widersetzen, schnell unter Kontrolle gebracht werden könne. “Es handelt sich um höchstens 30 Personen, die in den letzten Jahren von einem Tag auf den anderen durch Justizminister Ziobro befördert worden sind. Der Großteil der Staatsanwälte ist nicht ihrer Meinung”, sagt im Gespräch mit dem Blatt ein Gesprächspartner aus der Regierung. Das Justizministerium versuche zudem, die Staatsanwälte unter anderem durch Ankündigungen von Gehaltserhöhungen für sich zu gewinnen.
Dziennik/Gazeta Prawna veröffentlicht in der aktuellen Ausgabe zwei entgegengesetzte Meinungen von Verfassungsexperten. Geht es Professor Marek Chmaj von der Universität SWPS, sei die Entscheidung des Justizministers keine unberechtigte Umgehung der Gesetze gewesen. Diese würden nur die Abberufung des Landesstaatsanwalts regulieren. Hier handle es sich aber um eine ineffektive Rückkehr aus dem Ruhestand, die der Justizminister dazu genutzt habe, um sich bei Barski zu bedanken.
Geht es indes nach Professor Ryszard Piotrowski von der Warschauer Universität, seien die juristischen Analysen, die der Justizminister gezeigt habe, natürlich interessant und wertvoll. Dennoch müsse man, um das Amt des Landesstaatsanwalts zu leeren, in Übereinstimmung mit dem Gesetz handeln, laut dem am Ende eine Zustimmung vom Staatspräsidenten notwendig sei. Die Variante, bei der der Generalstaatsanwalt in sich eine durch das Gesetz nicht vorgesehene Macht finde, die Entscheidungen seines Vorgängers für ungültig zu erklären, sei doch schon 2015 in Bezug auf die ins Verfassungsgericht gewählten Richter angewendet worden. Die neue parlamentarische Mehrheit habe damals festgestellt, dass sich ihre Vorgänger bei dieser Wahl geirrt hätten und so habe die ganze Verfassungskrise erst angefangen, deren weitere Etappe wir heute beobachten. Unabhängig von den Ursachen, handle es sich um einen Versuch, die Vorschriften zu umgehen. Ebenso verhalte es sich mit der Ernennung des geschäftsführenden Landesstaatsanwalts, eines Organs also, das nicht vom Gesetz vorgesehen sei. In einem Rechtsstaat sollten die Behörden davon ausgehen, dass das, was nicht erlaubt sei, verboten sei, so Professor Ryszard Piotrowski in Dziennik/Gazeta Prawna.
Gazeta Wyborcza: Keinen Schritt zurück im Streit um den Landesstaatsanwalt
Die linksliberale Gazeta Wyborcza befragt in der heutigen Ausgabe in Bezug auf den Streit indes den Professor für Recht und Strategie an der Central European University in Wien, Maciej Kisilowski. Geht es nach Kisilowski, habe Staatspräsident Andrzej Duda in der Angelegenheit nichts zu sagen, da Dariusz Barski seine Funktion nie legal ausgeübt habe. Dafür sei die skandalöse Novelle des Gesetzes über die Staatsanwaltschaft, die in den letzten Wochen der PiS-Regierung verabschiedet worden sei, eklatant verfassungswidrig. Jeder, so Kisilowski, werde feststellen, dass etwas nicht stimme, wenn Adam Bodnar seine Stellvertreter nicht wählen könne. Wenn sein sogenannter „Stellvertreter“, und tatsächlich ein Spitzel von Ex-Justizminister Ziobro, seinen Chef aufnehme, ihn bedrohe, ihm nicht erlaube, sein eigenes Büro zu betreten. Eine solche Situation könne kein Vorgesetzter akzeptieren: weder in der Staatsanwaltschaft, noch in einem privaten Konzern oder in einem lokalen Geschäft.
Das Recht des Präsidenten, die Besetzung der Stellvertreter des Justizministers und Generalstaatsanwalts zu beeinflussen, fährt Kisilowski fort, sei der polnischen Verfassung fremd. Es sei eine Erfindung der kranken PiS-Phantasie. Die empörenden Regelungen, die die Staatsanwaltschaft zementieren, würden sich nur aufgrund des Fehlens eines legalen Verfassungsgerichts weiterhin im rechtlichen Umlauf befinden. In dieser außergewöhnlichen Situation müsse Minister Bodnar seiner Eidespflicht treu bleiben, die Verfassung zu respektieren, und sollte Ziobros Spitzel, unter Umgehung der verfassungswidrigen Bestimmungen über die Zustimmung des Präsidenten, entlassen. Genau wie Minister Sienkiewicz zurecht die Anwendung der Bestimmungen über den Rat der Nationalen Medien verweigert habe.
Gefragt nach der Stellungnahme des Staatspräsidenten, der der Regierung eklatanten Rechtsbruch vorwerfe, entgegnet Kisilowski, dass der Präsident das Verfassungsgericht jederzeit heilen könnte, indem er drei rechtmäßig gewählte Richter vereidige und gesetzliche Änderungen absegne, um die Richter des Verfassungsgerichts, die sich der Würde ihres Amtes entfremdet hätten, disziplinarisch und strafrechtlich zu verurteilen. Wenn ein legales, unabhängiges Verfassungsgericht zurückkehre, werde niemand zulassen, dass Minister die Verfassungsmäßigkeit sogar skandalöser Vorschriften auf eigene Faust interpretieren. Die heutige Situation sei außergewöhnlich und sei durch die autoritäre Zerstörung des Staates durch die PiS und Staatspräsident Andrzej Duda verursacht worden. Ihm werde schlecht, wenn der Präsident sich wegen des nationalen Dramas entrüste, das er selbst verursacht habe, so Prof. Maciej Kisilowski im Gespräch mit Gazeta Wyborcza.
Autor: Adam de Nisau