Rzeczpospolita: Brandstiftung und Diversion. Ist Russland schon für einen heißen Krieg mit Europa bereit?
Ist Russland schon für einen heißen Krieg mit Europa bereit? Diese Frage stellt, vor dem Hintergrund der neuesten Sabotageakte in Polen und anderen europäischen Staaten, die konservativ-liberale Rzeczpospolita. Die jüngsten Brandanschläge auf zivile Einrichtungen in Polen könne man als Vorspiel betrachten, urteilt in seiner Analyse der Publizist Marek Kozubal. Der künstlich provozierte Angriff an der polnischen Grenze durch weißrussische Dienste mit Hilfe von Migranten, die Störung von GPS-Signalen über der Ostsee, Cyberangriffe auf öffentliche Einrichtungen, Desinformation, Brandstiftung - all das seien bereits Elemente eines vom Kreml ausgearbeiteten Plans. Ziel sei es, die Lage in Polen und anderen EU-Ländern zu destabilisieren. Experten würden all dies heute als hybride Kriegsführung bezeichnen. Eines ihrer Elemente sei die so genannte kognitive Kriegsführung, d. h. der Kampf um die Wahrnehmung einer Gesellschaft. Und um den Aufbau eines Gefühls der Bedrohung und vor allem des Widerwillens, die gegen die russische Invasion kämpfende Ukraine zu unterstützen.
Wenn man sich die in den letzten Monaten festgenommenen und im Auftrag russischer Dienste operierenden Personen näher ansehe, fährt Kozubal fort, falle ihre Amateurhaftigkeit auf. Es seien meist für 10-15.000 € aus der Ferne angeheuerte Kriminelle. Die nächste Eskalationsstufe könnten nun Sabotageakte gegen kritische Infrastruktureinrichtungen wie Stromnetze, Treibstoffdepots, Waffenfabriken und Munitionsdepots sein. Die europäische Telekommunikationsinfrastruktur sei bereits Ziel eines solchen Angriffs gewesen. Im Visier seien Glasfaserkabel gewesen.
Wie Kozubal erinnert, habe es vor Beginn des Krieges in der Ukraine auch mindestens sechs große Explosionen in ukrainischen Waffendepots gegeben. Mehr als 210.000 Tonnen Munition seien damals vernichtet worden. Zu ähnlichen vom russischen Geheimdienst GRU organisierten Explosionen sei es auch in Munitionsdepots in Tschechien und Bulgarien gekommen, also in Ländern, die potenziell Munition an die Ukraine hätten liefern können. So habe Russland einen Vorteil bei den Munitionsvorräten für die Artillerie erlangt.
Sollte sich so etwas auch in Polen ereignen, werde es sich nicht mehr um das Werk von Amateuren, sondern von ausgebildeten und nach Europa geschleusten russischen Offizieren handeln. Es wäre ein ernstes Warnsignal, dass Russland zu einem Großangriff auf Europa bereit ist, so Marek Kozubal in der Rzeczpospolita.
Dziennik/Gazeta Prawna: Der Westen darf angesichts der Aktionen Chinas und Russlands nicht die Nerven verlieren
Die Chinesen und Russen haben ihre Hausaufgaben in der Theorie der Informationskriegsführung gemacht und wenden sie in der Praxis effektiv an. Es sei höchste Zeit für die Eliten und Gesellschaften des Westens, daraus zu lernen, schreibt der Spezialist für internationale Sicherheit und Publizist Witold Sokała für das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna.
Schon der Autor des Klassikers „Die Kunst des Krieges", Sunzi, so Sokała, habe geraten, Schwäche und friedliche Absichten vorzutäuschen, wenn man den Feind bald angreifen wolle. Wenn man wirklich einen Krieg plane, informiere man nicht alle Beteiligten im Voraus über diese Absicht oder zeige, wo, womit und wie man angreifen wolle. Umgekehrt würden sich reale Defizite am leichtesten durch bedrohliches Aufbäumen, d. h. durch Signale der Konfrontationsbereitschaft, maskieren lassen. Bevor der alte chinesische Weise seine goldenen Gedanken formulierte, hätten uralte Volksstämme dasselbe getan, fährt Sokała fort. Sie hätten Rituale geschaffen, um den Kampfgeist eines stärkeren Gegners zu brechen. Zum Beispiel durch Tänze, Gesten, Sprechgesang und Körperschmuck, die Stärke und die Gewissheit des eigenen Sieges demonstrieren sollten.
Wie der Experte des Weiteren feststellt, würde man solche Strategien heute immer noch in der internationalen Politik - und im Krieg - anwenden. Zahlreiche theoretische wissenschaftliche Studien, Expertenanalysen, Tagebucheinträge von Politikern, Generälen und Beratern sowie Tausende von journalistischen Artikeln seien über das Bluffen und die weit gefasste Desinformation geschrieben worden. In vielen Ländern würden auch Studenten der Politikwissenschaft, internationaler Beziehungen und Sicherheitsstudien darüber gelehrt werden. Zahlreiche Fernseh- und Radiokommentatoren und neuerdings Youtuber hätten unendliche Stunden damit verbracht, diesen Mechanismus zu erklären. Und die Menschen würden trotzdem immer noch auf denselben alten Trick hereinfallen, so Witold Sokała in Dziennik/Gazeta Prawna.
Wprost: Die Achse des Bösen mobilisiert den Westen zu größerer Hilfsbereitschaft
Eine neue Achse des Bösen, die sich von China und Nordkorea bis hin zum Iran und Russland erstreckt, gewinnt die Oberhand über das demokratische Taiwan und die Ukraine, schreibt Jakub Mielnik in der Wochenzeitung Wprost. Kiew drohe bereits seine zweitgrößte Stadt Charkow zu verlieren. Eine wachsende Koalition des Widerstands in Europa gegen Moskaus Vormarsch habe Joe Biden dazu veranlasst, dem Einsatz von US-Waffen auf russischem Territorium durch Kiew endlich zuzustimmen, lesen wir.
Sollte die Ukraine westliche Waffen auf russischem Gebiet einsetzen? Geht es nach dem Autor, sei dies ohne Zweifel erlaubt. Andernfalls werde es unmöglich sein, den russischen Angriff auf Charkow zu stoppen. Der Verlust der Stadt könnte die Niederlage der Ukraine bedeuten. Wie wir lesen, hätten uns westliche Politiker bisher anstatt schnell und entschlossen zu handeln, ein moralisches Schaukelspiel vorgeführt, von dem nur Putin profitieren konnte.
Am gefährlichsten sei dieses Mal das Zögern von Joe Biden gewesen. Das Weiße Haus soll Wolodymyr Selenskyj sogar gedroht haben, ihm jegliche Militärhilfe zu kappen, sollte die Ukraine beginnen, US-Waffen außerhalb der international anerkannten Grenzen ihres Landes einzusetzen.
Zum Glück habe Washington noch vor der Präsidentschaftswahl erkannt, wie politisch selbstmörderisch eine solche Strategie sei, so der Autor. Sollte die Ukraine nämlich verlieren, weil ihre westlichen Verbündeten ihr die Hände gebunden haben, könnte Donald Trump Biden im Herbst leicht vorwerfen, dass er Milliarden von Dollar an US-Militärhilfe für das Land verschwendet habe. Sein Sieg wäre dann sicher. Geht es nach Mielnik, sei dies einer der Gründe, warum das Weiße Haus schließlich seine Meinung geändert habe.
Kiew habe jetzt grünes Licht für den Angriff auf US-Militärziele auf russischem Gebiet, von denen aus Angriffe auf die Ukraine vermutet werden. Das Interessanteste daran sei Mielnik zufolge, dass dies auch auf ausdrücklichen Druck der europäischen Verbündeten geschehen sei. Bisher sei es nämlich eher umgekehrt gewesen. Die Amerikaner hätten gemeinsam mit ihren mitteleuropäischen Verbündeten auf eine stärkere europäische Beteiligung an der Unterstützung der Ukraine drängen müssen. Die jüngste Offensive der russisch-chinesischen Achse des Bösen scheine somit endlich einen dringend benötigten Wandel auf dem Alten Kontinent auszulösen. Die Zahl der EU-Staaten, die den Handlungsspielraum der Ukraine gegenüber den Russen einschränken, schrumpfe rapide, stellt Jakub Mielnik in der Wochenzeitung fest.
Autor: Piotr Siemiński