„Ich halte diese Konferenz aus mehreren Gründen für sehr wichtig: Sie trägt nicht nur zur Unterstützung und zur Steigerung des Bewusstseins für die Tragödie in der Ukraine bei, sondern sie ermöglicht es uns auch, uns zu treffen und unsere Bereitschaft zu erhöhen, beim Wiederaufbau der Ukraine zu helfen. Es ist auch eine moralische Verpflichtung für die Europäische Union und die europäischen Länder", sagte der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen, Vasco Alves Cordeiro, am Donnerstag in einem Interview mit dem Polnischen Rundfunk für die Ukraine.
Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte stimmte der Erklärung zur moralischen Verpflichtung zu. Darauf wies er am Dienstag in einem Kommentar gegenüber dem polnischen Auslandssender hin. „Solche Konferenzen tragen unter anderem dazu bei, zu verdeutlichen, dass wir moralisch verpflichtet sind zu helfen, aber sie sind auch ein hervorragender Anlass für ein Geschäft", betonte der niederländische Premierminister. In diesem schwierigen Moment sicherte er den Ukrainern seine uneingeschränkte Unterstützung zu. „Ich kann nur sagen, dass ich die Ukraine und das ukrainische Volk sehr bewundere, und ich bin froh, dass die Situation sowohl beim Wiederaufbau als auch bei der Lieferung von Waffen und Munition jetzt besser ist als noch vor drei Wochen", so Rutte.
Gigantische Verluste in Milliardenhöhe
Nach Angaben des deutschen Statistikportals Statista wird der durch die Invasion Russlands in der Ukraine verursachte Verlust an Wohngebäuden zwischen dem 24. Februar 2022 und dem 31. Dezember 2023 auf 56 Milliarden US-Dollar geschätzt. Die Verluste an der Energieinfrastruktur belaufen sich auf 11 Milliarden US-Dollar. Zwischen März und Mai 2024 wurden alle ukrainischen Heizkraftwerke und wichtige Wasserkraftwerke, darunter das größte Wasserkraftwerk der Ukraine, DniproGES, von russischen Besatzern angegriffen. Sie haben seit Beginn ihres Einmarsches regelmäßig häufige und systematische Angriffe auf die Energieinfrastruktur der Ukraine durchgeführt. Jeden Tag kommt es in der Ukraine zu Stromausfällen als Folge dieser Angriffe. Viele Ortschaften sind nach wie vor ohne Strom.
Selenskyj bittet um weitere Hilfe
Bei der Eröffnungszeremonie der Ukraine Recovery Conference 2024 hat der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj westliche Partner um kurzfristige Unterstützung beim Wiederaufbau des ukrainischen Stromnetzes sowie um langfristige Investitionen in das Energiesystem des Landes gebeten.
Während die russischen Invasoren eine neue Offensive in der Region Charkiw starten, betonte Wolodymyr Selenskyj die Ukraine bräuchte dringend mindestens sieben weitere Patriot-Luftabwehrsysteme. „Der größte strategische Vorteil Russlands gegenüber der Ukraine ist derzeit die Luftüberlegenheit. Es ist der Raketen- und Bombenterror, der den russischen Truppen hilft, am Boden vorzudringen, und der russische Hass, der Leben vernichtet. Sie setzen allein täglich bis zu Hunderte von gelenkten Luftbomben ein", sagte er.
Scholz kündigt weitere Flugabwehrsysteme an
Bundeskanzler Olaf Scholz, dessen Land nach den USA zum zweitgrößten Waffenlieferanten der Ukraine geworden ist, kündigte auf der Konferenz an, sein Land werde in den kommenden Wochen ein drittes Patriot- und neue IRIS-T-Luftabwehrsysteme, Gepard-Flugabwehrkanonen sowie Raketen und Munition an die Ukraine liefern. Der Bundeskanzler hat an Verbuendete appelliert, den Schutz des ukrainischen Luftraums mit „allem Möglichen" zu unterstützen. „Ich möchte mich heute von ganzem Herzen an alle wenden: Bitte unterstützen Sie unsere Initiative zur Stärkung der ukrainischen Luftverteidigung mit allem, was möglich ist", sagte Scholz.
„Polen ist der zweitgrößte Spendengeber"
„Polen ist nach unseren Analysen der zweitgrößte Geber, so dass wir hier nicht speziell nach jemandem suchen müssen, der uns helfen möchte. Wir spüren die Unterstützung der Republik Polen auf verschiedenen Ebenen: Es gibt die zwischenstaatliche Kommunikation, es gibt die militärische Unterstützung. Ich habe schon einmal im polnischen Fernsehen gesagt, dass, während einige europäischen Staats- und Regierungschefs noch darüber nachdachten, wie sie Putins Gesicht wahren könnten, so hatte Polen der Ukraine 300 Panzer geschenkt. Das war eine wichtige Hilfe, die für die Situation auf dem Schlachtfeld entscheidend war", betonte einer der Konferenzteilnehmer.
Klitschko: „Ich beneide die Polen"
Der Bürgermeister der ukrainischen Hauptstadt, Witali Klitschko, hat ebenfalls an der Internationalen Konferenz für den Wiederaufbau der Ukraine teilgenommen. Auf eine Frage des Polnischen Rundfunks für die Ukraine, wie die Zusammenarbeit zwischen Kiew und Warschau derzeit aussehe, wies der Beamte darauf hin, dass Polen heute eines der am weitesten entwickelten Länder in Europa sei und die Ukraine sich ein Beispiel daran nehmen sollte.
„Jetzt fuhr ich mit dem Auto nach Berlin und ertappte mich wieder bei dem Gedanken, dass ich die Polen beneide. Ich war 1987 zum ersten Mal in Polen. Seitdem habe ich gesehen, wie sehr sich Polen verändert hat. Heute ist Polen eines der am weitesten entwickelten Länder Europas. Wir hatten gleiche Startchancen. Als die Sowjetunion zusammenbrach, begannen wir mit dem Aufbau einer unabhängigen Ukraine, aber Polen hat große Fortschritte gemacht, und wir sollten von ihm lernen: von seinen Erfolgen und von seinen Fehlern. Wir zählen auch auf eine Partnerschaft", erklärte der Bürgermeister von Kiew. „Ich möchte Polen dafür danken, dass es eines der Länder ist, das die Ukraine in allen Bereichen sehr unterstützt. Es geht um militärische Unterstützung, um unsere Vertriebenen und um humanitäre Hilfe. Ich bin den Polen sehr dankbar für ihre Haltung, die wir in diesen schwierigen Zeiten nie vergessen werden", fügte Witali Klitschko hinzu.
Am 11. und 12. Juni fand in Berlin eine gemeinsam von deutscher und ukrainischer Seite organisierte internationale Konferenz zum Wiederaufbau der Ukraine (URC2024) statt. Die Veranstaltung brachte hochrangige Vertreter von Regierungen, internationalen Organisationen, der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft zusammen. Die zweitägige Konferenz in der deutschen Hauptstadt war eine Folgeveranstaltung zu einem ähnlichen Treffen in London im vergangenen Jahr. An der Veranstaltung 2024, die darauf abzielte, die Unterstützung für die vom Krieg zerstörte ukrainische Wirtschaft zu verstärken, haben mehr als zweitausend Teilnehmer aus über 60 Ländern teilgenommen.
Polskie Radio dla Zagranicy/ps