Deutsche Redaktion

Oberrabbiner von Polen besorgt über Gerichtsurteil

10.02.2021 10:13
Der Oberrabbiner von Polen Michael Schudrich hat Unterdrückungsversuche von „Historiker und Journalisten, die versuchen, das Schicksal der polnischen Juden unter deutscher Besatzung gerecht darzustellen“ verurteilt.
Michael Schudrich
Michael SchudrichIAR/ Łukasz Kowalski

Der Oberrabbiner von Polen Michael Schudrich hat Unterdrückungsversuche von „Historiker und Journalisten, die versuchen, das Schicksal der polnischen Juden unter deutscher Besatzung gerecht darzustellen“ verurteilt. Der Gerichtssaal sei kein Ort, an dem die historische Wahrheit bestimmt wird, schrieb Schudrich. In seiner Erklärung vom Dienstag stellte er fest, hinter den Klagen gegen die Forscher stehe die derzeitige Regierung.

„Staatliche Institutionen unterstützen immer öfter, manchmal auf verschleierte Weise, manchmal direkt, finanziell und mit Beförderung, eine unzuverlässige historische Erzählung. Der Staat sollte keine Partei der historischen Debatte sein, insbesondere sollte er historische Unwahrheiten oder den Hass nicht unterstützen“, so Schudrich weiter: „Wir verurteilen solche Versuche, deren die Suche nach der historischen Wahrheit zum Opfer fällt“.

16 berühmte jüdische Aktivisten unterzeichneten die Erklärung des polnischen Rabbiners. Die israelische Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem hat zuvor ihre Sorge wegen des Verfahrens geäußert. Auch internationale Medien haben das Verfahren kritisiert.

Gericht: Historiker müßen sich entschuldigen

Laut dem Urteil des Warschauer Bezirksgerichts müssen sich Prof. Barbara Engelking und Prof. Jan Grabowski für die Ungenauigkeit seiner Arbeit über die Haltung der Polen gegenüber Juden während des Krieges entschuldigen. Sie müssen keine Entschädigung zahlen. Die beiden Geschichtsprofessoren befassen sich in ihrem 2018 erschienenen Buch „Dalej jest noc“ (Danach kommt nur noch die Nacht) mit der Vernichtung der Juden in der polnischen Provinz unter deutscher Besatzung. Die Autoren wurden von der Nichte eines früheren Bürgermeisters aus dem ostpolnischen Dorf Malinowo wegen Verleumdung verklagt.

Die Frau sah die Erinnerung an ihren Onkel diffamiert, weil die Historiker in ihrem Buch schreiben, der Ortsvorsteher sei mitschuldig am Tod von mehr als 20 im Wald versteckten Juden gewesen, die den Deutschen übergeben worden waren. Außerdem habe er einer jüdischen Frau ihre Habe und einen Teil ihres Besitzes abgenommen, bevor er ihr geholfen habe. In einem Nachkriegsprozess sei er freigesprochen worden, nachdem diese jüdische Zeugin falsch und zu seinen Gunsten ausgesagt habe. Belege für diese Behauptungen fehlten in dem Buch. Engelking hat sich in einer später nachgeschobenen Erklärung auf Aussagen gestützt, die die jüdische Zeugin 1996 für die Shoah Foundation gemacht hatte.
 
INFO A. Łuba