Deutsche Redaktion

"EU darf Justizsystem der Mitgliedstaaten nicht beeinflussen ". Kommentare aus dem Regierungslager nach EuGH-Urteil

06.06.2023 10:10
Das Vorgehen des EuGH würde im Einklang mit den zentralistischen Tendenzen stehen, die in den EU-Institutionen vorherrschen, sagt der Vize-Chef der Regierungspartei PiS, Antoni Macierewicz. Zudem beziehe sich das Urteil auf eine Version der Justizreform, die längst geändert wurde. Ein Teil der Kommentatoren sieht in dem Richtspruch dennoch eine Niederlage des Regierungslagers.
TSUE stara się poszerzać swoje kompetencje - ocenił dr Tomasz Żukowski
TSUE stara się poszerzać swoje kompetencje - ocenił dr Tomasz Żukowski JackKPhoto/Shutterstock

Das gestrige Urteil des Europäischen Gerichtshofs gegen Polen sei rechtswidrig und beziehe sich auf Vorschriften, die längst geändert worden seien - das sind die wichtigsten Argumente, mit denen das Regierungslager auf das Urteil des EU-Gerichtshofs zur Justizreform reagiert. Der EuGH hatte gestern festgestellt, dass die Regierungspartei mit der Einführung der Disziplinarkammer im Obersten Gerichtshof gegen EU-Recht verstoßen hatte. 

Der Vize-Vorsitzende der Regierungspartei PiS, Antoni Macierewicz bezeichnete den Richtspruch in einem Gespräch mit Polskie Radio 24 als rechtswidrig. Die EU, so der Politiker, sei nicht befugt, das polnische Justizsystem zu beeinflussen. Das Vorgehen des EuGH, so Macierewicz weiter, würde im Einklang mit den zentralistischen Tendenzen stehen, die in den EU-Institutionen vorherrschen. "Dies ist ein sehr wichtiges Element der Aktionen von Kreisen, die die Europäische Union in einen einzigen Staat verwandeln wollen, am Rande gesagt in einen deutschen Staat", so Macierewicz. Eine solche Zentralisierung der EU würde ihre Mitglieder jedoch ihrer Unabhängigkeit und Autonomie berauben, was  inakzeptabel sei. Zudem, so Macierewicz, würde sich das gestrige Urteil des EuGH auf Rechtsvorschriften beziehen, die in Polen nicht mehr in Kraft seien. "Dieses Urteil betrifft eine Version der Reform, die längst geändert worden ist", betonte der Politiker. 

"EuGH darf in Fragen zur Rechtsstaatlichkeit entscheiden"

Ein Teil der Kommentatoren sieht in dem gestrigen Richtspruch dennoch eine Niederlage des Regierungslagers. Piotr Gąciarek, Richter am Bezirksgericht in Warschau (Vereinigung der polnischen Richter "Iustitia"), betonte im Gespräch mit dem oppositionsnahen Privatsender TVN24, dass das EuGH-Urteil eindeutig klärt, dass die Frage der Unabhängigkeit der Justiz und Fragen rund um die Rechtsstaatlichkeit in die Kompetenzen der EU fallen. “Der EuGH wird nicht darüber entscheiden, ob es in Polen 300 oder 500 Bezirksgerichte geben sollte und wie viele Instanzen, wie viele Abteilungen es in einem Gericht geben sollte, denn das ist unsere Angelegenheit, die Angelegenheit eines jeden Staates, aber ob das System selbst eine Garantie für die Unabhängigkeit der Justiz bietet", so Gąciarek.

Wie der Richter hinzufügte, stehe "die polnische Verfassung in keiner Weise im Widerspruch zur europäischen Rechtsprechung". “Die polnische Verfassung garantiert den polnischen Bürgern das Recht auf ein faires Verfahren, ein faires Verfahren vor einem unabhängigen Gericht, vor einem unabhängigen Richter. Das Gleiche wird von der Europäischen Kommission für Menschenrechte garantiert, das Gleiche wird in den EU-Verträgen behandelt. Hier gibt es keinen Widerspruch. Es gibt einen Widerspruch zwischen dem Verständnis, der Vision von Gerechtigkeit von Justizminister Zbigniew Ziobro und der derzeit Regierenden und den europäischen Werten", so Gąciarek.

Das gestrige Urteil des EuGH bezieht sich auf ein Gesetz aus dem Jahr 2019, mit dem Bestimmungen über das System der ordentlichen Gerichte und des Obersten Gerichtshofs geändert wurden. Die Europäische Kommission hatte zwei Jahre eine Klage gegen Polen eingereicht, da ihrer Ansicht nach die Reform die Unabhängigkeit der polnischen Richter untergrabe. Der Staatspräsident hat zwar inzwischen eine Novellierung des Gesetzes von 2019 vorgeschlagen. Laut Kritikern gehe diese jedoch nicht weit genug.

IAR/tvn24/adn