Selenskyj plant, in dieser Woche bei einem Treffen mit US-Präsident Joe Biden einen detaillierten Siegesplan vorzulegen, der die westlichen Verbündeten dazu auffordern soll, die ukrainische Armee weiter zu stärken. Dabei betonte er, dass es nicht um Verhandlungen mit Russland gehe, sondern vielmehr um „eine Brücke zu einem diplomatischen Ausweg, um den Krieg zu beenden“. Nach seiner Auffassung kann Russland nur zu einem Ende des Konflikts gezwungen werden, wenn die Ukraine aus einer „starken Position“ handelt.
Kreml bleibt bei harten Zielen
Während Selenskyj auf westliche Unterstützung setzt, zeigt sich Moskau skeptisch. Der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow reagierte am Dienstag zurückhaltend auf Berichte über ukrainische Friedenspläne. Peskow stellte klar, dass Russland den Krieg erst beenden werde, wenn seine Ziele vollständig erreicht seien.
Bereits seit längerem fordert die ukrainische Führung von den westlichen Staaten, die Beschränkungen für den Einsatz von Langstreckenraketen aufzuheben. Diese könnten für Angriffe tief in russisches Gebiet genutzt werden. Selenskyj plant, dieses Anliegen bei seinem USA-Besuch erneut vorzutragen.
Biden zögert noch
US-Präsident Joe Biden ließ am Sonntag offen, ob er die Ukraine mit Langstreckenwaffen unterstützen wird. „Alle schauen auf [Biden], und wir brauchen dies, um uns zu verteidigen“, sagte Selenskyj im Interview mit ABC. Biden betonte, die USA müssten bei dieser Entscheidung die Führung übernehmen, sei jedoch noch unschlüssig.
Im Rahmen seines Aufenthalts in den USA wird Selenskyj vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen sprechen. Darüber hinaus sind Treffen mit den US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump und Kamala Harris geplant.
Tschechischer Präsident warnt vor allzu hohen Erwartungen
Der tschechische Präsident Petr Pavel äußerte sich kritisch zu den langfristigen Aussichten der Ukraine. In einem Interview mit der New York Times betonte er, dass die Ukraine realistisch bleiben müsse, was die Rückeroberung der von Russland besetzten Gebiete im Osten des Landes betrifft. Ein vollständiger Sieg sei unwahrscheinlich, so Pavel. Stattdessen erwartet er, dass ein Teil der Ukraine für Jahre unter russischer Kontrolle bleiben könnte.
„Eine Niederlage der Ukraine oder Russlands wird schlicht nicht passieren“, erklärte Pavel. Das Ende des Konflikts werde „irgendwo dazwischen“ liegen, fügte er hinzu.
Ukraine weiter unter Beschuss
Während Selenskyj in den USA um Unterstützung wirbt, kommt es in der Ukraine zu heftigen Angriffen. Am Dienstag traf ein russischer Angriff ein Hochhaus in der ostukrainischen Stadt Charkiw. Drei Menschen kamen ums Leben, 15 weitere wurden verletzt. Nach Angaben der örtlichen Behörden wurde der Angriff mit Gleitbomben ausgeführt.
Bereits in der Nacht zuvor war die ostukrainische Stadt Poltawa Ziel eines russischen Angriffs, bei dem Infrastruktur beschädigt wurde. In Saporischschja im Süden des Landes starb bei massiven Luftangriffen eine Person, sechs weitere wurden verletzt.
Russische Truppen erzielten im Osten des Landes weiterhin Fortschritte und stehen kurz vor der Einnahme der Stadt Wuhledar. Der ukrainische Militärexperte und pensionierte Oberst Kostyantyn Mashovets warnte, dass die Ukraine möglicherweise bald die Kontrolle über Städte wie Selydowe, Torezk und Wuhledar verlieren könnte. „Ich würde mich gerne irren“, schrieb Mashovets auf Facebook. Doch auf Basis der ihm vorliegenden Informationen sei dies ein wahrscheinliches Szenario für die kommenden Wochen.
PAP/BBC/jc