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„Pan Tadeusz“ des 20. Jahrhunderts: „Nadberezyńcy“ von Florian Czarnyszewicz

18.12.2024 07:11
Während in Europa der Zweite Weltkrieg tobte, waren in Argentinien die 1930er und 1940er Jahre von kultureller Blüte und gesellschaftlichem Wandel geprägt. Zwar galt die innenpolitische Situation als instabil, doch führte die von der damaligen Regierung forcierte Wirtschaftspolitik zu einem nie gekannten und bis heute nicht wieder erreichten Wohlstandsniveau. 
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Florian Czarnyszewicz
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In der bonaerensischen Literaturszene propagierten Zeitschriften wie „Claridad“ und „Sur“ avantgardistische Ideen. Daneben gab es dort polnische Einzelgänger wie Witold Gombrowicz und Florian Czarnyszewicz, die sich zwar von den elitären Clubs und Zirkeln fernhielten, bestehende Formen der argentinischen Literatur aber nicht weniger entschieden in Frage stellten. 

Die von den damaligen Avantgardebewegungen sowie traditionellen Gattungsvorstellungen unabhängigen Texte von Witold Gombrowicz sind inzwischen auch in Argentinien Kult. Die Prosawerke von Florian Czarnyszewicz hingegen waren für den Leser jahrzehntelang praktisch unauffindbar und wurden in kaum einer Literaturgeschichte erwähnt. Dabei hatte sein Erstlingsroman „Nadberezyńcy“ über die in den ruthenischen Gebieten der alten Rzeczpospolita lebenden Polen viele namhafte Kritiker begeistert, darunter die Redakteure der Pariser „Kultura“ und den Lyriker Czesław Miłosz. Der spätere Nobelpreisträger bezeichnete „Nadberezyńcy“ als einen „neuen Pan Tadeusz“ sowie eine „600-seitige Droge“, von der er nicht ablassen konnte, bis er sie ausgelesen habe. Miłosz wollte den Roman rasch ins Englische und Deutsche übersetzen lassen. Dazu kam es jedoch nie und selbst in seiner Heimat geriet Czarnyszewicz in Vergessenheit. Warum eigentlich? An den Exilautor erinnert Wojciech Osiński.