Deutsche Redaktion

Eine Ode an Warschau: „Der Böse“ von Leopold Tyrmand

23.04.2025 09:00
Vor genau 70 Jahren beschäftigte viele polnische Leser in ihrer vom Krieg zerstörten Hauptstadt vor allem eine Frage: Werden die Kommunisten die Veröffentlichung des großartigen Warschau-Romans „Zły“ zulassen? Die Kopien des Textes von Leopold Tyrmand waren schon längst im Umlauf. Die Warschauer lasen ihn mit Begeisterung.
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Leopold Tyrmand (1920-1965)
Leopold Tyrmand (1920-1965)PAP/Janusz Uklejewski

Im Jahr 1955 war Warschau die größte Baustelle Osteuropas. Der 44 Etagen zählende Kultur- und Wissenschaftspalast wurde gerade fertiggestellt und die historische Altstadt rekonstruiert. Auf der Marszałkowska-Strasse, die heute als ein städtebauliches Schlüsseldenkmal des Sozialistischen Realismus gilt, lagen noch Überreste der prächtigen Häuser aus der Vorkriegszeit.

Zwei Jahre vorher hatte Stalins Tod unter jüngeren polnischen Autoren eine Aufbruchsstimmung ausgelöst, ein Gefühl der Entschlossenheit, den Kommunismus wie einen Spuk abschütteln zu wollen. Der Tod Bolesław Bieruts im März 1956 verstärkte in Polen die Tendenzen freimütiger Kritik und schien eine Periode des „Tauwetters“ einzuleiten. Nach der Niederschlagung des Posener Arbeiteraufstands und insbesondere nach dem Polnischen Oktober wurden jedoch die vorherigen Zugeständnisse an die Autonomiebedürfnisse vieler Schriftsteller weitgehend zurückgenommen.


Perspektive der Straße in Richtung der Aleje Jerozolimskie. Rechts ist die Wand eines Mietshauses zu sehen, das an der Ecke der Straßen Hoża und Marszałkowska steht. Im Hintergrund ist der Turm des Kultur- und Wissenschaftspalastes sichtbar. August 1954. Nationales Digitalarchiv. Signatur: 51-622-2. Perspektive der Straße in Richtung der Aleje Jerozolimskie. Rechts ist die Wand eines Mietshauses zu sehen, das an der Ecke der Straßen Hoża und Marszałkowska steht. Im Hintergrund ist der Turm des Kultur- und Wissenschaftspalastes sichtbar. August 1954. Nationales Digitalarchiv. Signatur: 51-622-2.

Im Sommer des Jahres 1955 herrschte aber noch Optimismus. Der damals 35-jährige Journalist Leopold Tyrmand zelebrierte in dem von Deutschen zerstörten Warschau Lebensfreude und Energie, beschrieb enthusiastisch dessen Wiederaufbau, jedoch auch den bitteren Alltag in den Trümmern, wo sich Verbrecher, Gauner und Ganoven tummelten. Sein Roman „Der Böse“ über einen geheimnisvollen Superhelden, der für Recht und Ordnung sorgt, wurde auf Anhieb zum Bestseller. Tyrmand gelang ein genialer Spagat: Das Buch wurde publiziert, obgleich der Autor darin die mafiösen Strukturen des sozialistischen Systems bloßstellte. Er konnte sicher sein, dass seine Andeutungen vom Publikum entziffert werden, dass es nicht nur seine Worte las, sondern auch den zwischen den Zeilen verborgenen Sinn erfasste. Für viele polnische Leser ist „Zły“ noch heute der beste Roman Tyrmands. Mehr darüber erzählt Wojciech Osiński.


Bau der Siedlung Muranów. 1953. Nationales Digitalarchiv. Signatur: 51-477-15. Bau der Siedlung Muranów. 1953. Nationales Digitalarchiv. Signatur: 51-477-15.

 

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