Der Bundespräsident traf in der polnischen Hauptstadt zunächst mit hochbetagten ehemaligen Teilnehmern des verzweifelten Widerstands gegen die deutsche Besatzung 1944 zusammen. Deutschland sei sich seiner historischen Verantwortung bewusst, sagte er den Männern und Frauen.
Seine Botschaft verkündete Steinmeier auch bei der zentralen Gedenkfeier mit Polens Präsident Andrzej Duda und Hunderten Zuhörern am Mittwochabend. Der Warschauer Aufstand gehöre „zu den grausamsten Kapiteln“ der gemeinsamen Geschichte, sagte Steinmeier am Abend in der polnischen Hauptstadt. „Deutscher Nationalismus, Imperialismus und Rassismus“ hätten zu grauenhaften Verbrechen geführt. „So weit darf es nie wieder kommen.“
„Ich bitte, gerade heute und gerade hier, um Vergebung“
„Wir dürfen und wir werden nicht vergessen, welch unermessliches Leid wir Deutschen über unser Nachbarland gebracht haben, mit welcher Brutalität, mit welchem Vernichtungswillen die deutschen Besatzer gegen die gesamte Bevölkerung vorgegangen sind“, sagte Steinmeier. „Ich bitte, gerade heute und gerade hier, um Vergebung.“
Steinmeier ist nach Roman Herzog 1994 der zweite Bundespräsident, der bei diesem für Polen wichtigen Gedenktag sprechen darf.
Vor 80 Jahren am 1. August 1944 hatte die polnische Untergrundarmee einen Aufstand gegen die deutsche Besatzung begonnen. Die Armia Krajowa (Heimatarmee) wollte die Deutschen vertreiben, damit Polen seine Hauptstadt vor dem Näherrücken der Sowjetarmee wieder selbst kontrolliert. Doch Wehrmacht und SS schlugen den Aufstand in 63 Tagen brutal nieder und verübten Massaker an der Zivilbevölkerung, die zu den schlimmsten deutschen Kriegsverbrechen zählen. Etwa 200.000 Menschen wurden getötet, die meisten von ihnen Zivilisten. Warschau wurde aus Rache weitgehend zerstört.
Steinmeier lobt gute Beziehungen
Der Warschauer Aufstand gehöre „zu den heldenhaftesten Kapiteln der polnischen Geschichte“, sagte Steinmeier weiter. „Es steht beispielhaft für den Willen, sich zu behaupten, sich die Freiheit nicht kampflos nehmen zu lassen.“ Er verbeuge sich „vor der Tapferkeit, vor der todesmutigen Einsatzbereitschaft der Kämpferinnen und Kämpfer“ mit großem Respekt.
Heute sei es „fast ein Wunder", dass Polen und Deutsche inzwischen „zu guten Nachbarn geworden“ seien, sagte Steinmeier. Es sei „ein langer Weg“ bis dorthin gewesen. Beide Länder hätten sich nun verpflichtet, „miteinander und für unsere Freunde und Nachbarn solidarisch und friedensfördernd zu wirken“.
Auf polnische Entschädigungsforderungen wegen der Zerstörungen und des enormen Verlusts an Menschen im Zweiten Weltkrieg ging Steinmeier demnach nur am Rande ein. Vieles sei auf dem Weg, auch für die letzten noch lebenden Opfer der Besatzung, hieß es. Dazu stünden die Regierungen in engem Austausch.
Steinmeier verwies auch auf das geplante Deutsch-Polnische Haus als Erinnerungsort in Berlin.
Vor allem die vorige nationalkonservative Regierung, die bis Dezember 2023 in Warschau amtierte, hatte gegen Deutschland milliardenschweren Forderungen erhoben. Die neue Mitte-Links-Regierung unter Ministerpräsident Donald Tusk hält sich mehr zurück. Trotzdem ist die Frage in der polnischen Gesellschaft präsent – und sie wurde auch bei den deutsch-polnischen Regierungskonsultationen Anfang Juli in Warschau angesprochen. Dabei sieht die Bundesregierung die Frage von Reparationen als rechtlich abgeschlossen an, sucht aber nach Wegen einer engeren Kooperation mit Polen.
DPA/PAP/jc