Deutsche Redaktion

Gleichheitsmarsch: PiS-Politiker unter den Banditen vs. Scheinheiligkeit der Linksliberalen

23.07.2019 13:04
Der Angriff auf den Gleichheitsmarsch im ostpolnischen Białystok am Wochenende bleibt auch heute ein wichtiges Thema in der Presse. Linksliberale Publizisten sprechen von einer Faschisierung des Staates, Vizepremier Jacek Sasin wirft ihnen Scheinheiligkeit vor.
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Gazeta Wyborcza: Nach Angriff auf Gleichheitsmarsch - PiS-Politiker unter den Banditen

Der Angriff auf den Gleichheitsmarsch im ostpolnischen Białystok am Wochenende bleibt auch heute ein wichtiges Thema in der Presse. Nach dem Vorfall, lesen wir auf der Titelseite der linksliberalen Gazeta Wyborcza, zählt die Polizei weiter die Opfer und die Festgenommenen. Derweil seien Fotos von vor der Kathedrale aufgetaucht, auf denen zu sehen sei, wie die Politiker der Regierungspartei die Blockade des Gleichheitsmarsches organisieren. Einer von ihnen habe auf Twitter geprahlt: “Wir haben die Kathedrale verteidigt”.

In seinem Autorenkommentar für das Blatt, wirft Publizist Piotr Stasiński den Regierenden vor, in Polen - dem Land, in dem Hitler-Deutschland Millionen von Juden, Zigeunern und Homosexuellen ermordet hatte - eine Hetzkampagne gegen Menschen zu organisieren, die anderer als heterosexueller Orientierung sind. Die von den Machthabern ermutigten Hooligans, so der Autor, seien nahezu straflos. Die Regierung sorge dafür, dass die Täter für Hass und Gewalt keine Sanktionen erwarten. Die Staatsanwaltschaft stelle Verfahren ein oder tue nur so, als ob sie sie führen würde. All das geschehe in Polen. Eine Faschisierung des Staates, gefördert von der Regierung. Ob der Leser Zweifel haben würde? Er nicht, so Piotr Stasiński in der Gazeta Wyborcza.

Rzeczpospolita: Eingetragene Partnerschaften wird es nicht geben

In einem Interview für die Rzeczpospolita betont Vize-Premier Jacek Sasin, dass die Polizei in Białystok professionell und schnell agiert habe. Denn, so Sasin, es gebe kein Einverständnis für Gewalt. Die Regierung würde sich für eine zivilisierte, kulturelle Diskussion aussprechen und nicht für eine Diskussion, in der Fäuste und Flaschen die Hauptrolle spielen würden. Daher würden die Dienste in solchen Fällen, wie in Białystok hart durchgreifen. Und er hoffe, dass auch die Gerichte es ihnen gleichtun werden und solche Banditen nicht auf freien Fuß setzen.

Geht es nach Sasin, würde die Regierung PiS sich insgesamt viel intensiver dafür einsetzen, rechtsextreme Angreifer vor Gericht zu stellen, als es die Vorgänger-Regierung im Falle von linken Hooligans getan hatte, die Unabhängigkeitsmärsche angegriffen hatten. Es wundere ihn, dass diejenigen, die heute so empört über die Ereignisse in Białystok seien, damals nicht reagiert hätten. Er, so Sasin, habe den Eindruck, dass viele Kommentatoren sich empören, wenn Märsche der linken Szene attackiert werden und applaudieren, wenn patriotische Kundgebungen angegriffen werden.

Er persönlich könne sich nicht mit der Botschaft von LGBT-Märschen identifizieren - Sexualität sei Privatsache und gehöre seiner Meinung nach nicht auf die Straßen. Doch wenn jemand anderer Meinung sei, so könne er das manifestieren, im Rahmen der bestehenden Vorschriften und im Rahmen der Demonstrationsfreiheit. Solange jedoch die PiS an der Macht sein werde, werde es keine eingetragenen Partnerschaften geben, so Vize-Premier Jacek Sasin im Interview mit der Rzeczpospolita.

Rzeczpospolita: 7 Kandidaten für Kommissars-Posten

Für den polnischen Kommissars-Posten sind insgesamt sieben Namen im Spiel - Mitglieder der Regierung, aber auch EU-Abgeordnete der Regierungspartei PiS, schreibt die konservative Tageszeitung Rzeczpospolita. Bisher, lesen wir im Blatt, hätte Polen technische Kommissare in Brüssel gehabt. Danuta Hübner, Janusz Lewandowski und Elżbieta Bieńkowska hätten sich auf einen engen Ausschnitt des europäischen Rechts konzentriert. Zudem habe die aus der oppositionellen Bürgerplattform stammende Bieńkowska die Regierung PiS im Streit mit der EU-Kommission nicht nur nicht unterstützt, sondern ihre Bemühungen aktiv torpediert. Nun, so das Blatt, wolle die Regierung diese Situation ändern.

“Wir sind entschieden, ein System ständiger Konsultationen des polnischen Kommissars mit dem Premierminister zu schaffen - betont im Gespräch mit der Rzeczpospolita EU-Minister Konrad Szymański. Ein anderer prominenter Politiker der PiS fügt hinzu: "Nach der letzten Posten-Einteilung haben wir nicht viele Vertreter bei EU-Gipfeln. Das Team von von der Leyen wird die politischste Kommission in der Geschichte der Integration sein. Daher brauchen wir einen Kandidaten mit starkem politischen Rückgrat, der die Interessen Polens in allen Bereichen verteidigen wird." Eine solche Logik, lesen wir, würde für die Kandidaturen des EU-Deputierten Adam Bielan, des Chefs der Präsidialkanzlei Krzysztof Szczerski oder des EU-Ministers Konrad Szymański sprechen. Die dank der PiS-Stimmen gewählte Kommissionschefin müsste diesen Postulaten entgegenkommen. Ungewiss sei jedoch die Reaktion des EU-Parlaments, dem von der Leyen gewissermaßen aufgezwungen worden war, und das nun seinerseits vermutlich zwei oder drei Kandidaten für Kommissars-Posten ablehnen werde.

Polen befinde sich hier auf dem Fadenkreuz. Wenn solche Befürchtungen in der Regierung siegen, dann werde die PiS weniger kontroverse Anwärter vorschlagen, wie Infrastruktur-Minister Jerzy Kwieciński oder Entwicklungsministerin Jadwiga Emilewicz, für die zusätzlich die Tatsache spreche, dass von der Leyen 50 Prozent Frauen in ihrem Team haben möchte, so Rzeczpospolita.

Dziennik/Gazeta Prawna: Finanzen auf Polnisch

Polen werde in naher Zukunft einen Vize-Chef in der Europäischen Investitionsbank haben, berichtet in der heutigen Ausgabe Dziennik/Gazeta Prawna. Dabei, so das Blatt, handle es sich um eine der wichtigsten EU-Institutionen. "Dadurch werden wir einen größeren formellen und informellen Einfluss auf die Entscheidungen der Europäischen Investitionsbank haben, was sowohl seine Aktivität in Polen, als auch die Beförderung von Polen auf höhere Posten innerhalb der Institution unterstützen kann", so ein Gesprächspartner aus der EIB im Gespräch mit dem Blatt.

Die letzte Bedingung, die noch erfüllt werden müsse, sei der Austritt Großbritanniens aus der EU. Wer Polen repräsentieren werde? Bisher sei in diesem Kontext häufig der Name von Infrastruktur-Minister Jerzy Kwieciński genannt worden. Da der Politiker jedoch auch als Kandidat für den Kommissarsposten im Spiel sei, deute vieles darauf hin, dass jemand aus dem Finanzministerium Vize-Chef der Europäischen Investitionsbank wird, lesen wir in Dziennik/Gazeta Prawna.


Autor: Adam de Nisau