Deutsche Redaktion

Regierungskonflikt um Sozialversicherungsabgaben

15.11.2019 12:00
Bisher beträgt die Beitragsgrenze 30 Prozent des Durchschnittslohns in der freien Wirtschaft. Eine Gruppe von PiS-Abgeordneten hat nun einen entsprechenden Gesetzesentwurf eingereicht, um dies zu ändern.
Presseschau
Presseschaupixabay

Rzeczpospolita: Regierungskonflikt um Sozialversicherungsabgaben

Kaum hat sich die "neue alte" Regierung nach den Parlamentswahlen formiert, steht sie bereits vor einem Konflikt. Das schreibt heute Redakteur Michał Szułdrzyński in seinem Kommentar in der konservativen Rzeczpospolita. Konkret geht es um die Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge für Besserverdienende. Bisher beträgt die Beitragsgrenze 30 Prozent des Durchschnittslohns in der freien Wirtschaft. Eine Gruppe von PiS-Abgeordneten hat nun einen entsprechenden Gesetzesentwurf eingereicht, um dies zu ändern. Bildungsminister Jaroslaw Gowin, Vorsitzender der Partei „Porozumienie“, die Teil der Regierungsfraktion im Parlament ist, lehnte den Vorschlag schon vor den Wahlen entschieden ab. Mit den erhöhten Sozialabgaben belaste man Berufsgruppen, die für die polnische Wirtschaft eine Schlüsselrolle spielen: Informatiker, Manager, Vertreter freier Berufe wie Rechtsanwälte. Gestern betonte Gowin noch einmal, dass der Vorstand seiner Partei es den „Porozumienie“-Abgeordneten verboten habe, für die Erhöhung der Beiträge zu stimmen. Für Ärger sorge auch, dass Gowin und seine Partei von der PiS nicht über die Arbeiten an einem entsprechenden Gesetzesprojekt informiert wurden.

Aus der ganzen Situation könne man zwei Schlüsse ziehen: erstens sei die wirtschaftliche Lage nicht so rosig, wie es die Regierung im Wahlkampf dargestellt habe. Sie müsse nun überall nach zusätzlichen Einkünften suchen. Zweitens zeichne sich ein ernsthafter Konflikt innerhalb der Regierungskoalition und sogar der PiS-Partei selbst ab, lesen wir in der Rzeczpospolita.

 

Gazeta Wyborcza: Unterstützung aus der Linkspartei für die PiS-Pläne?

Nicht nur Minister Gowin, auch andere führende Politiker aus dem eigenen Lager würden sich gegen die von der PiS geplanten Reform der Sozialabgaben aussprechen, berichtet die linksliberale Gazeta Wyborcza. Präsident Andrzej Duda habe sich bereits negativ über die Idee geäußert, auch die regierungstreue Gewerkschaft Solidarność kritisiert die Pläne. Einen Appell gegen ein entsprechendes Gesetz haben auch 65 Arbeitgebervertretungen unterschrieben. Sie warnen davor, Polen könnte seine besten und qualifiziertesten Mitarbeiter verlieren.

Währenddessen hoffe die PiS-Partei auf Unterstützung von der polnischen Linkspartei, wie die Tageszeitung Gazeta Wyborcza schreibt. Aus ihren Reihen seien vereinzelt positive Signale zu hören, eine offizielle Stellungnahme der Partei gäbe es aber noch nicht. Der Vorsitzende der Linksfraktion Krzysztof Gawkowski sagte, seine Fraktion sei geteilt in Unterstützer und Gegner der Gesetzesinitiative. Man werde sicherlich noch die Meinung des Gewerkschaftsverbandes OPZZ einholen, so Gawkowski. In der Fraktion selbst befürchten einige, dass man durch die Unterstützung für das Projekt als Verbündeter der PiS-Partei dastehen werde, so die Gazeta Wyborcza.

Lech Wałęsa wieder im amerikanischen Kongress

Fast genau 30 Jahre, nachdem er seine berühmte Rede vor dem amerikanischen Kongress hielt, stand Solidarność-Legende Lech Wałęsa gestern wieder vor den zwei vereinigten Kammern des US-Parlaments. Darüber berichtet heute die Rzeczpospolita. Und genau wie vor 30 Jahren begann Wałęsa seine Rede mit einem Zitat aus der amerikanischen Verfassung – „Wir, das Volk“. Er wies in seiner Rede darauf hin, dass die heutige Zeit unter vielen Gesichtspunkten schwieriger sei als die Achtzigerjahre. Eine Epoche sei zu Ende gegangen, eine andere habe begonnen, so der ehem. Solidarność-Anführer. Es sei sehr wichtig, über die Fundamente zu sprechen, auf denen man die Zukunft der Welt bauen wolle. Wie könne die Demokratie weiter funktionieren, wenn die Wahlbeteiligung falle? Wie könne man die Herausforderung der globalen Wirtschaft bewältigen? Das seien nur einige der schwierigen Fragen, vor denen die Welt heute stehe. Bei der Rede Wałęsas seien zahlreiche Kongressabgeordnete, sowohl Demokraten als auch Republikaner anwesend gewesen, berichtet die Rzeczpospolita.

 

Filip Żuchowski