DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Die Rolle des Ostens wird immer wichtiger
Joe Bidens Besuch in Kiew und in Warschau sei ein Beweis dafür, dass sich die Interessen der amerikanischen Politik vom Westen Richtung Osten verschieben würden, lesen wir in der Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna. Weder Berlin noch Paris würden sich diesmal auf der Route des US-Politikers befinden. Das Blatt stellt auch die Frage auf, wieso sich der 80-jährige Biden überhaupt für eine erschöpfende und gefährliche Reise in die ukrainische Hauptstadt entschlossen habe. Allem Anschein nach würde sich die amerikanische Regierung auf einen langen Krieg vorbereiten. Würde der US-Präsident die Chance auf irgendein Abkommen zwischen der Ukraine und der Russischen Föderation sehen, hätte er das Risiko eines Treffens mit Selenskyj in Kiew nicht aufgenommen. Biden gehe wohl aber davon aus, dass Wladimir Putin die annektierten Gebiete der Ukraine freiwillig nicht zurückgeben werde. Die ukrainische Armee werde daher diese Teile des Landes mit militärischer Kraft erobern müssen. Dabei müsse das Land auf die Unterstützung des Westens zählen, lesen wir in dem Blatt.
Außerdem wolle der amerikanische Politiker eindeutig zeigen, dass der östliche Teil des Kontinents in seinen Augen deutlich an Bedeutung gewonnen habe. Aus der Perspektive der amerikanischen Administration würde Osteuropa eine weitgehend wichtigere politische Rolle spielen, als es westeuropäische Politiker zugeben wollen. Die nicht besetzten Regionen der Ukraine würden inzwischen eine ähnliche Rolle spielen, wie einst der westliche Teil des geteilten Berlins. Die direkten Nachbarn der Ukraine seien zu Frontstaaten geworden. Weder die Europäische Union noch die wohlhabenden Westländer seien imstande den Osteuropäern Sicherheit zu garantieren. Deshalb würden die Regierungen der osteuropäischen Staaten in erster Linie Richtung Washington schauen.
Drittens zeige Bidens unerwartete Visite in Kiew, dass er den russischen Angriffskrieg und die Hilfe, die seit seinem Beginn die USA der Ukraine leisten würden, für keine problematische Angelegenheit in der Innenpolitik halte. Vielmehr könnte er im bevorstehenden Wahlkampf damit noch punkten, stellt das Blatt Dziennik/Gazeta Prawna fest.
RZECZPOSPOLITA: Ein Schlag gegen die Kreml-Propaganda
Bidens Visite in Kiew sei ein schwerer Schlag gegen die russische Propaganda, stellt in der Tageszeitung Rzeczpospolita der Regierungsbevollmächtigte für die Sicherheit des polnischen Informationsraums, Stanisław Żaryn fest. Die russischen Propagandisten hätten sich in letzter Zeit bemüht, die westliche Hilfsbereitschaft für die Ukraine zu schwächen. Wie man am Montag gesehen habe, antwortete die amerikanische Seite auf diese propagandistischen Bemühungen ganz konkret, und zwar mit der Visite des amerikanischen Präsidenten in der Hauptstadt des angegriffenen Landes. Der symbolische Wert eines solchen Besuches sei nicht zu überschätzen. Umso mehr, dass ähnliche Aktivitäten in Kriegszeiten sehr schwierig durchzuführen seien. Man müsse die höchsten Garantien gewährleisten, was in der aktuellen Lage für die Sicherheitsdienste eine sehr schwierige Aufgabe sei. Jede Reise in die ukrainische Hauptstadt sei mit einem sehr hohen Risiko verbunden. Unter anderem deshalb müsse man solche Gesten mit größtem Respekt empfangen, meint Stanisław Żaryn in der Tageszeitung Rzeczpospolita.
SUPER EXPRESS: Was sagt Biden in Warschau?
Die Tageszeitung Super Express bezieht sich indes auf die Rede des amerikanischen Politikers in der polnischen Hauptstadt. Joe Biden sei Montagabend in Polen gelandet. Heute werde er sich mit dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda und mit den Mitgliedern der B9 –Bukarest-Neun-Gruppe treffen. Am Nachmittag werde dann der Amerikaner seine „wichtige Rede“ in den Kubicki-Arkaden am Königsschloss in der Altstadt halten, die nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs vollständig wiederaufgebaut wurden. Die Wahl des Ortes soll nach den Worten des amerikanischen Botschafters Mark Brzezinski kein Zufall sein. Dieser Ort sei, wie ganz Warschau, während des Zweiten Weltkriegs zerstört worden. Die Symbolik des Wiederaufbaus aus den Trümmern sei von großer Bedeutung in Bezug auf das, was man mit der Ukraine werde tun müssen, erklärt er.
Bei seiner letzten Visite im März 2022 habe der US-Präsident an die Worte des polnischen Papstes Johannes Paul des II. erinnert. Fürchtet euch nicht – dieser Appell habe den Menschen damals Mut gegeben und schließlich vor über 30 Jahren zum Ende des kommunistischen Regimes in Osteuropa beigetragen. Welche Botschaft Joe Biden konkret heute senden werde, sei ungewiss, man könne aber davon ausgehen, dass er die große Rolle Polens bei der Unterstützung der Ukraine hervorheben werde. Er werde wohl auch die Haltung der polnischen Bürger loben, die nach der russischen Attacke fliehende Menschen nicht selten in eigenen Häusern und Wohnungen aufgenommen hätten. Nach Beginn des offenen russischen Angriffskrieges am 24. Februar des vergangenen Jahres hätten mehrere Millionen ukrainische Kriegsflüchtlinge die polnische Grenze in nur wenigen Monaten passiert, erinnert das Blatt.
Jakub Kukla