Deutsche Redaktion

"Berlin blockiert Warschau"

12.06.2023 10:06
Im Vorfeld des Treffens des Weimarer Dreiecks in Paris, zieht das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna eine ernüchternde Bilanz der Zeitenwende von Bundeskanzler Scholz. Dieser, so das Blatt, blockiere alle Initiativen, die zu einer Stärkung Warschaus auf internationaler Bühne führen könnten und beginne nun erneut mit Alleingängen im Umgang mit Russland. Außerdem: Nach über einem Jahr Krieg kühlt die Hilfsbereitschaft der Polen gegenüber Ukrainern offenbar ab. Und: Oppositionsrivale von Ex-Premier Tusk fällt es schwer, nach dem Marsch vom 4. Juni, die Initiative zurückgewinnen. Die Einzelheiten in der Presseschau.
Welt: Niemcy są zwycięzcami unijnego kompromisu azylowego
"Welt": Niemcy są zwycięzcami unijnego kompromisu azylowegoPAP/EPA/ETTORE FERRARI

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Berlin blockiert Warschau

Parallel zu Beginn der Gegenoffensive im Süden und Osten der Ukraine würden sich die Staats- und Regierungschefs der Länder des Weimarer Dreiecks (Polen, Frankreich und Deutschland) in Paris treffen, um die Position für den NATO-Gipfel im Juli festzulegen, berichtet die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna. Laut dem Blatt sollte das Treffen ursprünglich unter Beteiligung von Wolodymyr Selenskyj in Kiew stattfinden. Die von Polen vorgeschlagene Idee habe jedoch Olaf Scholz blockiert, der alle Initiativen, die zur Stärkung der internationalen Bedeutung Warschaus beitragen könnten, torpediere.

Im Februar habe der Bundeskanzler dasselbe getan, indem er gemeinsame Gespräche mit den Präsidenten Polens und Frankreichs, Duda und Macron, während der Sicherheitskonferenz in München ablehnte. Dabei hätten alle Reden der Vertreter des polnischen Staates auf den Nebenbühnen stattgefunden. Zugleich wollte Scholz noch im Februar 2022, kurz vor der russischen Invasion – der Ukraine die vollständige und sofortige Umsetzung der Minsker Vereinbarungen aufzwingen, was Kiew ohne Krieg seiner Souveränität berauben würde.

Gleichzeitig beginne der deutsche Kanzler erneut, in den Beziehungen zu Russland ein individuelles Spiel zu spielen, lesen wir weiter. Am Samstag habe er die Rückkehr zu bilateralen Gesprächen mit Wladimir Putin angekündigt. Das Ziel des deutschen Politikers sei ein „gerechter Frieden“, der den Abzug russischer Truppen aus der Ukraine voraussetze. Scholz habe jedoch keine Angaben gemacht, aus welchen Gebieten sich die Russen zurückziehen sollten.

Polen spreche sich gegen solche Initiativen aus und betrachte sie als Auftakt zum Einfrieren des Konflikts und zu einem Minsk-3-Abkommen – einem Abkommen, das es dem Kreml ermöglichen werde, Zeit zu gewinnen, um seine Stärke wiederherzustellen und die Ukraine erneut anzugreifen. Man wolle daher Macrons veränderte Haltung gegenüber Osteuropa ausnutzen, die er während des Globsec-Gipfels in Bratislava zum Ausdruck gebracht habe, lautet nun der polnische Plan, lesen wir weiter. Der französische Präsident habe zugegeben, dass die Weststaaten sich mehr für die Sicherheitsinteressen der Länder des Ostens interessieren sollten, erinnert die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna.


RZECZPOSPOLITA: Hilfsbereitschaft schwindet

Eine neue Studie zeige deutlich, dass sich die gesellschaftliche Hilfsbereitschaft gegenüber den Ukrainern geändert hat, obwohl die meisten Polen immer noch davon ausgehen würden. dass es notwendig sei, der Ukraine im Kampf gegen Russland zu helfen, informiert die Tageszeitung Rzeczpospolita. Praktisch alle Indikatoren würden eine Wertveränderung von deutlich positiv über mäßig positiv bis hin zu mäßig negativ verzeichnen. Der einzige Indikator, der sich seit Kriegsbeginn nicht verändert habe, sei die Zustimmung der Polen zur Aufnahme von Flüchtlingskindern in die Schulen, erklärt der Leiter des Forschungsprojekts von der Universität Warschau, Dr. Robert Staniszewski.

In nur fünf Monaten dieses Jahres sei die Zahl der Menschen, die fest davon überzeugt seien, dass Polen den Ukrainern während des Krieges mit Russland helfen sollte, von 62 auf 42 Prozent gesunken. Die mehrdimensionale Analyse der Forschungsergebnisse zeige deutlich, dass der Grund für die veränderte Einstellung der Polen gegenüber Flüchtlingen aus der Ukraine unter anderem in ihrer offensiven Haltung liege, die die Polen nicht akzeptieren würden - erklärt Dr. Robert Staniszewski. Die Polen hätten inzwischen bemerkt, dass die Ukrainer eine „andere Kultur“ seien (50 Prozent). Viele würden bei den Ukrainer auch andere Normen und Prinzipien“, „eine andere Religion“, „Mangel an persönlicher Kultur“ und gerade „eine fordernde Haltung“ sehen. Laut Mirosław Skórka, dem Präsidenten der Union der Ukrainer in Polen, würden die Flüchtlinge in Polen keine privilegierte Stellung genießen. Viele falschen Informationen und Meinungen würden im Internet und in sozialen Medien kursieren und auf dieser Grundlage würden solche antiukrainischen Meinungen aufgebaut, lesen wir in Rzeczpospolita.

SUPER EXPRESS: Gescheiterter Versuch, die Initiative zu ergreifen

Nach dem großen Erfolg von Donald Tusk – dem Marsch vom 4. Juni - versuche Szymon Hołownia nun, die Initiative zurückzugewinnen und schlage Konsultationen zum Thema Bildung vor. Der frühere TV-Moderator möchte 6 Prozent des BIP für Bildung bereitstellen und lade alle Parteien im Parlament, einschließlich der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit, ein, dieses Thema zu diskutieren. Das gefalle dem Vorsitzenden der Bürgerplattform PO jedoch definitiv nicht. Man könnte eventuell die Bedingungen ihrer Kapitulation bei der PiS erfragen. Über die Zukunft werde man später unter Patrioten sprechen, meint der ehemalige Premierminister Tusk.

Und was sagen die anderen Oppositionspolitiker? - fragt das Blatt. Krzysztof Bosak von der Konföderation erklärte, dass über die Teilnahme an den Konsultationen noch keine Entscheidung getroffen worden sei. Włodzimierz Czarzasty von den Linken habe betont, dass er sich ein Gespräch mit der PiS und Konfederacja nicht vorstellen könne. Somit sei Hołownia’s Versuche, wieder ins Spiel zurückzufinden, gescheitert, so Super Express.

Autor: Jakub Kukla