Deutsche Redaktion

"Abschrecken und deportieren"

07.07.2023 13:01
Die alternde polnische Gesellschaft braucht Verdienstmigranten, bekräftigt in der heutigen Ausgabe die Rzeczpospolita. Doch laut dem Migrationsexperten, Prof. Maciej Duszczyk darf das keinesfalls eine Politik der offenen Tür bedeuten. Und: Die Gazeta Polska Codziennie warnt vor einem Versuch der Vereinten Nationen, Staaten wie Religionen die LGBT-Ideologie aufzwingen zu wollen.
Zdaniem Dariusza Wieczorka, Europa musi zmierzyćsięz problemem migracji, stąd jego sprzeciw wobec negowania unijnej polityki migracyjnej
Zdaniem Dariusza Wieczorka, Europa musi zmierzyć się z problemem migracji, stąd jego sprzeciw wobec negowania unijnej polityki migracyjnejHasan Mrad/ Shutterstock

Rzeczpospolita: Migranten sind unabdingbar

Die konservativ-liberale Rzeczpospolita setzt in ihrer heutigen Ausgabe den Blick auf die wirtschaftliche und demografische Dimension der Migrationsdebatte fort.
Wie die Zeitung beobachtet, würden sich aktuell die letzten Nachkriegsjahrgänge vom Arbeitsmarkt zurückziehen. Die nachrückenden Jahrgänge seien indes viel kleiner. Das bedeute, dass Unternehmen, in denen der Fachkräftemangel das Wachstum bereits behindere, in den kommenden Jahren noch ernsthaftere Probleme haben werden. Und diese Probleme würden sich nicht ohne eine Erhöhung der Anzahl von ausländischen Arbeitskräften lösen lassen. "Der Arbeitsmarkt verändert sich zwar, aber man kann schätzen, dass wir in den kommenden Jahren jedes Jahr 150.000 bis 200.000 neue Arbeitskräfte aus dem Ausland benötigen werden", sagt Professor Szukalski vom wirtschaftssoziologischen Fachbereich der Universität Łódź im Gespräch mit der "Rzeczpospolita".

Das, so die Zeitung, bedeute, dass innerhalb von fünf Jahren in Polen etwa eine Million zusätzliche ausländische Arbeitskräfte benötigt werden, um den Rückgang der einheimischen Arbeitskräfte auszugleichen. Wenn wir jedoch bei einer alternden Bevölkerung das derzeitige Verhältnis von 39 Prozent der erwerbsfähigen und nachberuflichen Personen aufrechterhalten wollen, so die Zeitung, müsste der Zustrom noch größer sein. Laut Schätzungen der Sozialversicherungsanstalt ZUS müssten wir in den nächsten fünf Jahren bis 2027 fast 1,5 Millionen Arbeitskräfte aus dem Ausland anwerben und bis 2032 2,7 Millionen.

"Ausländer, die hauptsächlich aus der Ukraine und Ostafrika stammen, machen aktuell etwa 20 Prozent der Beschäftigten in der Fleischbranche aus", schätzt Witold Choiński, Präsident des Verbandes Polnisches Fleisch. Dieser hohe Anteil sei das Ergebnis eines Mangels an inländischen Bewerbern für diese Arbeitsplätze. Auch unter den Fahrern beliebter Lieferplattformen wie Glovo oder Uber Eats seien Ausländer sehr präsent. Geht es nach Alicja Leszczyńska, Mitbegründerin und Vorstandsmitglied der Warschauer Firma Eternis, dem größten Partner von Glovo, würden 60 Prozent der Fahrer in ihrem Unternehmen aus dem Ausland stammen, so Rzeczpospolita.

Rzeczpospolita: PiS stolpert über die Migranten

Der Publizist des Blattes, Michał Szułdrzyński macht in seiner Stellungnahme zum Thema auf das plötzliche Interview aufmerksam, das PiS-Chef Kaczyński diese Woche der Polnischen Presseagentur erteilt hat. Dieses sei, ebenso wie die gestrigen Beratungen zur Migration, die Premierminister Mateusz Morawiecki organisiert habe, eine Reaktion auf den neulichen Wahlspot gewesen, in dem Bürgerplattformchef Donald Tusk der Regierung vorgeworfen habe, gleichzeitig gegen Migranten zu hetzen und Vorschriften vorzubereiten, die Verdienstmigranten die Einreise erleichtern sollen. Die Regierungspartei, so der Autor, versuche damit, ihre Wähler zu beruhigen, die verwirrt sein müssen, seit sie erfahren haben, dass die von ihnen unterstützte Regierung an Erleichterungen für Wirtschaftsmigranten arbeite. Das Problem sei nur, dass die Partei um Kaczyński sehr gut wisse, dass die polnische Wirtschaft diese Migranten braucht. “Wir werden in diesem Jahr, im nächsten Jahr und in jedem weiteren Jahr ausländische Arbeitskräfte benötigen. Und wir werden sie immer mehr brauchen. Aber während des Wahlkampfes wird niemand den Mut haben, das zuzugeben”, so Michał Szułdrzyński in der Rzeczpospolita.

Dziennik/Gazeta Prawna: Abschrecken und deportieren

Die wirtschaftlichen Faktoren würden jedoch nicht bedeuten, dass Polen seine Grenzen weit für Migranten öffnen sollte. Ganz im Gegenteil, Polen brauche dringend eine realistische Migrationspolitik, die die Fehler des Westens in Bezug auf das Thema vermeidet, sagt im Interview mit dem Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna der Migrationsexperte, Professor Maciej Duszczyk. Vor allem, so Duszczyk habe die Migrationspolitik des Westens bisher darin bestanden, Menschen hereinzulassen und sich dann zu fragen, was mit ihnen geschehen soll. Stattdessen müsse man der Integration absolute Priorität einräumen. Und die Einwanderungspolitik erst auf dieser Grundlage gestalten. Mit anderen Worten: es wäre logisch, zuerst zu überlegen, wie viele Menschen wir aufnehmen können, und dann so viele einreisen zu lassen und uns um sie zu kümmern. Er persönlich sehe kein Problem darin, dass in Polen künftig statt knapp 40 Millionen Menschen, nur noch 30 Millionen Menschen leben. “Wir erleben eine technologische Revolution. Wir werden überleben. In Schweden leben bereits weniger Menschen auf demselben Territorium”, so Duszczyk. Die Vorstellung, dass Migration unser demografisches Problem lösen werde, sei ein Fehler, es sei denn, wir bieten den Zugewanderten eine gute Ausbildung und Integration in den Arbeitsmarkt. Und ohne ein entsprechend vorbereitetes System mache das keinen Sinn. Grundsätzlich habe er auch nichts gegen ein Referendum zur Migration, vorausgesetzt dieses würde erstens auf eine inhaltliche Debatte zu dem Thema folgen und sich zweitens auf eine klar formulierte und auf der reellen Problematik basierende Frage beziehen. Das heißt, statt ethnischer, religiöser Argumente, müssten ökonomische und integrative Herausforderungen im Mittelpunkt stehen. Seiner Ansicht nach, sei es auch nicht ausgeschlossen, dass die Opposition von der Debatte zur Migration profitieren könne, wenn sie gezielt die Scheinheiligkeit der Regierungspartei beleuchte. Welche Frage ihn von der Teilnahme an einem Referendum zur Migration abschrecken würde? Jede, die irreführend sei. Zum Beispiel “Sollte Polen der Umsiedlung illegaler Migranten zustimmen?” Ein solches Problem existiere einfach nicht, so Prof. Maciej Duszczyk im Gespräch mit Dziennik/Gazeta Prawna.


Gazeta Polska Codziennie: LGBT zwingt seine Weltsicht allen Staaten und Religionen auf

Die Gazeta Polska Codziennie setzt in ihrem heutigen Aufmacher indes auf das Thema LGBT. “Die UNO will in die Wahrheiten des Glaubens ingerieren. LGBT zwingt seine Weltsicht allen Staaten und Religionen auf”, lesen wir auf der Titelseite. Anlass für den Artikel ist, wie wir weiter erfahren, die 53. Sitzung des UN-Menschenrechtsrates. Dieser rekommendiere, dass die Vorschriften aller Staaten und die Regeln aller Religionen an die LGBT-Ideologie angepasst werden. Im Visier, so das Blatt weiter, stehe vor allem das Christentum, das in dem während der Sitzung vorgestellten Bericht mit Gewalt gegen Homosexuelle und andere Personen mit anderer sexueller Orientation und Identität in Verbindung gebracht werde. Laut den vorgeschlagenen Richtlinien sollten Regierungen und Geistliche die Existenz vieler sexueller Orientationen und Identitäten anerkennen und homosexuelle Handlungen aus der Kategorie der Sünde ausschließen. “Das ist ein Versuch, einen neuen Kommunismus zu schaffen und eine Revolution gegen unsere Freiheit zu entfachen”, sagt im Gespräch mit dem Blatt der Bibelexperte und Priester, Prof. Andrzej Szewcziw. Zudem sei der sogenannte unabhängige Experte, der den Bericht vorbereitet habe, selbst ein bekannter LGBT-Aktivist aus Costa Rica, so Gazeta Polska Codziennie.


Autor: Adam de Nisau