Deutsche Redaktion

"Richterliche Turbulenzen"

19.12.2023 12:25
Die von der neuen Regierung angepeilten Änderungen in der Justiz sorgen für heftige Emotionen. Auch mit der neuen Mehrheit symphatisierende Journalisten raten zur Vorsicht. Außerdem geht es auch darum, wie die neue Regierungskoalition die Hindernisse umgehen will, mit denen die Recht und Gerechtigkeit ihr die Übernahme der Kontrolle in den öffentlichen Medien erschweren will. Und: Auch über Nationalbankchef Adam Glapiński brauen sich immer mehr dunkle Wolken zusammen. Die Einzelheiten in der Presseschau.
Marek Ast z PiS-u twierdzi, że propozycja ministra sprawiedliwości ws. zmian w Regulaminie urzędowania sądów powszechnych jest niezgodna z konstytucją
Marek Ast z PiS-u twierdzi, że propozycja ministra sprawiedliwości ws. zmian w Regulaminie urzędowania sądów powszechnych jest niezgodna z konstytucjąDarSzach/ Shutterstock, gov.pl, Przemysław Chmielewski/PR

Die von der neuen Regierung angepeilten Änderungen in der Justiz sorgen für heftige Emotionen und Debatten darüber, wie die Rechtsstaatlichkeit wiederhergestellt werden sollte, ohne das Kind mit dem Bade auszuschütten. Natürlich regt sich bei den nationalkonservativen Medien Widerstand gegen die Änderungen, die die von den Konservativen forcierte Justizreform rückgängig machen sollen. Aber auch mit der neuen parlamentarischen Mehrheit sympathisierende Publizisten raten der Regierung Tusk und dem neuen Justizminister Adam Bodnar zu Vorsicht. 

Rzeczpospolita: Richterliche Turbulenzen

"Adam Bodnar sollte vorsichtig auf richterlichem Gebiet wandern, denn bevor er es bemerkt, könnte er anfangen, seinem Vorgänger zu ähneln", schreibt etwa Tomasz Pietryga in der konservativ-liberalen Rzeczpospolita. 

Die Geschäftsordnung der Gerichte, die per Verordnung erlassen werde, erinnert Pietryga, habe immer Raum für politische Minister geschaffen und stets Kontroversen hervorgerufen. Und der neue Justizminister Adam Bodnar habe angekündigt, alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um die Ordnung in den Gerichten wiederherzustellen. Die Einschränkung der Kompetenzen von über 2500 durch den politisierten Nationalen Justizrat (KRS) gewählten Richtern, auch als 'Unabhängigkeitstest' bekannt, sei ein Schritt in diese Richtung. Die Frage sei jedoch, ob das Betreten des Justizia-Hofes sowie die kollektive Stigmatisierung einer so großen Gruppe und ihre Kategorisierung als 'Richter zweiter Klasse' ein durchdachter Schritt sei, der bei der gesamten Gemeinschaft auf Zustimmung stoßen werde.

Wenn der Minister die Unterstützung der Richtergemeinschaft suche, so Pietryga, sollte er sich auf “feste Gesetze” stützen und die Angelegenheiten in ihre eigenen Hände legen. Straßburger Urteile, parlamentarische Beschlüsse oder Änderungen in den Geschäftsordnungen seien da ein wenig zu wenig. Richterliche Disziplinarverfahren würden existieren und das sei der richtige Weg. Wenn er einen anderen Weg erzwingen wolle, könne der Minister schnell vom Verbündeten zum neuen Gegner werden.

Derweil habe sich das Verfassungsgericht mit seinen Entscheidungen nach den Wahlen bereits als ein solcher entschiedener Gegner der neuen Regierungskoalition kristallisiert. Dieses habe, angesichts der Bedrohung von außen, seine internen Streitigkeiten beigelegt und werde zu einer Bastion der alten Ordnung. Die erste Kumulation dieses Konflikts könnte bereits in dieser Woche mit den parlamentarischen Beschlüssen kommen, die die Legalität der im Verfassungsgericht und im Nationalen Justizrat sitzenden Richter in Frage stellen. Donald Tusk werde nach einem Weg suchen, das Verfassungsgericht zu neutralisieren. Andernfalls könnten alle von ihm vorgeschlagenen systemischen Änderungen torpediert werden, so Tomasz Pietryga in der Rzeczpospolita.

Gazeta Wyborcza: Plan der Entparteilichung des öffentlichen Fernsehens

Im Kampf um die öffentlichen Medien hat die Partei von Jarosław Kaczyński bereits einiges  getan, um der neuen parlamentarischen Mehrheit deren Übernahme zu erschweren, erinnert in ihrem heutigen Aufmacher die linksliberale Gazeta Wyborcza. Neben den Sicherungsmaßnahmen des Verfassungsgerichts sei in diesem Kontext auch die Entscheidung von TVP-Chef Mateusz Matyszkowicz erwähnenswert, einen Prokuristen zu ernennen. Denn diesen könne, wie das Blatt erklärt, der neue Kultusminister nicht suspendieren. Er könne nur den Intendanten suspendieren, dann würde aber der Prokurist das Unternehmen verwalten. 

Aus diesem Grund könnte sich die Bürgerplattform entscheiden, in einem ersten Schritt den Nationalen Medienrat zu blockieren. Dieses Gremium sei, wie die Zeitung erinnert, von der PiS gegründet und besetzt worden. Seine einzige Kompetenz bestehe darin, die Führung von Medienunternehmen zu ernennen und abzusetzen. Früher habe der Nationale Rundfunk- und Fernsehrat (KRRiT), der in der Verfassung verankert sei, diese Kompetenzen gehabt. Die PiS habe diesen Rat nicht abschaffen können. Stattdessen habe sie ihm  daher seine Befugnisse entzogen. In einem Urteil des Verfassungsgerichtshofs vom Dezember 2016 sei jedoch die Übertragung der Befugnisse zur Besetzung von Medienunternehmen vom Nationalen Runfunk- und Fernsehrat an den Nationalen Medienrat als verfassungswidrig eingestuft worden. Die PiS habe das Gesetz allerdings nicht an dieses Urteil angepasst.

Da diese Kompetenzen nicht an den KRRiT, ein verfassungsmäßiges Organ, zurückgegangen seien und gleichzeitig Bedenken bestehen, dass das staatliche Vermögen schlecht verwaltet wird (TVP existiere nur dank enormer Regierungssubventionen), können die Bestimmungen des Handelsgesetzbuches angewendet werden, meint der Anwalt Prof. Michał Romanowski. Zuerst, so Romanowski, müsste das Parlament durch Beschlüsse drei der fünf Mitglieder des RMN abberufen. Ohne sie gäbe es einfach keinen Rat. “In einer solchen Situation gibt das Handelsgesetzbuch dem alleinigen Aktionär des Unternehmens, in diesem Fall dem Staatschatz, das Recht, Mitglieder des Vorstands abzuberufen oder zu suspendieren”, so der Jurist. Das bedeutet, dass der Kultusminister Matyszkowicz, den Prokuristen und auch den Aufsichtsrat abberufen könnte. Dann würde er einen neuen Aufsichtsrat ernennen, und dieser – eine neue Führung für TVP, so Gazeta Wyborcza.

Dziennik Gazeta Prawna: Alternativer Weg zur Demission des Nationalbankchefs

Auch über Nationalbankchef Adam Glapiński brauen sich schon seit längerem dunkle Wolken zusammen. Bisher hatte die neue Regierungskoalition vor allem davon gesprochen, ihn für seine von Parteiinteressen geleitete Monetärpolitik vor das Staatstribunal zu stellen. Doch auch eine rechtskräftige Bestätigung der Anklagen der Staatsanwaltschaft durch ein Gericht erscheint durchaus realistisch, schreibt in der heutigen Ausgabe Dziennik/Gazeta Prawna unter Berufung auf eine Studie, die für die Politiker der neuen Regierungskoalition erstellt wurde und dem Blatt vorliegt.  

Die Studie, so die Zeitung, konkretisiere die Vorwürfe, die bereits gegen Glapiński erhoben werden. Sie weise darauf hin, dass in einigen Fällen auch andere Mitglieder des Vorstands der Zentralbank und des Geldpolitischen Rates zur Verantwortung gezogen werden könnten. Der Hauptvorwurf beziehe sich auf das nach Ausbruch der Pandemie gestartete Programm, in dem die NBP Staatsanleihen und durch sie garantierte Anleihen gekauft habe. Die polnische Verfassung verbiete die Finanzierung des Haushaltsdefizits durch die Zentralbank. Ähnliches würden auch EU-Regelungen besagen. Deshalb würden Zentralbanken in entwickelten Ländern – dies gelte auch für die US-Notenbank Federal Reserve oder die EZB – Papiere auf dem Sekundärmarkt und nicht vom staatlichen Emittenten erwerben.

Nach Ansicht der Autoren des Dokuments über den Chef der Zentralbank habe die NBP "bewusst gehandelt, um dieses Verbot zu umgehen". Laut den Verfassern der Studie könnte in diesem Fall neben dem Bruch der Verfassung auch eine Überschreitung der Amtsbefugnisse vorliegen, für die eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren drohe. Unter den Vorwürfen würden sich keine befinden, die sich auf Fehler in der Geldpolitik beziehen, und die von einigen Politikern wiederholt worden seien. Aber es gebe Vorwürfe zur Politisierung der Bank sowie zu Problemen bei der Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Organen der Bank – dem Präsidenten, dem Vorstand und dem Geldpolitischen Rat.

Vertreter der Zentralbank hatten bereits die Ankündigung, Adam Glapiński vor den Staatsgerichtshof zu stellen, als Versuch gesehen, die Unabhängigkeit der Institution einzuschränken, so Dziennik/Gazeta Prawna. 

Autor: Adam de Nisau