Deutsche Redaktion

Änderungen im öffentlichen Fernsehen noch vor Weihnachten

20.12.2023 13:34
Nach einer hitzigen Debatte hat der Sejm Dienstagabend Änderungen in den öffentlichen Medien beschlossen. Im Beschluss hieß es, dass der Sejm alle staatlichen Behörden unverzüglich auffordert, den verfassungsmäßigen Zugang der Bürger zu zuverlässigen Informationen in den öffentlichen Medien zu garantieren. Gewahrt werden sollen Unabhängigkeit, Objektivität und Pluralismus bei der Erfüllung des öffentlichen Auftrags durch den öffentlichen Rundfunk, das öffentliche Fernsehen sowie die Polnische Presseagentur.
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Bild:PAP/Radek Pietruszka

Die Veränderungen im öffentlichen Sender TVP sollen noch vor Weihnachten erfolgen. Presseberichten zufolge werde es jedoch keine großen Säuberungen bei den öffentlich-rechtlichen Medien geben. Nach Angaben der Rzeczpospolita sollen beim polnischen Fernsehen, beim polnischen Rundfunk und bei der polnischen Presseagentur vor allem Personen ihren Arbeitsplatz verlieren, die gegen die journalistische Ethik verstoßen hätten. Jene Mitarbeiter, die Grundsätze der Ehrlichkeit und Objektivität verletzt oder den öffentlichen Medien einen finanziellen oder Imageverlust zugefügt hätten.

Vom Tagesblatt zitierten Quellen nach, könnte infolgedessen eine Gruppe von 40-60 Personen ihren Arbeitsplatz bei TVP verlieren , die den Sender zu einem Propagandakanal der Partei Recht und Gerechtigkeit gemacht hätten.

Abgeordneten der Bürgerlichen Koalition (KO) nach, sollen Personaländerungen im Polnischen Rundfunk langsamer erfolgen. Die regionalen Zentren der öffentlichen Anstalt sollen nämlich sehr autonom sein. Aber auch dort werde es keine komplette Personalumstellung geben und vorzugsweise nur die Hälfte entlassen werden.

Die Gesprächspartner der Tageszeitung würden dadurch den objektiven Charakter der öffentlichen Medien wiederherstellen wollen. Ziel sei es sie zu "entparteilichen", anstatt Säuberungen vorzunehmen oder sie in die andere Richtung zu kippen.

Die Änderungen sollen auch die vom staatlichen Energieunternehmen ORLEN gekauften Medien betreffen. Diese würden jedoch langsamer und außerhalb des Ministeriums für Kultur und Nationales Erbe stattfinden, das die Revolution in den öffentlichen Medien durchführen werde.

Die Priorität der neuen Regierung sei die Reform der Hauptausgabe der Tagesschau des Fernsehsenders TVP, heißt es am Schluss. Das neue Redaktionsteam soll vom ehemaligen Journalisten der Hauptausgabe der Tagesschau im privaten und links-liberalen Fernsehsender TVN, Paweł Płuska, geleitet werden. Laut "Rzeczpospolita" soll der Sender demnächst mit Reportern besetzt werden, die keiner politischen Partei eindeutig zuzuordnen seien. Die Botschaft des neuen öffentlichen Fernsehens soll, Quellen in der neuen Regierung zufolge, objektiviert und nicht idealisiert werden, schreibt die Rzeczpospolita. 

Business Insider: PiS hält Nachtwache in der TVP-Zentrale 

An der Abstimmung über den Umbau der öffentlichen Medien Polens haben mehr als 100 Abgeordnete der Partei Recht und Gerechtigkeit nicht teilgenommen, schreibt indes das Nachrichtenportal businessinsider. Stattdessen seien sie zur TVP-Zentrale marschiert, um, wie sie behaupteten, die Meinungsfreiheit zu verteidigen.

Dazu gehörten u.a. PiS-Parteiführer Jarosław Kaczyński, Ex-Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak und der Ex-Minister für Staatsvermögen, Jacek Sasin. Die ganze Nacht über haben sie im TVP-Gebäude einen Wachdienst gehalten. Wie wir lesen, hätten sie befürchtet, dass die neue Regierungskoalition einen Insolvenzverwalter in die TVP einführen und den Vorsitzenden Mateusz Matyszkowicz absetzen könnte.

Wie wir lesen, habe Kaczyński in einer der letzten Fernsehübertragung des Senders in seiner derzeitigen Form erklärt, er würde mit seinem Wachdienst die Demokratie verteidigen. Ohne Medienpluralismus und ohne starke regierungskritische Medien sei die Demokratie nämlich in Polen nicht möglich. Seine Partei würde damit auch das Recht der Bürger auf Zugang zu Informationen verteidigen. Die Verteidigung der polnischen Demokratie sei gleichzeitig auch die Verteidigung der polnischen Unabhängigkeit.

Die Politiker seiner Partei würden in dem Gebäude des öffentlichen Fernsehsenders TVP je zu zehn Personen einen Wachdienst halten. Das polnische Fernsehen selbst, schreibt businessinsider, änderte die Farbe der Nachrichtenleiste, auf der die wichtigsten Informationen angezeigt werden, von rot auf schwarz. Im Laufe der Nacht von Dienstag auf Mittwoch hätten viele PiS-Politiker die TVP-Zentrale allerdings wieder verlassen, einige seien über Nacht geblieben. Es bleibe unbekannt, wie lange die Proteste noch andauern werden, so das Nachrchtenportal. 

Wprost: Die TVP-Reform sollte kein Wettlauf sein 

In einem Kommentar für das Nachrichtenportal des Wochenblatts Wprost habe der Autor, Marcin Makowski, zunehmend den Eindruck, der neuen Regierung und einigen Journalisten ginge es nicht darum, die öffentlich-rechtlichen Medien fairer, ehrlicher und pluralistischer zu machen, sondern darum, diese Veränderungen so schnell und spektakulär wie möglich durchzuführen. Unabhängig davon, ob die Vorgehensweise rechtliche Fragen hervorruft. Die "Entparteilichung" des öffentlichen Senders TVP, lesen wir, soll wie eine Warnung vor einer Rückkehr zu ihrer Propaganda sein. Gleichzeitig sei sie ein Weg zu neuen Problemen, glaubt der Autor.

In den letzten acht Jahren, lesen wir, sei neben der Rechtsstaatlichkeit nur die Umkehrung der Verhältnisse in den öffentlichen Medien und insbesondere in TVP so oft von Politikern und Wählern gefordert worden. Polens neuer und ehemaliger Premierminister, Donald Tusk, selbst habe angekündigt, das polnische Fernsehen "zurückzuerobern". Dies sei sogar einer der wichtigsten Punkte auf der Wahlliste seiner Partei gewesen.

Wie es weiter heißt, sollten die Veränderungen auf eine spektakuläre Art und Weise stattfinden. Zu diesem Zweck habe Tusk seinen vertrauten Minister Bartłomiej Sienkiewicz gewählt. Er wurde als neuer Kulturminister mit dieser Aufgabe betraut.

Inzwischen sei aus den angekündigten "24 Stunden nach der Machtübernahme" mehr als eine Woche geworden. Größere Veränderungen in der TVP seien immer noch nicht sichtbar. Schon allein diese Tatsache soll, dem Autor nach, Donald Tusk nach seiner Rückkehr aus Brüssel wütend machen. Er fordere eine Beschleunigung der Umsetzung seines Versprechens, so Makowski. 

DoRzeczy: TVP zurück auf alten Gleisen 

Wie der Publizist der rechtskonservativen Wochenzeitung DoRzeczy, Piotr Semka, schreibt, hätten liberale Medien in Polen zwischen 1989 und 2023 ein solides, finanzielles Fundament für viele ihrer eigenen Institutionen aufgebaut. Dadurch hätten sie die acht Jahre der konservativen Regierung relativ unbeschadet überstanden. Es überrasche nicht, so Semka, dass die Regierungskoalition aus der Bürgerlichen Plattform, dem Dritten Weg und der Neuen Linken jetzt Polens öffentliche Medien entsprechend besetzen könne. Werde dies vollbracht, würden später nur wenige über ihre neue Politisierung empört sein, heißt es.

Alle Zweifel würden verschwinden. Von einer ruhigen und unpolitischen Umstrukturierung der TVP könne keine Rede sein, lesen wir. Die Veränderungen in den Führungspositionen würden schließlich Politiker koordinieren. Polens neuer Kulturminister, Bartłomiej Sienkiewicz, würde die öffentlichen Medien auch mit fester Hand neu einrichten. Viele vergessene Fernsehleute aus der Ära des Vorsitzenden Jan Dworak und Juliusz Braun würden zurückkehren. Hinzukämen Mitarbeiter des privaten Fernsehsenders TVN und Polsat. Die Frage der Pluralisierung der Medien indes, die der Journalist Jacek Żakowski kürzlich als Voraussetzung für eine echte Versöhnung genannt habe, habe im neuen Regierungslager niemand ernst genommen, heißt es weiter.

Der linksliberale Journalist habe sogar empfohlen, die öffentlichen Medien mit der Opposition zu teilen, so dass jede Seite ihren eigenen Informationskanal habe. Ihm nach sei die polnische Gesellschaft schließlich so polarisiert, das es keinen anderen Ausweg gebe. Wie Semka schreibt, hätten viele Żakowskis intellektuelle Provokation sogar als gefährliches Gedankenverbrechen eingestuft. Was in dieser Debatte aber nicht aus den Augen geraten sollte, lautet das Fazit des Autors in DoRzeczy, bleibe die Frage, inwieweit die konservative Partei Recht und Gerechtigkeit die acht Jahre ihrer Herrschaft genutzt habe, um den Medienpluralismus in Polen wirklich zu stärken.


Autor: Piotr Siemiński