Deutsche Redaktion

Regierung spielt nicht nach den Regeln des Präsidenten

28.12.2023 12:13
Der Konflikt um die öffentlichen Medien spitzt sich weiter zu. Staatspräsident Andrzej Duda hat sein Veto gegen die Haushaltspläne der Regierung eingelegt. Darunter die im Haushalt geplanten 3 Milliarden Złoty für die öffentlichen Medien, die die neue Regierung laut Duda verfassungswidrig übernehmen will. Kulturminister Bartłomiej Sienkiewicz hat daraufhin am Mittwoch angekündigt, das öffentlich-rechtliche Fernsehen, Radio und die staatliche Nachrichtenagentur PAP zu liquidieren. Seine Entscheidung erklärte der Minister damit, den weiteren Betrieb dieser Unternehmen sicherzustellen, die notwendige Umstrukturierung durchzuführen und Entlassungen von Mitarbeitern zu verhindern.
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Rzeczpospolita: Regierung spielt nicht nach den Regeln des Präsidenten 

Premierminister Donald Tusk und Sejmmarschall Szymon Holownia machen Staatspräsident Andrzej Duda keine Illusionen: Sie pfeifen auf sein Veto. Sie schrecken auch nicht vor dem Kampf um die öffentlichen Medien zurück. Ganz im Gegenteil: Kulturminister Bartłomiej Sienkiewicz hat das Veto des Präsidenten zum Gegenangriff genutzt, schreibt Michał Szułdrzyński am Donnerstag in der liberal-konservativen Rzeczpospolita.

Die neue Regierungskoalition habe Präsident Andrzej Duda damit ein klares Signal gegeben. Sie werde sich nicht an das von ihm vorgeschlagene Drehbuch halten. Zuvor hat der Präsidentenpalast am Mittwoch dem Sejm zwei Dokumente vorgelegt: ein Antrag auf Überprüfung des neuen Finanzrahmens und einen neun Finanzentwurf, der die Finanzierung der öffentlichen Medien aus dem Haushalt streicht.

Doch im Gegensatz zu Dudas Aufforderung an den Sejm, sich unverzüglich mit seinem Projekt zu befassen, habe Sejmmarschall Szymon Hołownia dies erst für die zweite Januarwoche festgelegt.

Premierminister Donald Tusk habe noch deutlicher gehandelt, so Szułdrzyński. Seine Regierung wolle dem Sejm eine neue Version des Haushaltsentwurfs vorlegen. Darin sollen die umstrittenen 3 Mrd. Zloty, die an die öffentlichen Medien hätten gehen können, in die Onkologie fließen. Tusks Bürgerkoalition, erinnert das Blatt, habe schon als noch oppositionelle Partei gefordert, diese Milliarden in die Behandlung von Krebs und seltenen Krankheiten und nicht für Propaganda auszugeben.

Geht es nach dem Autor, zeige dies, dass die neue Koalition das Veto des Präsidenten und den Vorschlag für einen neuen Haushaltsentwurf de facto ignoriere. Warum? Erstens wisse sie, dass es für den Präsidenten schwierig sein werde, ein zweites Mal sein Veto gegen ein von der Regierung vorgeschlagenes Gesetz einzulegen. Vor allem wenn sie seine Forderung erfüllen, die Gelder in ihrer jetzigen Form nicht an die Medien weiterzuleiten. Gleichzeitig würde die neue Koalition den Präsidenten symbolisch demütigen, heißt es weiter, sollte dieser den Gesetzesvorschlag der Regierung und nicht seinen Eigenen bearbeiten müssen.

Die Zeit spiele hierbei für Tusk und Hołownia. Sie wüssten genau, dass die PiS den Streit um die öffentlich-rechtlichen Medien auf lange Sicht nicht gewinnen könne. Kurzfristig könne sich die Recht und Gerechtigkeit zwar mit dem aktuellen Streit um die staatlichen Medien in den Augen ihrer harten Wählerschaft stärken. Die Konservativen konnten die Übergabe der Macht und der Kontrolle über den Staat zwar nicht verhindern, fährt der Autor fort. Aber die Versuche ihrer Politiker, einen Machtwechsel in den öffentlich-rechtlichen Medien zu verhindern, sehen in den sozialen Medien gut aus und bauen die Legende einer harten Opposition auf. Geht es nach Szułdrzyński, sei das Signal an die Wähler klar: Wir kämpfen für eure Lieblings-Propagandagesichter.

Andererseits sei die Krise in den öffentlichen Medien kurzfristig nicht im Interesse der neuen Regierungskoalition. Sie verstärke den Eindruck des Chaos. Und dieser lasse die Regierung von Donald Tusk hilflos erscheinen, heißt es.

Früher oder später, glaubt der Autor, werde die PiS jedoch von ihrem Kurs abrücken müssen, bevor ihre Revolte grotesk werde und Kaczyńskis Partei nur noch Schaden zufüge. Die neue Regierungskoalition werde die PiS letztendlich von der Kontrolle über die staatlichen Medien abkoppeln und damit ein weiteres Versprechen an ihre Wähler erfüllen.

Mit Hilfe des Vetos des Präsidenten versuche sie die Pattsituation in den staatlichen Medien zu lösen, lesen wir abschließend. Mit der Begründung, es fehle an stabilen Finanzierungsquellen, hat Kulturminister Bartłomiej Sienkiewicz am Mittwochnachmittag TVP, PR und PAP somit aufgelöst. Damit sei die Diskussion über die rechtliche Korrektheit der früheren Entscheidungen des Ministers beendet, so Michał Szułdrzyński abschließend für die Rzeczpospolita. 

Gazeta Wyborcza: Wird der Präsident das Parlament auflösen und Neuwahlen ansetzen? 

Nach den Informationen der Gazeta Wyborcza rechne die PiS damit, dass der Präsident das Haushaltsgesetz der neuen Regierung vor das Verfassungsgericht bringt. Sollte das Gericht das Gesetz für verfassungswidrig erklären, könnte es für Andrzej Duda sogar ein Argument sein, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen auszurufen, lesen wir. Die Verwirrung über die Änderungen bei den öffentlichen Medien sei nicht das einzige Problem, mit dem die neue Regierung konfrontiert ist.

Nach dem Veto des Präsidenten gegen den Finanzrahmen sei die Situation im Lager der siegreichen Koalition nämlich deutlich komplizierter, fährt das Blatt fort. Der Ministerrat sei verpflichtet, dem Präsidenten den Haushalt bis zum 29. Januar zur Unterschrift vorzulegen. Sollte er dies nicht tun, bestehe die Möglichkeit, dass der Staatschef das Parlament ebenfalls auflöst und Neuwahlen ausruft, schreibt die Gazeta Wyborcza.

Wie Journalisten der Tageszeitung feststellen, hoffe die PiS-Partei somit eine Krise in der Regierung von Donald Tusk zu provozieren. Diese käme zustande, sollten die Gelder für die öffentlichen Medien aus dem Gesetz für den Finanzrahmen, gegen das Andrzej Duda sein Veto einlegen kann, in das Haushaltsgesetz verschoben werden. Dagegen könne der Präsident dann kein Veto mehr einlegen. Das bedeute jedoch auch wiederum nicht, dass er es unterschreiben müsste. Die Aufnahme von 3 Mrd. Zloty für die öffentlichen Medien in das Haushaltsgesetz werde nämlich von der nationalkonservativen Opposition, aus deren Lager Duda komme, entschieden abgelehnt.

Die Gazeta Wyborcza fährt fort, dass PiS-Politiker davon überzeugt seien, dass der Haushalt, sobald er dem von ihnen kontrollierten Verfassungsgericht vorgelegt wird, definitiv für verfassungswidrig erklärt werde. Wie ein ehemaliger Mitarbeiter des Finanzministeriums gegenüber der Zeitung am Schluss erklärt, sei es schwer zu sagen, was dann passieren wird. So etwas habe es in Polens Geschichte nämlich noch nie gegeben. In Polens Verfassung herrsche für den Fall einer solchen Situation eine Gesetzeslücke, lesen wir in der Gazeta Wyborcza.


Gazeta Polska Codziennie: Das Bachmann-Szenario

Das oppositionsnahe und nationalkonservative Tagesblatt GPC schreibt indes, dass nur wenige Menschen die aktuellen Geschehnisse in der polnischen Politik vorausgesehen hätten. Am nächsten an der Wahrheit sei Professor Klaus Bachmann gewesen. Ein deutscher Journalist und Politikwissenschaftler, der in Polen lebt, schreibt Michał Kuź in einem Kommentar zu der Medienkrise im Land.

Bachmann habe das allgemeine Konzept der Übernahme der Institutionen durch die Regierung von Donald Tusk treffend beschrieben, heißt es. Seine Vision habe er in zwei in der Berliner Zeitung veröffentlichten Artikeln dargelegt. Seine angeblichen Worte über die undemokratischen und außerrechtlichen Methoden, die angeblich zur Wiederherstellung der Demokratie notwendig seien, als auch über den Druck auf den Präsidenten und die Einschüchterung hätten sich als prophetisch erwiesen.

Vielleicht werde das Vorgehen der neuen Regierung unter Donlad Tusk gerade als „Bachmann-Szenario" in die Geschichte eingehen, so Kuź. Nur wie wird es weitergehen? Es sei durchaus möglich, dass das Mandat des Präsidenten letztendlich von der neuen Regierung in Frage gestellt werden könnte. Das wiederum könnte dem Autor nach, zu völlig unvorhersehbaren Folgen führen, die Polens westlichen Nachbarn wahrscheinlich gar nicht wollen. Sie müssten dann nämlich ihre Unterstützung für die Destabilisierung eines Landes erklären, das dennoch seine Bedeutung in der NATO-Sicherheitsarchitektur und der europäischen Wirtschaft hat. Von einer solchen Art der „Demokratisierung" Polens könnten sie letztendlich aber nur, wie beispielsweise die Amerikaner von der „Demokratisierung" Libyens und Afghanistans profitieren, lautet Kużs Fazit.


Autor: Piotr Siemiński