Deutsche Redaktion

Ein Land, zwei Rechtsordnungen

10.01.2024 09:39
Worum geht es im Fall Wąsik-Kamiński wirklich? 
Presseschau
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DO RZECZY: Zwei Rechtsordnungen  

Die Wochenzeitschrift Do Rzeczy stellt einem Experten diese Frage, die sich sehr viele Polen in den letzten Tagen auch stellen: Worum geht es im Fall Wąsik-Kamiński wirklich? Es wurden bereits zahlreiche unterschiedliche Aussagen und Stellungnahmen gehört, sodass der Überblick leicht verloren gehen kann. Nach Ansicht des Juristen Dr. Michał Sopiński liegt der Ursprung des Streits darin, dass das Vorrecht des Präsidenten in Form der Begnadigungsbefugnis in Frage gestellt wurde. Historisch betrachtet ging die Doktrin einstimmig davon aus – wie auch vom Verfassungsgericht in einem seiner Urteile betont – dass der Zeitpunkt der Begnadigung vom Präsidenten abhängt. Besonders wenn man den Akt der Gnade historisch als Überbleibsel der Verantwortung des Monarchen betrachtet, Rechtsstreitigkeiten zu schlichten und als Gericht des letzten Wortes zu fungieren.

Der Jurist warnt davor, dass in Polen möglicherweise zwei geltende Rechtsordnungen entstehen könnten. Die aktuelle Regierung wählt eine normative Ordnung, während die Opposition eine andere normative Ordnung bevorzugt. Dies könnte zu purer Anarchie und der Implosion des gesamten Landes führen. Die Tragödie der gegenwärtigen Situation besteht darin, dass das Land tatsächlich zerstört wird, samt allen Autoritäten, einschließlich der Autorität des Gesetzes. Heutzutage verbindet man eher die Aussage, dass der Stärkere Recht hat. Carl Schmitts missverstandener Dezisionismus herrscht vor, der besagt, dass der Souverän, also der Herrscher, derjenige ist, der die endgültige Entscheidung trifft und sein Gesetz mit Gewalt durchsetzt. 

SUPER EXPRESS: Die Kulissen der Festnahme zweier Abgeordneten 

Grażyna Ignaczak-Bandych, Leiterin der Kanzlei des Präsidenten, informierte die Medien über den Ablauf der Festnahme von Mariusz Kamiński und Maciej Wąsik durch die Polizei im Präsidentenpalast. Am Dienstagabend wurden die beiden PiS-Politiker festgenommen und ins Gefängnis gebracht. Ignaczak-Bandych berichtete, dass die Beamten keine Dokumente vorgelegt hätten und die Festnahme direkt vor dem Büro von Andrzej Duda stattgefunden habe. Sie kritisierte außerdem die unhöfliche Vorgehensweise der Polizei.

Ignaczak-Bandych betonte, dass Maciej Wąsik und Mariusz Kamiński Gäste von Präsident Andrzej Duda waren. Nach ihrer Rückkehr aus dem Belvedere sollte der Präsident mit den Abgeordneten sprechen. In diesem Moment betrat die Polizei den Präsidentenpalast, ohne Unterlagen vorzulegen, und nahm einfach die Gäste des Präsidenten fest. Mitarbeiter der Kanzlei des Präsidenten leisteten keinen Widerstand gegenüber den Polizeibeamten, so Ignaczak-Bandych gegenüber Super Express. Während des Vorfalls befand sich das Staatsoberhaupt nicht im Präsidentenpalast, sondern traf sich im Belvedere mit der belarussischen Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja. 

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Sieg der Gerechtigkeit vs. Polizeistaat 

Das Warschauer Polizeipräsidium bestätigte am Dienstagabend die Festnahme von Mariusz Kamiński und Maciej Wąsik, die sich im Präsidentenpalast aufhielten, wie von der Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna berichtet wird. Borys Budka von der Bürgerplattform äußerte, dass die Ära von Kaczyńskis Tierfarm zu Ende gehe. Ab heute seien vor dem Gesetz alle wieder gleich. Keine Ausnahmen, betonte der Politiker. Außenminister Radosław Sikorski schrieb hingegen, dass die festgenommenen Politiker nun das Recht und die Gerechtigkeit erfahren hätten. Dies solle eine Warnung an Politiker für die nächste Generation sein, damit niemand es wage, Provokation und Überwachung in Parteirivalitäten einzusetzen.

Politiker der oppositionellen Partei Recht und Gerechtigkeit verbergen ihre Empörung nicht. Die Abgeordneten Kamiński und Wąsik seien begnadigt worden und hätten immer noch parlamentarische Mandate inne. Dies sei eine Tatsache, und die jetzige Regierungskoalition werde sich früher oder später für ihre illegalen Handlungen verantworten müssen, sagte der Vorsitzende des PiS-Clubs, Mariusz Błaszczak.

 

Autor: Jakub Kukla