Deutsche Redaktion

Warum waren keine führenden deutschen Politiker bei den Gedenkfeiern in Polen anwesend?

03.09.2024 13:33
Möglicherweise aufgrund von Spannungen über die Nord-Stream-Explosion. Außerdem geht es um polnische Charakterzüge und Wladimir Putin, der statt mit Handschellen mit einem roten Teppich in der Mongolei begrüßt wurde.
Wie auch in den vergangenen Jahren haben heute in den frhen Morgenstunden die Feierlichkeiten auf der Westerplatte begonnen.
Wie auch in den vergangenen Jahren haben heute in den frühen Morgenstunden die Feierlichkeiten auf der Westerplatte begonnen. Konoplytska/Shutterstock

Fakt: Warum waren wichtige deutsche Politiker auf der Westerplatte nicht anwesend?

Am 1. September, dem 85. Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs, waren keine führenden deutschen Politiker bei den Gedenkfeiern in Polen anwesend. Der Historiker und Germanist Professor Arkadiusz Stempin äußerte in einem Interview mit dem Boulevardblatt Fakt, dass die Ursache für diese Entscheidung möglicherweise der Streit zwischen Berlin und Warschau über die Untersuchung der Nord-Stream-Explosion sein könnte. Deutsche Ermittler vermuten, dass ein ukrainischer Staatsbürger direkt an der Sprengung der Gasleitung beteiligt war. Nach Stempins Einschätzung könnten die polnischen Behörden ein Auge zugedrückt haben, als der Hauptverdächtige das Land verließ.

Lediglich Dietmar Nietan, der Bevollmächtigte des Auswärtigen Amts für die Zusammenarbeit mit Polen, nahm an den Feierlichkeiten teil. In Wieluń war hingegen der stellvertretende deutsche Botschafter in Polen, Robert Rohde, anwesend. Bereits am 29. August berichtete die Süddeutsche Zeitung, dass die Regierungen Berlins und Warschaus den 85. Jahrestag des deutschen Überfalls auf Polen nicht gemeinsam feiern würden, obwohl die beiden Länder seit dem Amtsantritt von Ministerpräsident Tusk wieder näher zusammengerückt seien. Laut der Zeitung sei auch die Reparationsfrage ein Problem auf der polnisch-deutschen Agenda, so Fakt.

Professor Stempin erklärt weiter, dass die wichtigsten Medien in Deutschland zwar über das Gedenken an den 1. September berichten, das Datum jedoch im deutschen Bewusstsein nicht so stark verankert sei wie in Polen, wenn es um die Geschichte des Zweiten Weltkriegs gehe. Die Anwesenheit hochrangiger deutscher Beamter spiegle gewöhnlich die Sensibilität für schwierige historische Themen wider, übertrage sich jedoch nicht auf die Wahrnehmung des 1. September durch die Deutschen. Zudem seien viele Deutsche noch im Urlaub.

Abschließend erläutert Stempin, dass der Jahrestag der Aggression gegen die UdSSR 1941 sowie des gescheiterten Attentats auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944 für die Deutschen von größerer Bedeutung sei als der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und der Überfall auf Polen.

Rzeczpospolita: Die Polen sind keineswegs ein Volk von Verlierern, Selbstmördern oder Verrückten

Die Behauptung, die Polen würden nichts lernen und immer erst im Nachhinein klug werden, gehöre zu den Argumenten, die Polens nationale Hoffnungslosigkeit entlarven, schreibt der Philosoph und Politologe Marek A. Cichocki in der Rzeczpospolita. Zahlreiche sogenannte politische Realisten in Polen ließen keine Gelegenheit aus, ihre Landsleute auf ihre Fehler und Irrtümer hinzuweisen.

Laut Cichocki bieten jedoch die beiden wichtigsten Jahrestage der polnischen Geschichte des 20. Jahrhunderts – der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und der August in Gdańsk – Anlass zu der Überlegung, ob diese Einschätzung der Realisten nicht einfach primitiv und einseitig sei. Zum Gesamtbild der geschichtlichen Erfahrungen der Polen im 20. Jahrhundert müsse man nämlich die Entstehung der Zweiten und Dritten Republik hinzufügen. Erst dann könne man bewerten, ob Polen wirklich eine so hoffnungslose und törichte Nation sei.

Natürlich, so Cichocki, sollten die vielen Mängel und Schwächen des heutigen polnischen Staates und der polnischen Politik kritisch betrachtet werden. Besonders jene Phänomene, die langfristig zur Erosion des Systems und zur Zerstörung der polnischen Identität führen könnten. Doch nicht zu erkennen, dass die Existenz des heutigen Polens trotz alledem ein Beweis dafür ist, dass die Polen keineswegs ein Volk von Verlierern, Selbstmördern oder Verrückten sind, sei eher ein Beispiel für eigene Blindheit oder extreme Selbstüberschätzung.

Cichockis Ratschlag lautet daher, ohne rituelle Vorurteile und im Einklang mit der Realität die tatsächlichen Errungenschaften zu betrachten. Seiner Meinung nach seien diese die Quelle von Stolz, Selbstachtung und Selbstvertrauen. Und nur diese Werte könnten den Polen die nötige Kraft geben, um allen zukünftigen Gefahren zu begegnen, schließt der Artikel in der Rzeczpospolita.

 

Business Insider: Putin in der Mongolei – Statt Festnahme eine ehrenvolle Begrüßung mit rotem Teppich

Der russische Präsident Wladimir Putin scheint der internationale Haftbefehl gegen ihn ebenso wenig zu kümmern wie seinen mongolischen Amtskollegen, berichtet das Nachrichtenportal Business Insider Polska. Putins Besuch am Montag und die ehrenvolle Begrüßung in der Mongolei seien Teil einer wichtigen Mission zur Unterstützung der russischen Kriegswirtschaft, so das Portal weiter.

Trotz der Forderungen der Ukraine nach seiner Festnahme, basierend auf einem Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs aus dem vergangenen Jahr, geht es Putin weiterhin gut. Offizielle Fotos der Begrüßungszeremonie in Ulan-Bator belegen dies. Anstelle von Polizei und Handschellen gab es am Flughafen einen roten Teppich. Der Kreml wies die Vorwürfe gegen Putin zurück und bezeichnete sie als politisch motiviert. Er habe keine Angst vor einer möglichen Inhaftierung des Diktators. Das Portal erinnert daran, dass der Haftbefehl 124 Mitgliedsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofs verpflichtet, seine Entscheidungen zu befolgen, einschließlich der Mongolei.

Laut Business Insider verfolgt der russische Präsident mit seinem Besuch in der Mongolei ein konkretes Ziel. Russland verhandelt seit Jahren über den Bau einer Gaspipeline, die jährlich 50 Milliarden Kubikmeter Erdgas aus der Jamal-Region durch die Mongolei nach China transportieren soll. Dieses Projekt ist Teil der russischen Strategie, den Verlust der meisten Gasverkäufe in Europa seit Beginn des Krieges auszugleichen. Die geplante Pipeline „Kraft Sibiriens“ soll die bestehende gleichnamige Gaspipeline ersetzen, die bereits russisches Gas nach China liefert, so das Online-Blatt abschließend.


Autor: Piotr Siemiński