Rzeczpospolita: Hisbollah kopflos. Wie geht’s weiter mit der Region?
Der Tod von Hisbollah-Chef Nasrallah und zahlreicher weiterer Kommandeure der Miliz ist auch in Polen ein wichtiges Thema der Pressekommentare. Die Hisbollah ist kopflos. Das bedeutet aber nicht, dass ihr Arsenal an Raketen und Drohnen verschwunden ist und dass es niemanden gibt, der sie in Richtung Israel schicken kann, auch nicht in zentrale, dicht besiedelte Gebiete, schreibt dazu der Publizist der Rzeczpospolita, Jerzy Haszczyński. Die Hisbollah, so der Autor, bestehe immer noch aus Zehntausenden von Kämpfern und sei auch die wichtigste politische Organisation der Schiiten, die ein Drittel der 5,5 Millionen Einwohner des Libanon ausmachen. Und der Wiederaufbau der Führung habe wohl bereits begonnen. Langfristig könne dies für Israel zu einem Problem werden. Die neuen Anführer der israelfeindlichen Organisationen seien tendenziell radikaler und entschlossener - das habe bereits das Beispiel der Hamas und des Gazastreifens gezeigt. Viel hänge nun davon ab, ob sich der Iran ernsthaft in den Krieg einschaltet und die USA zu ähnlichen Maßnahmen zwingt. Dies würde auf Kosten der Ukraine geschehen; denn dieser für uns wichtige Krieg werde in den Hintergrund treten. Ein umfassender Krieg im Nahen Osten hätte auch an andere Folgen für uns und für Europa - einschließlich einer neuen Flüchtlingswelle.
Dziennik/Gazeta Prawna: Keine Zeit für Deeskalation
Obwohl die Hisbollah der Augapfel der Ayatollahs ist, gebe es jedoch kaum Anzeichen dafür, dass sie bereit sind, gegen Israel in den Kampf zu ziehen, urteilt die Publizistin des Wirtschaftsblatts Dziennik/Gazeta Prawna Karolina Wójcicka. In der iranischen Regierung, so die Autorin, herrsche keine Einigkeit darüber, wie auf die Ermordung Nasrallahs reagiert werden sollte. Die Konservativen würden für harte Vergeltungsmaßnahmen plädieren, während gemäßigte Politiker, allen voran der neue Präsident Masoud Peshkian, zur Zurückhaltung aufrufen. Und der Oberste Führer der Islamischen Republik, Ali Khamenei, neige dazu, sich der Meinung der letzteren anzuschließen. Anstatt Israel nach der Ermordung eines wichtigen Verbündeten anzugreifen, habe er zwei knappe Erklärungen abgegeben, in denen er Nasrallah als eine führende Persönlichkeit in der muslimischen Welt bezeichnete. Er habe betont, dass der Iran die Hisbollah unterstützen werde, aber gleichzeitig auch signalisiert, dass nicht der Iran, sondern die libanesische Miliz eine Antwort geben werde. Teheran solle nur eine unterstützende Rolle spielen.
Auch auf der UN-Generalversammlung habe der Iran westlichen Diplomaten deutlich signalisiert, dass er keine Eskalation wolle. Einige in Teheran seien der Meinung, dass sie ihren Feind nicht daran hindern sollten, Fehler zu machen. Denn sie argumentieren, dass Netanjahu zum Zusammenbruch der Stellung des jüdischen Staates in der Welt geführt und die Entstehung eines palästinensischen Staates unausweichlich gemacht hat. Nun aber müssen sie einen Nachfolger für Nasrallah finden, der die Miliz nach den Schlägen Israels wieder aufbaut, so Karolina Wójcicka in Dziennik/Gazeta Prawna.
Rzeczpospolita: Via Baltica Jahre in Verzug
Am Montag wird in Polen der letzte fehlende Abschnitt der Via Baltica eröffnet – die 13 km lange Umgehungsstraße von Łomża. Damit ist der polnische Teil der strategisch wichtigen Strecke von Warschau nach Helsinki, die für die Verteidigung der östlichen NATO-Flanke von entscheidender Bedeutung ist, komplett fertiggestellt. Autofahrer können nun in etwa drei Stunden von der polnischen Hauptstadt bis zur litauischen Grenze gelangen. In den baltischen Staaten hingegen wird die Fertigstellung der Via Baltica noch Jahre dauern, schreibt im Aufmacher der konservativ-liberalen Rzeczpospolita der Publizist Jędrzej Bielecki.
Obwohl, so der Autor, die litauische Regierung versichere, dass ihr 270 km langer Abschnitt bis 2030 fertiggestellt sein wird, seien viele skeptisch. In Lettland sei der Fortschritt noch langsamer. Der Zustand der Straßen sei schlecht, und es gebe erhebliche Verzögerungen beim Ausbau. Und in Estland seien von den geplanten 190 km Autobahn erst etwas mehr als ein Fünftel realisiert worden, wie Priit Sauk, Leiter der estnischen Straßenverwaltung, berichtet.
Trotz höherer EU-Fördermittel pro Kopf als Polen, lesen wir weiter, würden die baltischen Staaten auf ihr geringeres finanzielles Potenzial als Erklärung für die Verzögerungen verweisen. Insider würden jedoch darauf hinweisen, dass bis zur russischen Invasion in der Ukraine 2022 und der anschließenden Unterbrechung des Handels mit Russland und Belarus die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit diesen Ländern oft Priorität hatte. Nun, da der Verkehr von Lastwagen auf den engen Straßen nach Süden zunehme, würden die Mängel im Straßennetz deutlich zutage treten.
Wie der Autor betont, sei die Fertigstellung der Via Baltica von großer strategischer Bedeutung, insbesondere für die schnelle Verlegung von NATO-Truppen und -Ausrüstung in die baltischen Staaten im Falle einer Bedrohung. Die schlechte Straßeninfrastruktur könnte die Verteidigungsfähigkeit der Region erheblich beeinträchtigen. Und beim Projekt Rail Baltica, einer schnellen Eisenbahnverbindung zwischen Helsinki und Warschau, seien die Herausforderungen noch größer. Die Fertigstellung der ersten Phase werde aufgrund steigender Baukosten und ineffizientem Management mit mindestens fünf Jahren Verzögerung erwartet, schreibt Jędrzej Bielecki in der Rzeczpospolita.
Und der Chefredakteur des Blattes, Bogusław Chrabota ärgert sich in seiner Stellungnahme: “Woher diese Verantwortungslosigkeit?” Ein Blick auf die Karte genüge doch, um zu verstehen, wie enorm wichtig diese Verbindung aus wirtschaftlichen und verteidigungstechnischen Gründen sei. Ihre Bedeutung für den Bedarf einer schnellen Truppenverlegung sei absolut grundlegend. Warum werde also ihr Bau vernachlässigt? Verantwortungslosigkeit oder Sabotage? Vielleicht sei es an der Zeit, den befreundeten Hauptstädten einen Weckruf zu senden und den Bau der Via Baltica entschlossener zu fordern? Schließlich geht es um die gemeinsame Sicherheit, und das sollte in jeder Hauptstadt verstanden werden, so Boguslaw Chrabota in der Rzeczpospolita.
Dziennik/Gazeta Prawna: Oberster Gerichtshof: Barski ist Landesstaatsanwalt
Und noch ein Thema zur Justizreform, das uns in den nächsten Monaten wohl noch regelmäßig beschäftigen dürfte. Der Oberste Gerichtshof habe entschieden, dass der vom neuen Justizminister Adam Bodnar abgesetzte Dariusz Barski ordnungsgemäß in das Amt des Staatsanwalts berufen wurde, berichtet Dziennik/Gazeta Prawna. Dies würde bedeuten, dass der von Bodnar eingesetzte Nachfolger Dariusz Korneluk diese Funktion nicht ausüben kann. Justizminister Adam Bodnar, so das Blatt, erkenne die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom Freitag jedoch nicht als Beschluss an und bezeichne sie als "die Position von drei Neo-Richtern". Die "alten" Richter seien ähnlicher Meinung und hätten bereits angekündigt, dass sie den Beschluss des Obersten Gerichtshofs nicht berücksichtigen werden. - Das Ergebnis wird eine Vertiefung des rechtlichen Chaos sein - warnt Rechtsanwalt Marcin Wolny von der Helsinki Foundation for Human Rights im Gespräch mit Dziennik/Gazeta Prawna.
Autor: Adam de Nisau