Deutsche Redaktion

"Abkommen zwischen Trump und Putin - eine Katastrophe, die die Ukraine nicht verdient"

14.02.2025 11:09
Nach dem Telefonat zwischen Trump und Putin und den Ansagen von US-Verteidigungsminister Peter Hesgeth ziehen viele polnische Publizisten Parallelen zur Sicherheitskonferenz in München 1938. Jerzy Haszczyński sieht Europa an den Rand der Verhandlungen gedrängt. Es gibt aber auch eine optimistischere Lesart der letzten Ereignisse, berichtet Maciej Czarnecki in der Gazeta Wyborcza. Die Einzelheiten in der Presseschau.
Traditionelle russische Matrjoschka-Holzpuppen, die den russischen Prsidenten Wladimir Putin und den US-Prsidenten Donald Trump darstellen, werden in einem Souvenirladen in Moskau, Russland, zum Verkauf angeboten, 13. Februar 2025. Russland hat mit der Vorbereitung einer Verhandlungsgruppe begonnen, die ein Treffen zwischen den Prsidenten Russla
Traditionelle russische Matrjoschka-Holzpuppen, die den russischen Präsidenten Wladimir Putin und den US-Präsidenten Donald Trump darstellen, werden in einem Souvenirladen in Moskau, Russland, zum Verkauf angeboten, 13. Februar 2025. Russland hat mit der Vorbereitung einer Verhandlungsgruppe begonnen, die ein Treffen zwischen den Präsidenten RusslaEPA/MAXIM SHIPENKOV

Rzeczpospolita: Abkommen zwischen Trump und Putin - eine Katastrophe, die die Ukraine nicht verdient

Ein Abkommen zwischen Donald Trump und Wladimir Putin wäre eine Katastrophe, die die Ukraine nicht verdient habe, schreibt Estera Flieger in der konservativ-liberalen Rzeczpospolita. Sie erinnert an die Worte des tschechoslowakischen Außenministers Kamil Krofta nach der Münchner Konferenz 1938: „Ich will nicht kritisieren, aber für uns ist das eine Katastrophe, die wir nicht verdient haben. […] Mit Sicherheit sind wir nicht die Letzten, nach uns kommen die Nächsten.“ Hitler, Mussolini, Chamberlain und Daladier hatten damals ein Abkommen unterzeichnet, das Deutschland erlaubte, einen Teil der Tschechoslowakei zu besetzen.

Die Details des Telefonats zwischen Trump und Putin, so die Autorin, seien zwar nicht bekannt, doch alles deute darauf hin, dass der Vergleich mit der Münchner Konferenz von 1938 gerechtfertigt sei, so Flieger. Sie sei kein Fan leichtfertiger historischer Analogien, doch Westeuropa habe in den letzten Jahren ein Klima geschaffen, das einem „faulen Frieden“ Vorschub leiste.

Als Beispiel führt sie den britischen Film “München: Im Angesicht des Krieges” an, in dem Neville Chamberlain durch das Abkommen den Frieden retten will. Dabei, so Flieger, habe selbst Clemenza in Der Pate gesagt: „Hitler hätte man in München stoppen müssen. Es war klar, dass er Ärger machen würde.“

Sie erinnert daran, dass bereits 1934 der britische Journalist Peter Matthews nach einem Besuch des Konzentrationslagers Dachau feststellte, dass es ihn an Oxford oder Cambridge erinnere – ein Beispiel für die Blindheit des Westens gegenüber den Verbrechen des NS-Regimes. Mit denselben Augen habe der Westen über Jahre hinweg auf Putin geblickt und dabei die romantisierte Erzählung von der „russischen Seele“ gesponnen - was auch immer diese sein möge.

In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre“, schreibe die Julia Boyd, “konnte sich in Großbritannien niemand, der kein Einsiedler, Antisemit oder erklärter Nationalsozialist war, hinter der Unkenntnis der Nazi-Brutalität verstecken.

Im Zeitalter sozialer Medien habe die Welt 2022 das Massaker in Butscha mit eigenen Augen gesehen. „Niemand in Europa, der kein Einsiedler ist, kann sich mit Unwissenheit über die Brutalität Putins herausreden“, schreibt Flieger in der Rzeczpospolita.

Gazeta Wyborcza: Wird Europa den Mut aufbringen, die Ukraine zu verteidigen?

Auch Bartosz Wieliński von der linksliberalen Gazeta Wyborcza zieht Parallelen zur Münchner Sicherheitskonferenz 1938. Und appelliert: Europa braucht nun den Mut, die Ukraine zu verteidigen. Nach den Äußerungen von Pete Hegseth und den enthusiastischen Ankündigungen Donald Trumps, so der Autor, müsse man davon ausgehen, dass sie bereit seien, die Ukraine kampflos Putin zu überlassen. Die Amerikaner würden offenbar glauben, dass eine schnelle Lösung des Ukraine-Problems – ähnlich wie 1938 beim sogenannten „tschechoslowakischen Problem“ – ihnen helfen werde, sich auf China zu konzentrieren. Doch in Wahrheit zeige dies nur die Tiefe ihrer Ignoranz. Die Ukraine aufzugeben, sich von Europa abzuwenden und einen naiven Deal mit Russland zu schließen, würde die USA massiv schwächen. Wenn Putin für seine Aggression nicht bestraft werde, warum sollten dann andere nicht denselben Weg gehen?

"Gorzej niż w Monachium". Radość Rosji, strach Europy Rosyjscy politycy po słowach Trumpa nie kryją radości. W propagandowym stylu winą za wojnę obarczają Ukrainę i "złośliwe europejskie państwa". wyborcza.pl/7,75399,3168...

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— Bartosz T. Wieliński (@bart-wielinski.bsky.social) February 13, 2025 at 1:10 PM

Bei der Münchner Sicherheitskonferenz, fährt Wieliński fort, würden Vizepräsident J.D. Vance, Außenminister Marco Rubio und Trumps Sondergesandter für die Ukraine und Russland, Keith Kellog, Selenskyj und andere europäische Staatschefs von einem Abkommen zu überzeugen versuchen. 1938 sei in München die Zerschlagung der Tschechoslowakei einstimmig beschlossen worden. Doch diesmal könnten die Europäer widersprechen, die Ukraine auf eigene Faust unterstützen und so auch ihre eigene Sicherheit garantieren. Sie hätten das Geld, darunter eingefrorene russische Vermögenswerte, sie hätten die Armeen, sie hätten Atomwaffen. Sie seien klüger als die Amerikaner, da sie wüssten, wohin die Beschwichtigung von Diktatoren führe. Wenn die Ukraine falle, werde Russland weitermachen“. Der diplomatische Rückzug der USA könne für Europa eine Chance sein. An Vorstellungskraft fehlt es nicht. Aber wie steht es um den Mut?, fragt Bartosz Wieliński in der Gazeta Wyborcza. 

Rzeczpospolita: Wechsel am Verhandlungstisch. Trump, Putin der Dritte

US-Präsident Donald Trump will die Zukunft der Ukraine und Europas nicht mit den Europäern, sondern mit Russlands Präsident Wladimir Putin und Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman verhandeln, schreibt indes Jerzy Haszczyński in der konservativ-liberalen "Rzeczpospolita". Dies sei eine geopolitische Zäsur, die Europa an den Rand der Verhandlungen dränge und seine Einflussmöglichkeiten mindere. Denn dies würde bedeuten, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs, darunter Olaf Scholz, Emmanuel Macron oder Donald Tusk, von den Verhandlungstischen ausgeschlossen wären. Europa werde damit zu einem bloßen Nebenschauplatz in der von Trump geplanten geopolitischen Neuordnung des Nahen Ostens.#

Die USA könnten dabei auf saudisches Kapital für große geopolitische Projekte setzen, darunter die Umsiedlung von Millionen Palästinensern und eine Umgestaltung des Gazastreifens unter amerikanischer Kontrolle. Parallel dazu solle Saudi-Arabien die Beziehungen zu Israel normalisieren, was mutmaßlich mit der Aufgabe der Forderung nach einem palästinensischen Staat einherginge.

Haszczyński sieht darin eine besorgniserregende Parallele zu Putins Vorgehen: Grenzverschiebungen, Annexionen und Vertreibungen seien zentrale Elemente dieser neuen geopolitischen Ordnung. "Diese makabere Strategie auf Kosten von Millionen Menschen und unter Missachtung des Völkerrechts ist ein existenzielles Risiko für Europa und unsere Region", resümiert er in der "Rzeczpospolita".

Gazeta Wyborcza: Realismus oder weiße Fahne?

Trotz massiver Kritik an Donald Trump und seinem Pentagon-Chef gebe es auch Stimmen, die in ihren Entscheidungen eine Chance für die Ukraine sehen, schreibt Maciej Czarnecki in der "Gazeta Wyborcza". Der ehemalige US-Botschafter in Polen, Daniel Fried, analysiere in einem Beitrag für den Atlantic Council, dass der Beginn der Ukraine-Strategie der Trump-Regierung zwar Schwächen aufweise, aber nicht so schlecht sei, wie viele befürchtet hätten. Die Einschätzungen von Pentagon-Chef Pete Hegseth seien in weiten Teilen eine realistische Bewertung der Lage gewesen, so Fried.

Hegseth habe nicht angedeutet, dass die USA russische Annexionen anerkennen würden, sondern sich lediglich auf einen Waffenstillstand bezogen. Ebenso habe er nicht ausgeschlossen, dass die Ukraine irgendwann NATO-Mitglied werde, sondern nur klargestellt, dass dies nicht durch Verhandlungen mit Russland geschehen werde. Fried interpretiere dies als eine Selbstverständlichkeit, da der Kreml sich einem solchen Szenario nicht anschließen würde. Zudem habe Washington bereits seit längerem signalisiert, keine US-Truppen in die Ukraine zu entsenden und ein stärkeres europäisches Engagement zu erwarten. Fried halte es aber für möglich, dass Hegseths Aussagen eine militärische Unterstützung aus der Luft im Falle eines russischen Angriffs auf europäische Kräfte nicht ausschließen.

Eine ähnliche Hoffnung habe auch der ehemalige US-Botschafter in der Ukraine, William Taylor, in der "Washington Post" geäußert. Er verweise darauf, dass Hegseth weiterhin nachrichtendienstliche, logistische und Luftunterstützung in Aussicht gestellt habe. Der Journalist David Ignatius hebt zudem hervor, dass Hegseth das Ziel einer souveränen und wohlhabenden Ukraine betont habe. CNN argumentiert, dass Trump durch seine frühen Zugeständnisse Kiew Verhandlungsmasse gegenüber Moskau genommen habe. Andererseits gesteht der Sender ein, dass Hegseths Einschätzungen der Realität entsprächen: Niemand in den USA oder Europa habe ernsthaft erwartet, zu den Grenzen von 2014 zurückkehren zu können.

Die Aussagen von Trump und Hegseth passen in die bekannte "America First"-Doktrin, so der Autor. Doch warum gebe Trump bereits vor Verhandlungen preis, worauf er zu verzichten bereit sei? Möglicherweise wolle er lediglich ein klares Signal für einen Neuanfang setzen. Trump habe wiederholt bekräftigt, mit Putin sprechen zu wollen, und sehe den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in einer Position, die ihn zu Verhandlungen zwinge.

Rozmowa telefoniczna Donalda Trumpa i Władimira Putina oraz brutalne deklaracje szefa Pentagonu Pete'a Hegsetha wywołały lawinę komentarzy o kapitulacji Białego Domu względem Kremla. @maciasczarnecki.bsky.social #wyborcza wyborcza.pl/7,75399,3168...

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— Gazeta Wyborcza (@wyborcza.pl) February 13, 2025 at 1:25 PM

Gleichzeitig sei unklar, ob Trump tatsächlich allein auf Diplomatie setze oder ob er auch Druckmittel bereithalte. Direkt nach seiner Amtseinführung habe er Russland mit neuen Sanktionen gedroht, falls es sich nicht an Friedensgesprächen beteilige. Auch Hegseth sprach von einer "effektiveren Durchsetzung von Energiesanktionen", die in Kombination mit einer gesteigerten US-Energieproduktion Putin zum Einlenken bringen sollten. Zudem widmete sich Trump zuletzt intensiv einem Abkommen mit der Ukraine über seltene Erden im Austausch für weitere Hilfe.

Hätte er wirklich vorgehabt, die Ukraine an Putin auszuliefern, also vollständig zu kapitulieren, hätte er dann solche Pläne in die Welt gesetzt? Das Problem sei, dass der Russe nur zu seinen eigenen Bedingungen reden will. Und die Signale von Trumps Seite würden ihn offenbar nur ermutigen. Im Kommuniqué des Kremls heiße es, Putin habe „die Notwendigkeit erwähnt, die Ursachen des Konflikts anzugehen“ – d. h. nicht nur die Frontlinie einzufrieren, sondern die gesamte Ukraine, vielleicht auch die Ostflanke der NATO. Das rieche nach einem neuen Jalta. Deshalb hätten die Ukrainer auch zunehmend Angst, dass Trump über ihre Köpfe hinweg einen Deal mit Putin abschließen wird. „Nichts über die Ukraine ohne die Ukraine und über Europa ohne Europa“, erklärte der Leiter der ukrainischen Diplomatie, Andriy Sybiha, in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview mit der französischen Tageszeitung Le Monde.

Autor: Adam de Nisau


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