Gazeta Wyborcza: Lehrer verdienen in Deutschland dazu
Zehn Monate lang unterrichten sie an der Schule und in den Ferien kümmern sie sich um Senioren westlich der Oder. Die linksliberale Gazeta Wyborcza veröffentlicht in der aktuellen Ausgabe ein Gespräch mit Lehrerinnen, die in der Sommerpause ihr Budget in Deutschland aufbessern. Wie sie ihren Urlaub verbringen werde, fragt die Zeitung eine der Protagonistinnen. “Ich fahre nach Bayern. Seit einigen Jahren arbeite ich mit einer Firma zusammen, die in Polen Betreuer für kranke deutsche Rentner sucht. Für deren Kinder lohnt es sich mehr, Migranten anzuheuern, als die Eltern in Altersheimen unterzubringen. Wenn die Familie meinen Antrag akzeptiert, muss ich noch eine Deutschprüfung bestehen. Ein paar Wochen vor der Reise schaue ich daher deutsche TV-Serien und lese auf Deutsch. Den Rest schleife ich dann vor Ort - meistens treffe ich auf sehr freundliche Menschen. Ich erzähle ihnen, wie es sich in Polen lebt, sie mir über den Alltag in Deutschland. Von meinem Gehalt könnte ich mir nie einen Erholungsurlaub leisten.”
Nach fast dreißig Jahren an der Schule, erzählt die Lehrerin weiter, verdiene Sie knapp 3.000 Złoty monatlich (etwa 750 Euro). In Deutschland erhalte sie für fünf Monate Arbeit 2.000 Euro auf die Hand. Ein paar Mal habe sie sich auch um emeritierte Lehrer gekümmert. Sie seien überrascht gewesen. Denn wie sei das möglich - ein Lehrer mit Hochschulabschluss muss ins Ausland fahren um dazuzuverdienen?
Dabei seien die polnischen Pfleger oft Lehrerinnen - Polonistinnen, Germanistinnen, Anglistinnen. Sie würden nach Deutschland fahren, da sie ein Auto kaufen, ihre Wohnung renovieren oder einen Kredit abbezahlen wollen. Von ihrer ersten Reise habe sie etwa ihr Badezimmer renoviert. Und die Gespräche würden sich oft rund um notwendige Änderungen im polnischen Schulwesen drehen. In ihrer Schule würden nur zwei Lehrerinnen auf einer Vollzeitstelle arbeiten, deren Männer gut verdienen würden. Alle anderen würden eigene Unternehmen führen oder durch Zusatzunterricht, beziehungsweise in anderen Schulen dazuverdienen. So stehe einer ihrer Kollegen etwa morgens an der Tafel und unterrichte nachmittags an einer Fahrschule. Eine andere Freundin arbeite nach der Schule in einem Einkaufszentrum.
Sie selbst würde offen über ihre Zusatzarbeit in Deutschland sprechen. In diesem Jahr würde Sie mit zwei Putzfrauen aus ihrer Schule nach Bayern fahren. Und mit zwei jüngeren Lehrerinnen aus der Umgebung, die ihre Ausflüge nach Deutschland geheim halten würden. Sie verstehe ihre Scham. Ein Vizedirektor aus ihrer Schule, nebenbei gesagt ein ehemaliger Schüler, habe ihr mal gesagt, dass sie, wenn ihr etwas nicht passe, Urlaub nehmen und für das ganze Jahr nach Deutschland fahren könne. Ob es geschmerzt habe? Eher enttäuscht. Nicht das habe sie ihm im Unterricht beizubringen versucht, so die Lehrerin im Interview mit Gazeta Wyborcza.
Rzeczpospolita: Kleine Zentren, große Verluste
Der größte Verlierer des von der Regierung eingeführten Handelsverbots am Sonntag sind kleine Einkaufszentren, berichtet in der aktuellen Ausgabe die konservative Tageszeitung Rzeczpospolita. Während die Umsätze der größten Einkaufszentren weiterhin steigen würden, die Verluste der mittelgroßen nur marginal seien, seien die Umsätze von kleinen Einkaufszentren im vergangenen Jahr um 7,4 Prozent und die Zahl der Kunden um 4,8 Prozent gesunken. Grund dafür sei unter anderem die Tatsache, dass die größten Einkaufszentren über ein reiches Unterhaltungsangebot verfügen - von Restaurants bis hin zu Kinos mit Kinderspielsälen, die alle auch an Sonntagen geöffnet sein können. Kleine Zentren hätten diese Möglichkeit nicht. Damit würden, wie Kommentatorin Aneta Gawrońska schreibt, die Einschränkungen im Handel, die kleinen Geschäften helfen sollten, zu ihrem Nagel zum Sarg. Denn kleine, lokale Produzenten könnten es sich nicht leisten, einen Verkaufsstand in einem großen Einkaufszentrum zu mieten. Und kleine Einkaufszentren, die kein Unterhaltungsangebot hätten, seien an Sonntagen wie ausgestorben. Keiner werde dort einkaufen gehen. Auch wenn der Produzent persönlich auf seinem Stand die besten polnischen Produkte verkaufen würde. Daher würden viele kleine Unternehmer die Änderungen nicht überleben. Bei Gesetzesänderungen, so Gawrońska, sei Weitsicht gefragt. Und das sei wohl nicht das Resultat, das die Regierung mit den Änderungen erreichen wollte.
Wie das Blatt erinnert, werde das Verbot ab Januar 2020 auf alle Sonntage ausgeweitet, die Geschäfte werden dann nur an Sonntagen vor Feiertagen öffnen dürfen. Das sei mit neuen Herausforderungen für die Geschäfte verbunden, gefalle aber auch den meisten Polen nicht, die lieber zwei Handelssonntage im Monat behalten würden.
Rzeczpospolita: Europarat verzeiht Russland die Krim
Eine überwältigende Mehrheit der Abgeordneten der parlamentarischen Versammlung des Europarates hat die Abschaffung der Sanktionen für Russland für die Besetzung der Krim befürwortet, lesen wir ebenfalls in der Rzeczpospolita. Einen Monat zuvor hatte eine andere Organisation derselben Institution - das Minister-Komitee - eine ähnliche Entscheidung getroffen. Auch die polnische Regierung habe bei dieser Abstimmung für den Verzicht auf Sanktionen gestimmt, in der Hoffnung auf die Unterstützung des Europarates in solchen delikaten Angelegenheiten, wie die Rückgabe des Tupolew-Wracks an Polen. Am Dienstag hätten die polnischen Abgeordneten (außer einem) aber gegen Moskau gestimmt. Ohne Erfolg, denn fast alle Deputierten aus den westeuropäischen Ländern hätten sich zu Gunsten Russlands ausgesprochen. Noch am selben Tag habe sich Fankreichs Premierminister Edouard Philippe mit Dmitirij Medwedew getroffen. “Der Europarat ist durch die Entscheidungen gestärkt, da beide Institutionen genauso gestimmt hätten” - sagt im Interview mit der Rzeczpospolita der Sprecher des Europarates Daniel Holtgen. “Das ist keine Diplomatie, sondern eine Kompromittierung des Europarates” - entgegnet in seinem Kommentar für das Blatt der Vertreter der Ukraine im Europarat Dmytro Kuleba.
Autor: Adam de Nisau