Deutsche Redaktion

Verdorbene Politiker sind wie Zecken

06.08.2019 12:40
Wichtiges Thema in der polnischen Presse ist heute nach wie vor der Skandal um die Flüge des Sejmmarschalls Marek Kuchciński. Es fehlt aber auch nicht an Kommentaren zur Sozial- und Geschichtspolitik der Regierung. 
Pressespiegel
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DGP: Verdorbene Politiker sind wie Zecken

Umfragen nach erklären Polen generell ihre Abneigung gegenüber Politikern, schreibt heute die Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna (DGP) in einem Kommentar zum Skandal um die Privatflüge des Sejmmarschalls mit Regierungsflugzeugen. Seltsam sei jedoch, dass Polen gleichzeitig es vermeiden unbeliebte Politiker bei den Wahlen abzuwählen. Auf diese Weise, überzeugt das Blatt, hören die Wähler auf, das größte Privileg eines demokratischen Staates zu nutzen, nämlich das Recht, Politiker aus der Politik zu entfernen. Wenn Wähler nicht regelmäßig Politiker umzingeln, beginnen diese schnell zu verderben. Ein gebrochener Politiker, der keine Bremsen hat, sei nämlich für den Staat wie eine Zecke und sauge den Gewinn der gesamten Nation ab.

Dank Medien höre man in Polen nur zu oft Informationen über Gratis-Flüge von Spitzenpolitikern verschiedener Parteien, unnötige Dienstreisen auf Kosten des Steuerzahlers in exotische Orte, Regierungsfahrzeuge für den eigenen Gebrauch oder lukrative Posten für Verwandte und Freunde. Leider seien polnische Wähler in einem Zweiparteiensystem eingeschlossen und die Anführer der beiden Hauptparteien entscheiden, wer in das polnische Parlament treffe, ungeachtet seiner Tugend. Den einzigen Ausweg aus diesem Teufelskreis, rät das Blatt, sei die ersten Plätze auf den Wahllisten zu ignorieren. Somit würde die gesamte Spitze jeder Partei außerhalb des Parlaments bleiben. Irgendwo in der Mitte gäbe es nämlich anonyme Kandidaten, die oft wertvolle Personen seien, aber aufgrund fehlendem Wagemuts oder übermäßiger Skrupel keine große politische Karriere machen. Erst nach solch einer spektakulären Niederlage prominenter Parteigesichter, lautet die Schlussfolgerung der Zeitung, würde jeder führende Politiker zweimal nachdenken, bevor er sich für Korruption entscheidet.

Forsal: PiS will keine egalitäre Gesellschaft

Das Wirtschaftsportal Forsal schreibt indessen über die wahre Ausrichtung der Sozialpolitik der Regierungspartei. Polen assoziieren die Regierung immer häufiger mit Sozialisten oder sogar der Linken. Unter den potenziellen Wählern entstehe die Vision, dass die PiS wie die alte, gute Sozialdemokratie sei. Dieser Anschein sei jedoch trügend, zumal die Regierungspartei keine sozialdemokratische Politik betreibe.

Ihre weitreichende soziale Umverteilung, überzeugt das Online-Blatt, bestehe nicht darin, ein egalitäres Land der Werktätigen an der Weichsel zu schaffen, sondern eine Gesellschaft nach einem konservativen Muster aufzubauen. Während der PiS-Regierung wurden zwar die Einkommens-unterschiede seit dem letzten Jahrhundert deutlich auf das niedrigste Niveau gesenkt und die extreme Armut nahm in nur zwei Jahren um ein Drittel ab. Zweifellos sei dies der Verdienst des Sozialprogramms 500+, was das größte Umverteilungsprogramm in der Geschichte der Dritten Polnischen Republik sei. Diese große Umverteilung richte sich jedoch fast ausschließlich an Familien mit Kindern, bemerkt Forsal, die die Nutznießer der PiS-Politik geworden seien. Zur gleichen Zeit sei nämlich das Ausmaß der extremen Armut in Haushalten, die nicht durch Sozialprogramme der Regierung abgedeckt sind, praktisch unverändert geblieben.

Die Partei von Jarosław Kaczyński verfolgt daher eine Politik mit konservativem Geist und nutzt die Umverteilung lediglich als Instrument dazu, lautet das Fazit des Wirtschaftsportals.

DoRzeczy: Wo bleibt die Rechnung für Kriegsschäden?

Das konservative Wochenblatt befasst sich mit der Reparationsfrage für Kriegsschäden aus dem Zweiten Weltkrieg. Łukasz Warzecha schreibt, dass die Grundlage für eine Entschädigungsmaßnahme in erster Linie eine professionelle und zuverlässige Zusammenfassung der Verluste sein sollte. In der Zwischenzeit, bemerkt er, wird der Bericht über die polnischen Kriegsverluste in dieser Wahlperiode noch immer nicht veröffentlicht werden. Warzecha nach benutze der Verantwortliche für den Endbericht zu den Verlusten, der PiS-Abgeordnete Arkadiusz Mularczyk, das Thema einzig und allein für seine politische Karriere.

Generell aber sei das Thema vor allem bislang instrumentell eingesetzt worden, um antideutsche Stimmungen anzukurbeln. Das Thema Wiedergutmachung sei, so überzeugt Warzecha, in den letzten Jahren eines der zweifelhaftesten Themen in der polnischen Politik gewesen, das lediglich der Mobilisierung der Wählerschaft der Regierungspartei diente. Tatsächlich sei die polnische öffentliche Meinung aber regelmäßig mit der Möglichkeit getäuscht worden, dass eine finanzielle Wiedergutmachung reell sei. Der Stand der Dinge sehe letzten Endes jedoch so aus, lautet das Fazit, dass kein Politiker der Regierungspartei irgendeine Richtlinie festgelegt habe, wie Polen eine Wiedergutmachung beantragen sollte und welcher rechtliche Weg eingeschlagen werden müsse.


Piotr Siemiński