Dziennik/Gazeta Prawna: Schlüsselthema - Geld
Fast einen Monat vor den Wahlen fahren die Parteien ihre schwersten Geschütze aus, schreibt in ihrem Kommentar zum Wochenende der Wahl-Veranstaltungen das Wirtschaftsblatt Dziennik/Gazeta Prawna. So, lesen wir im Blatt, kündige die Regierungspartei PiS unter anderem die Anhebung des Minimallohns sowie eine 13. und 14. Rente an. Diesmal, beobachtet die Zeitung, verlege die Regierungspartei die finanzielle Last der Versprechen dabei weitgehend außerhalb des Budgets, da höhere Mindestlöhne vor allem die Arbeitgeber belasten. Die Bürgerkoalition verspreche indes, all das, was die PiS eingeführt habe, fortzusetzen, kündige darüber hinaus aber auch eine Senkung der Steuern und die Förderung von Berufstätigkeit an. All das, so das Blatt, werfe die Frage auf, wie das Budget dies verkraften soll.
Eine Alternative zu den beiden größten politischen Lagern, so Dziennik abschließend, versuche die Bauernpartei PSL gemeinsam mit Kukiz15´ zu bieten. Im Vordergrund dieses Bündnisses befinde sich vor allem die nicht besteuerte Rente, die Möglichkeit, eine Pause in der Entrichtung der Sozialabgaben einzulegen, sowie ein neues Wahlgesetz und Pflichtreferenden, lesen wir in Dziennik/Gazeta Prawna.
Rzeczpospolita: Gefährliche Inflation der Versprechen
Piotr Skwirowski von der konservativen Rzeczpospolita schreibt in Bezug auf die neuesten Anküngigungen der Politiker von einer gefährlichen Inflation der Versprechen. Wahlkampagnen, so Skwirowski, seien per se eine schlechte und gefährliche Zeit für die Staatsfinanzen. In Polen hätte sich diese Gerfahr diesmal verdreifacht, denn durch eine Kumulation von Kampagnen finden nach den neulichen Kommunalwahlen, schon in einem Monat die Parlamentswahlen und im kommenden Jahr die Präsidentschaftswahlen statt. Den Wettkampf der damit verbundenen Versprechen, so der Autor, habe zunächst einmal die PiS gewonnen. Denn auch wenn die Partei nicht mehr versprochen habe, sie habe es klarer gemacht als die anderen. Ob die Regierungspartei mit ihren Versprechen allerdings mehr Wähler werde anziehen können, sei zweifelhaft. Vielmehr können die Ankündigungen die Wähler der anderen Seite zum Urnengang mobilisieren - vor allem Unternehmer, die die finanzielle Last der Programmideen der PiS werden tragen müssen, spekuliert Piotr Skwirowski in seinem Kommentar für die Rzeczpospolita.
Rzeczpospolita: Fortschritte der PiS-Revolution
Und Michał Szułdrzyński, ebenfalls von der Rzeczpospolita, macht auf die Verschärfung der ideologischen Rhetorik der Regierungspartei aufmerksam. Alles, so der Autor, um die Schwächen der eigenen Politik zu verdecken. In dem letzten Auftritt von Kaczyński, so der Publizist, sei viel von christlichen Werten und der Rolle der Familie die Rede gewesen. Die Wahrheit sei aber, dass die Polen sich heute in Rekordtempo von der Kirche abwenden, und das obwohl die PiS seit vier Jahren an der Macht sei. In den Städten zerfalle sogar die Hälfte der Ehen. Und der polnische Staat schwächele nicht wegen vermeintlicher Attacken der Postkommunisten oder der Feinde des Christentums, sondern wegen der Entscheidungen keines anderen, als Jarosław Kaczyński. Die Warteschlangen im Gesundheitswesen, so Szułdrzuński, würden nicht deswegen wachsen, weil die Postkommunisten Sand ins Getriebe streuen, sondern weil die Regierungspartei mit fundamentalen Reformen nicht zurechtgekommen sei. Statt in eine grundlegende Modernisierung des Staates zu investieren - beispielsweise in Lohnerhöhungen für Ärzte, Lehrer und Beamte - habe die PiS Milliarden von Złoty direkt in die Taschen ihrer Bürger fließen lassen. Der Staat wanke, da Kaczyński, statt den Beamten die Gehälter zu erhöhen, diese weiter senkt. Auch die überfüllten Schulen seien das Ergebnis einer chaotischen Schulreform und keine Rache der Postkommunisten. Und auch die neulichen Skandale seien vor allem selbstverschuldet.
Die Verschärfung der Rhetorik der PiS nach vier Jahren am Staatssteuer erinnere ihn an die Zuspitzung der Klassenkämpfe während der kommunistischen Revolution. Dies sei eben die Natur jeder Revolution - auch der der PiS.
Gazeta Polska Codziennie: Lügen der Postkommunisten
Die regierungsnahe Gazeta Polska Codziennie lobt indes auf den ersten Seiten ihrer heutigen Ausgabe die Wahlversprechen der PiS. Publizistin Joanna Lichocka erinnert in diesem Kontext an die Kritik von Oppositionsführer Grzegorz Schetyna an dem Vorschlag Kaczyńskis’, die Mindestlöhne anzuheben. Die Aussage des Bürgerplattformchefs sei ein Beweis dafür, dass die Postkommunisten weiterhin glauben, dass Polen vor allem als billige Arbeitskräfte fungieren sollten, da dies Investoren anlocke. Dass sie Groschen verdienen sollten, da es anders nicht gehe. Dass eine Annäherung an das Niveau der westeuropäischen Staaten nicht möglich sei. Und dass sie am Reichtum einer kleinen Elite und nicht der Gesellschaft interessiert seien. Es liege klar auf der Hand, dass die Bürgerplattform sich nach einem eventuellen Wahlsieg genauso um das Schicksal polnischer Familien scheren werde, wie während ihrer letzten Amtszeit und alle Sozialprogramme auf Eis legen werde, so Joanna Lichocka.
Gazeta Polska Codziennie: Metapolitik im Portemonnaie
Kommentator Adrian Stankowski hebt in seiner Stellungnahme indes den von Jarosław Kaczyński unterstrichenen Stellenwert christlicher Werte hervor. Geht es nach dem Autor, sei ein solches axiologisches Fundament die Grundlage für die weitere Entwicklung des Landes. Wie wichtig Werte sein können, lesen wir, würde etwa das Beispiel der vom Potential her ähnlichen USA und Russlands zeigen. Die christliche Vision des Menschen der Gründungsväter der Vereinigten Staaten sei eine wichtige Grundlage für die intensive Entwicklung und die aktuelle Großmacht-Position der USA gewesen. Russland indes habe sich wenig um seine Bürger geschert und bis heute sei Wohlstand dort nur für eine kleine Elite zugänglich. Der Weg aus dem Postkommunismus bedeute für Polen daher auch die Neudefinierung der polnischen Gemeinschaft, so Adrian Szankowski in seinem Kommentar für Gazeta Polska Codziennie.
Autor: Adam de Nisau