Do Rzeczy: Deutschlands Politik ist nicht unbedingt im Interesse Polens
Das Beispiel der Ukraine zeige deutlich, dass Deutschlands Ostpolitik nicht unbedingt im Interesse Polens ist, sagt in einem Interview für das nationalkonservative Wochenblatt Do Rzeczy der in Deutschland lebende Historiker Prof. Bogdan Musiał. Es sei beunruhigend und gefährlich, so der Historiker, dass Deutschland, gemeinsam mit Frankreich und anderen Wirtschaftsmächten der EU entschiedenere Unterstützung für die Ukraine blockiere. In Polen müsse man sich das wirklich vor Augen führen und etwas kritischer auf Deutschland schauen. Dabei gehe es nicht darum, die Deutschen als Polens Feinde zu betrachten, sondern ganz simpel darum, sich selbst gegenüber einzugestehen, dass Berlins Außenpolitik für den östlichen Teil Europas und damit auch für Polen nicht sicher sei.
Unter anderem sollte das Bewußtsein darüber gestärkt werden, dass es in Deutschland Stimmen gibt, laut denen man Putin freie Hand lassen müsse, weil er richtig handle. Auch sollten Versuche unternommen werden, die Autoren solcher Worte darüber aufzuklären, dass Deutschland, indem es auf ein Bündnis mit Moskau setze, dem ganzen Kontinent schade, so Musiał in Do Rzeczy.
Rzeczpospolita: EU-Gelder auf Minenfeld
Der Streit um Disziplinargerichte gehe nun von der juristischen in die politische Phase über. Jetzt hänge es von den Entscheidungen der Politiker ab, ob und wann Milliarden Euro aus der EU nach Polen fließen, schreibt Tomasz Pietryga für die Rzeczpospolita.
Die Unterzeichnung des neuen Gesetzes über den Obersten Gerichtshof durch den Präsidenten in dieser Woche, so der Autor, sei ein wichtiger Schritt hin zur Normalisierung der Beziehungen mit der EU gewesen. Der wichtigste Punkt dieses Gesetzes sei die Abschaffung der Disziplinarkammer für Richter. Als Konsequenz sollen Polen bald EU-Mittel für den Nationalen Wiederaufbauplan zur Verfügung stehen. Bis Ende des Jahres könnte Brüssel die erste Tranche in Höhe von rund 4 Milliarden Euro auszahlen, gewissermaßen als eine Art „Belohnung“ dafür, dass Polen die EU-Vorschläge in Sachen Rechtsstaatlichkeit berücksichtigt hat.
Es sei allerdings eine Sache, etwas auf Papier zu schreiben, ein Gesetz zu verabschieden und es sogar institutionell umzusetzen. Sich aber in der Praxis daran zu halten, sei eine ganz andere Geschichte. Der Grund: Wie der Autor erinnert, werde das neue Gesetz des Präsidenten, das die Disziplinarkammer durch ein Gericht für berufliche Verantwortung ersetze, in einem konfliktbeladenen Justizumfeld funktionieren. Und falls die alten Richter, aus der Zeit von vor der Justizreform der Regierungspartei, und die neuen Richter sich bei der Beschlussfassung gegenseitig blockieren sollten, wäre das ein Signal an Brüssel, dass das neue, vom Staatspräsidenten konzipierte Gericht nicht richtig funktioniere.
Um das Risiko einer Kollision mit der Justiz und Brüssel zu vermeiden, sollte sich der Staatspräsident daher auf die alten, unumstrittenen Richter verlassen und nicht auf die neu ernannten. Dies würde allerdings das Risiko bergen, dass die Kammer von alten Richtern dominiert wäre, die auf die Regierungspartei kritisch schauen und ihre Reform- und Gesetzesvorschläge torpedieren könnten.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen stehe indes unter großem Druck von Seiten der Befürworter eines härteren Kurses gegen Warschau. Sie könne ihre Unterstützung für Warschau daher schnell zurückzuziehen, sollte sie erkennen, dass das neue Gesetz nicht funktioniere. Er, so Pietryga, würde der Morawiecki-Regierung aus diesen Gründen von Hurra-Optimismus abraten. Polen stehe immer noch ein Marsch durch ein Minenfeld bevor. Viele dieser Minen habe das Regierungslager zuvor selbst gelegt, so Pietryga in der Rzeczpospolita.
Autor: Piotr Siemiński