Deutsche Redaktion

"Wer rettet uns vor dem Sturm?"

01.07.2024 12:01
In den Kommentaren zur Situation auf der internationalen Bühne überwiegt in der polnischen Presse heute Pessimismus. Der Grund sind Bidens verpatztes TV-Duell gegen Trump und die Wahlen in Frankreich. Außerdem geht es auch um neue brisante Erkenntnisse zur Affäre um den Justizfonds. 
Wahlplakate auf Plakatwnden, darunter die franzsische Abgeordnete und frhere Kandidatin fr die franzsischen Prsidentschaftswahlen Marine Le Pen (L) und der Vorsitzende der franzsischen rechtsextremen Partei Rassemblement National (RN, Nationale Front) Jordan Bardella (2-L), vor einem Wahllokal in Malakoff bei Paris, Frankreich, 29. Juni 2024
Wahlplakate auf Plakatwänden, darunter die französische Abgeordnete und frühere Kandidatin für die französischen Präsidentschaftswahlen Marine Le Pen (L) und der Vorsitzende der französischen rechtsextremen Partei Rassemblement National (RN, Nationale Front) Jordan Bardella (2-L), vor einem Wahllokal in Malakoff bei Paris, Frankreich, 29. Juni 2024EPA/Mohammed Badra

Rzeczpospolita: Le Pen stürmt Frankreich

Selbst, wenn es vorerst gelingen sollte, Le Pen den Weg zur absoluten Mehrheit zu versperren, seien die Aussichten für Frankreich nicht rosig, schreibt im Aufmacher der konservativ-liberalen Rzeczpospolita der Publizist Jędrzej Bielecki. In den drei Jahren, die Macron bis zum Ende seiner Amtszeit verbleiben, so der Autor, werde sich keine stabile Mehrheit aufbauen lassen. Der Präsident werde gezwungen sein, mit einem Premierminister zusammenzuarbeiten, der eine völlig andere Vision des Landes habe und den das Parlament zudem jederzeit stürzen könne. Diese tiefe politische Krise komme, wie Bielecki betont, aus geopolitischer Perspektive zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt. Nach der Fernsehdebatte am Freitag seien die Chancen von Joe Biden, das Weiße Haus zu halten, gering. Und Donald Trump kündige an, im Falle eines Wahlsieges schnell eine Einigung mit Putin zu erzielen und dessen Eroberungen in der Ukraine anzuerkennen. Niemand in Europa werde dann die Kraft haben, sich dem Willen des US-Präsidenten zu widersetzen. Die Paralyse Frankreichs bedeute auch eine Paralyse der EU, zumal auch die Regierungskoalition in Deutschland am Rande des Zerfalls stehe. In Polen gebe der Erfolg von Le Pen wiederum der PiS die Hoffnung auf eine Rückkehr an die Macht. 

Seit seiner Machtübernahme im Jahr 2017, lesen wir weiter, habe Macron viel erreicht. Er habe 2 Millionen Arbeitsplätze geschaffen, indem er die Beschäftigungsregeln liberalisiert habe. Er habe das bankrotte Rentensystem reformiert. Das Land habe begonnen, in großem Maßstab ausländische Investitionen anzuziehen und sich schneller als die Nachbarn zu entwickeln. Doch die Franzosen würden den allein regierenden Macron auch für alle Probleme verantwortlich machen. Insbesondere für die massive Einwanderung und die Unsicherheit auf den Straßen sowie die Teuerung. Durch den Präsidenten, einst den Anführer der freien Welt, könne Frankreich das gleiche Schicksal erwarten, wie das, das das Amerika von Trump oder das Ungarn von Viktor Orbán erlitten hätten, so Jędrzej Bielecki in der Rzeczpospolita.

Rzeczpospolita: Wer rettet uns vor dem Sturm?

Kurzfristig würden die Krisen in Frankreich und Deutschland die Rolle Polens in der EU stärken, beobachtet in seiner Stellungnahme der Redaktionskollege von Bielecki, Michał Szudrzyński. Nicht nur bei den Verhandlungen über die Besetzung der höchsten Posten in der EU, sondern auch in anderen Angelegenheiten beginne Premierminister Donald Tusk, andere Führungspersönlichkeiten vom Podium zu drängen. Auch in außen- und sicherheitspolitischen Fragen im Kontext des Krieges werde die Stimme Polens dank der außergewöhnlichen geopolitischen Lage und dem Charisma von Außenminister Radosław Sikorski immer wichtiger.

Langfristig würden wir jedoch sowohl die militärische Unterstützung der USA für die NATO und eine starke NATO, als auch ein starkes und vereintes Europa benötigen, das bereit sei, der zunehmend aggressiven Politik des Kremls die Stirn zu bieten. Die Führung Polens sei notwendig, aber nicht ausreichend, um uns angesichts des sich anbahnenden Sturms Sicherheit zu gewährleisten, so Michał Szułdrzyński in der Rzeczpospolita. 

Gazeta Wyborcza: Geheimer Brief von Kaczyński an Ziobro

Die linksliberale Gazeta Wyborcza enthüllt in ihrem aktuellen Aufmacher neue brisante Informationen zur Affäre rund um den Justizfonds, bei der es um den Missbrauch von öffentlichen Geldern für parteipolitische Zwecke durch Ex-Justizminister Zbigniew Ziobro und seine Partei geht. Wie Gazeta Wyborcza berichtet, habe PiS-Chef Kaczyński Ziobro bereits vor den Wahlen 2019 in einem geheimen Brief aufgefordert, den Kandidaten seiner Partei sofort zu verbieten, den Fonds für die Finanzierung ihrer Wahlkampagne zu nutzen. Der Brief sei von der Agentur für Innere Sicherheit ABW während einer Hausdurchsuchung beim ehemaligen Vize-Justizminister Marcin Romanowski gefunden worden, der 2019-23 für die Verwendung der Mittel aus dem Fonds verantwortlich war. “Ich mache den Herrn Minister darauf aufmerksam”, so Kaczyński in dem Brief, “dass die Fälle, über die in den Kreisen unserer Koalition bereits gesprochen wird, sofern sie wahr sind, fatale Folgen sowohl für den Verlauf des Wahlkampfes als auch hinsichtlich seiner Abrechnung vor der Staatlichen Wahlkommission haben können. Ich bin auch gezwungen festzustellen, dass im Falle der Nichtbefolgung der in diesem Schreiben formulierten Empfehlung die volle politische Verantwortung, aber höchstwahrscheinlich auch in anderen Dimensionen, bei Ihnen liegen wird.”

Wie das Blatt betont, habe das Dokument eine fundamentale Bedeutung für den Skandal um den Justizfonds, der die Partei von Ziobro in Bedrängnis bringe. Bereits zwei ihrer Abgeordneten – Romanowski und Michał Woś – sollen im von der von der Staatsanwaltschaft eingerichteten Sondergruppe Nr. 2 geleiteten Verfahren angeklagt werden. Der Skandal treffe aber auch die PiS. Seit 2015 seien die Parteien von Kaczyński und Ziobro bei den Wahlen in einem Block angetreten und hätten die Wahlkampfausgaben bei der Staatlichen Wahlkommission gemeinsam abgerechnet. Sollte sich herausstellen, dass ihre Kampagne nicht gesetzeskonform finanziert worden sei, könne die Wahlkommission der PiS die Subvention entziehen – jährlich über 25 Millionen Złoty. Sie könne auch die Rückzahlung der Gelder für die Amtszeit 2019-23 verlangen.

Der Brief, lesen wir weiter, sei ein Beweis dafür, dass Zbigniew Ziobro sich voll bewusst gewesen sei, dass die Finanzierung der Kampagne aus dem Justizfonds illegal sei. Aber nicht nur das. Es sei auch ein Beweis dafür, dass Kaczyński seit 2019 von den Missbräuchen gehört, sich aber darauf beschränkt habe, einen Brief zu senden. Danach habe er das Verfahren toleriert, da Ziobro den Appell des PiS-Vorsitzenden komplett ignoriert habe. Im Wahlkampf 2023 seien etwa 200 Millionen Złoty aus dem Fonds für die Förderung der Kandidaten seiner Partei ausgegeben worden, deutlich mehr als vier Jahre zuvor. Allein für die Kampagne von Marcin Romanowski habe der Fonds 19 Millionen Złoty ausgegeben.

Diese Woche werde der Sejm die Aufhebung der Immunität sowie die Zustimmung zur Festnahme und Inhaftierung von Romanowski prüfen. Der bei dem ehemaligen Vizeminister gefundene Brief des PiS-Vorsitzenden sei im Antrag der Staatsanwaltschaft vom 19. Juni 2024 an den Sejmmarschall aufgeführt, so Gazeta Wyborcza.

Autor: Adam de Nisau


Ex-Justizminister Ziobro zu Durchsuchung seines Hauses: “Ein politisches Schauspiel”

27.03.2024 10:34
Zbigniew Ziobro betonte, dass jeder Bürger das Recht habe, den Durchsuchungsbefehl zu kennen und über die Forderungen nach bestimmten Gegenständen informiert zu werden. Falls abwesend, solle man das Recht haben, eine vertrauenswürdige Person hinzuzuziehen, die während der Durchsuchung anwesend ist. Diese Rechte seien ihm vorenthalten worden.

"Die Affäre, die die PiS versenken könnte"

29.05.2024 13:30
Seit einigen Tagen schlägt hierzulande eine Affäre rund um den Justizfonds und die Partei Souveränes Polen hohe Wellen. Außerdem: Ex-CEO von Orlen tut alles, um vor den Europawahlen nicht für die Behörden auffindbar zu sein.

Konservativer Parlamentarier verliert Immunität. Opposition spricht von „Rache“

28.06.2024 13:33
Michał Woś, ein Abgeordneter der konservativen Partei Suwerenna Polska (Souveränes Polen), hat seine parlamentarische Immunität verloren. Dem ehemaligen stellvertretenden Justizminister werden Korruption und Veruntreuung öffentlicher Gelder vorgeworfen, wie die Presseagentur PAP am Freitag meldete. 

Vorerst keine Einigung über EU-Finanzierung für „Schild Ost"

30.06.2024 14:00
Vorerst gibt es keine Übereinkunft über die EU-Finanzierung der von Polen unterstützten Verstärkung der EU-Ostgrenze durch die „Schild Ost"-Initiative oder das Iron Dome über dem polnischen Himmel, sagte der französische Verteidigungsexperte Nicolas Gros-Verheyde in einem Interview mit dem privaten Radiosender RMF FM.

Außenminister Sikorski bleibt in Polen und warnt vor Russland

01.07.2024 09:22
Ich will keine Position im Ausland, versichert Polens Außenminister im Gespräch mit dem Wochenmagazin "Newsweek". Radosław Sikorski hebt zudem hervor, dass Putin niemanden angreifen kann, solange er die Ukraine nicht besiegt hat. „Deshalb ist es in unserem Interesse, dass die Ukraine den Krieg gewinnt.“

Minister: Le Pen ist eine Gefahr für Europa

01.07.2024 11:45
Der Eintritt der rechtsextremen Partei von Marine Le Pen in das Weimarer Dreieck wäre für Europa ziemlich schwierig, bewertete Außenminister Andrzej Szejna. Es ist unmöglich, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der die Aggression Russlands als etwas Natürliches betrachtet, betonte Szejna im Infoprogramm des Polnischen Rundfunks.