Rzeczpospolita: Kann die Sicherheit Polens von den Launen eines Mannes abhängen?
Donald Trump verschärft seine Kritik an Europa und spricht hinter den Kulissen über einen Rückzug der US-Truppen aus der Region, berichtet Michał Szułdrzyński in der konservativ-liberalen "Rzeczpospolita". Und fragt, ob Polens Sicherheit von den Launen eines Mannes abhängen sollte. Die polnische PiS-Partei argumentiere, dass Loyalität gegenüber Trump die Sicherheit des Landes garantieren werde. Entscheidend, so der Autor, seien jedoch die europäische Unterstützung für die Ukraine und Polens eigene militärische Stärke.
Der jüngste Streit zwischen Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, fährt der Autor fort, habe auch in Polen eine innenpolitische Auseinandersetzung ausgelöst. Während Premierminister Donald Tusk Selenskyj seine Loyalität zugesichert habe, habe die PiS Tusk dafür kritisiert und ihm vorgeworfen, Amerika aus Europa verdrängen zu wollen. PiS-Politiker wie Mariusz Błaszczak hätten zudem behauptet, dass der Ausgang der polnischen Präsidentschaftswahl darüber entscheide, ob US-Truppen in Polen verbleiben. Im Gegensatz dazu hätten sich die meisten europäischen Staats- und Regierungschefs auf die Seite der Ukraine gestellt. Nur Ungarns Regierungschef Viktor Orbán habe geschrieben, dass die Schwachen Krieg wollen, die Starken Frieden und Trump zu den letzteren gehöre. Orban habe vergessen zu schreiben, dass es sich um einen Frieden unter den Bedingungen Moskaus handle, vielleicht wegen des Zeichenlimits auf X, ironisiert Szułdrzyński.
Es, so der Autor, sei äußerst riskant, die Sicherheit Polens von der Laune eines einzelnen Mannes abhängig zu machen. Trump betrachte Europa und die Ukraine nicht als Priorität, sondern konzentriere sich auf den Nahen Osten und den Pazifik. Einem ranghohen Mitglied der polnischen Regierung zufolge habe Trump einem europäischen Gesprächspartner signalisiert, dass er keinen Grund sehe, die US-Armee in Osteuropa zu belassen. Zwar habe Trump Polen für seine NATO-Beiträge gelobt, doch solche Aussagen würden keine langfristige militärische Präsenz garantieren.
Ein weiteres Risiko sei Trumps potenzielle Bereitschaft, eine "Neutralisierung" der Ukraine und den Rücktritt Selenskyjs als Bedingung für einen Frieden mit Russland zu akzeptieren. Sollte in Kiew eine nicht unbedingt prorussische, aber neutrale Regierung installiert werden, bestünde die Gefahr, dass die Ukraine langfristig in den russischen Einflussbereich gerate – was für die Sicherheit Polens ein geostrategisches Risiko wäre.
Polen müsse daher verstärkt in seine Verteidigung investieren und sich in europäischen Sicherheitsinitiativen engagieren. Formate wie das jüngste Treffen in London, an dem Vertreter aus mehreren EU-Staaten sowie NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg teilgenommen hätten, seien in diesem Zusammenhang von großer Bedeutung. Eine stärkere europäische Sicherheitsarchitektur sei kein Affront gegen die USA, sondern liege auch in ihrem Interesse, so eine Quelle aus der polnischen Regierung. "Ein starkes Europa ist in unserem eigenen Interesse – und eine starke Ukraine unsere erste Verteidigungslinie gegen Putins Ambitionen", resümiert Szułdrzyński.
Dziennik/Gazeta Prawna: Hysterische Ereignisse
Nach der Demütigung Wolodymyr Selenskyjs im Weißen Haus durch Donald Trump stellt Russland immer weitreichendere Forderungen, warnt indes das Wirtschaftsblatt "Dziennik Gazeta Prawna". Eine dieser Forderungen betreffe eben den Abzug westlicher Truppen aus Polen und dem restlichen östlichen NATO-Gebiet. Europa berate zwar, wie es weitergehen solle, doch beim Londoner Gipfel seien keine revolutionären Entscheidungen gefallen.
Die Verbündeten der Ukraine, erinnert Dziennik, hätten sich in London getroffen, um auf den politischen Kurswechsel der USA zu reagieren. Das wichtigste Ergebnis des Treffens sei die Vereinbarung gewesen, dass Großbritannien gemeinsam mit Frankreich und der Ukraine einen eigenen Friedensplan ausarbeite, den sie Trump vorlegen wollen. Der Grund für die europäische Unruhe sei das gescheiterte Treffen in Washington gewesen, nach dem der Kreml seine Forderungen massiv ausgeweitet habe. Zwar habe Trump die Sanktionen gegen Russland verlängert, doch gleichzeitig auch das diplomatische Eis gebrochen, indem er dem Austausch von Botschaftern und bestimmten russischen Forderungen zustimmte. Dazu gehörten die Garantie, die Ukraine nicht in die NATO aufzunehmen, eine implizite Akzeptanz russischer Gebietsgewinne seit 2014 sowie der Ausschluss einer US-Militärpräsenz in der Ukraine. Nach dem Streit zwischen Selenskyj und Trump sei in Russland Euphorie ausgebrochen, die durch die Aktivitäten von Elon Musk noch verstärkt werde. Musk habe in seinem Netzwerk X Beiträge verbreitet, die den Rückzug der USA aus der NATO fordern.
Russland, fährt Dziennik fort, sehe westliche Zugeständnisse als Einladung, den Druck weiter zu erhöhen. Außenminister Sergej Lawrow habe vor dem Wochenende verlangt, dass die Ukraine Cherson und Saporischschja abtrete. Seine Sprecherin Marija Sacharowa habe betont, dass ein "gerechter und dauerhafter Frieden" nur durch die Beseitigung der "ursprünglichen Ursachen der Krise" möglich sei, womit sie die angebliche westliche Verletzung des Versprechens meinte, die NATO nicht zu erweitern. Lawrow habe am Sonntag erneut das Ultimatum von 2021 ins Spiel gebracht, das einen Abzug westlicher Truppen aus allen NATO-Staaten forderte, die nach 1997 dem Bündnis beigetreten sind – darunter auch Polen. Konkrete Hinweise darauf, dass Warschau tatsächlich ein solcher Forderung ausgesetzt sein könnte, gebe es allerdings nicht. Trump selbst lobe Polen für seine hohen Verteidigungsausgaben und erklärte am Freitag im Oval Office: "Ich bin Polen sehr verbunden. Polen hat große Arbeit für die NATO geleistet und mehr gezahlt, als es musste", zitiert Dziennik/Gazeta Prawna US-Präsident Trump.
Dziennik/Gazeta Prawna: Trump wollte Selenskyj seinen Platz in der Hierarchie zeigen
Der US-Präsident Donald Trump habe Wolodymyr Selenskyj gezielt erniedrigt, um ihm "seinen Platz in der Hierarchie zu zeigen", so Wołodymyr Dubowy, Direktor des Zentrums für Internationale Studien in Odessa, in einem Interview für "Dziennik Gazeta Prawna". Er, so Dubowy, gehe davon aus, dass die Krise in den amerikanisch-ukrainischen Beziehungen zwar überwunden werde, die Spannungen jedoch bestehen blieben. Es werde nötig sein, den Dialog mit der US-Regierung wieder aufzunehmen, auch wenn sich die Positionen beider Länder zunehmend auseinander entwickeln. Die Trump-Administration messe anderen Themen größere Bedeutung bei und ignoriere ukrainische Forderungen nach Sicherheitsgarantien, direkter Beteiligung an Verhandlungen sowie anhaltender militärischer Unterstützung. Trump werde weiterhin versuchen, Selenskyj zu Zugeständnissen zu drängen, doch eine öffentliche Entschuldigung des ukrainischen Präsidenten für den Eklat im Weißen Haus sei unwahrscheinlich, da sie die Verhandlungsposition der Ukraine weiter schwächen würde. “Staaten, die sich entschuldigen, respektiert man nicht”, so Dubowy. Die Auseinandersetzung, so der Experte, sei offenbar auch eine Reaktion darauf gewesen, dass Selenskyj sich weigerte, eine sofortige Vereinbarung über Bodenschätze zu unterzeichnen und Trump vorwarf, in einem Netz russischer Desinformation zu leben. Das Weiße Haus habe ihm das nicht vergessen. “Die Amerikaner wollten Zelensky auf die eine oder andere Weise seinen Platz zeigen. Sie wollten betonen, dass man mit Amerika nicht auf diese Weise spricht und dass Washington die Entscheidungen trifft. Kommentatoren weisen darauf hin, dass während der 40 Minuten des Treffens ein normaler Dialog stattfand, aber ich glaube, dass der Streit nicht völlig improvisiert war”, so Dubowy.
Nun komme es auf Europa an. Die Frage sei, ob es dem Kontinent tatsächlich gelingen werde, die einzelnen Erklärungen seiner Anführer in eine koordinierte Antwort umzuwandeln und zu zeigen, dass die Amerikaner und Russen nicht über sein Schicksal entscheiden können. ”Es war ein Fehler, die baltischen Staaten nicht nach London einzuladen. Alle, die glauben, dass der Ukraine geholfen werden sollte, sollten in die Gespräche einbezogen werden”, so Wolodymyr Dubowy im Interview mit Dziennik/Gazeta Prawna.
Und die deutsche Politologin Susanne Spahn bezeichnet den Eklat in Washington, ebenfalls in einem Gespräch mit Dziennik/Gazeta Prawna, als großen Sieg für Russland. Im Gespräch mit "Dziennik Gazeta Prawna" erklärte sie, dass Moskau nun darauf setze, einen Frieden nach eigenen Bedingungen zu erzwingen. Trump habe durch seine Äußerungen, die Ukraine solle Gebiete abtreten und nicht der NATO beitreten, die russische Position faktisch übernommen. Zudem betrachte Russland die USA zunehmend als Verbündeten gegen Europa und verfolge gemeinsam mit China das Ziel, die globale Vorherrschaft der USA zu beenden. Moskaus geopolitische Ambitionen beschränkten sich nicht nur auf die Ukraine – das eigentliche Ziel sei die Schwächung und Zerstörung der Europäischen Union als dominierende Kraft auf dem Kontinent. “Die EU ist der Hauptkonkurrent Russlands in diesem Teil der Welt. Und die Europäer beginnen zu verstehen, dass die Amerikaner nicht mehr ihr zuverlässiger Partner sind”, so Spahn.
Die Russen hätten nie ihre Absicht aufgegeben, die Ukraine zu spalten, sie zu entmilitarisieren und, wie sie es ausdrücken, zu entnazifizieren, die Legitimität von Zelensky zu untergraben. “Da sie sehen, dass die Amerikaner ihr Partner werden können, und Trump ihre narrativen Linien und politischen Ziele wiederholt, werden sie dies mit doppelter Kraft verfolgen. Für Europa könnte dies in einer Katastrophe enden, wenn die Union nicht entschlossen handelt, um die Ukraine und den Kontinent zu verteidigen”, so Spahn.
Autor: Adam de Nisau