RZECZPOSPOLITA: Der Staat hat sich bewährt
Welches Bild von unserer Menschlichkeit ergibt sich aus der Naturkatastrophe in Südpolen und der öffentlichen Debatte über die Überschwemmungen? Das Problem erörtert in der Tageszeitung Rzeczpospolita Estera Flieger. Die sozialen Medien sind dieser Tage voll von Bildern nicht nur von den Rettungsdiensten, sondern auch von Flutopfern, von Menschen, deren Hab und Gut das Wasser zerstörte und die dennoch den Tieren helfen. Sie meint zum Beispiel ein Foto von Herrn Radosław, der bis zur Hüfte im Wasser steht und einen geretteten Wildhasen hält. Das sind auch Bilder von einem anderen Herrn, der einem ertrinkenden Igel zu Hilfe eilte und ihn dann in ein Handtuch wickelte, schreibt die Journalistin.
Es gibt auch Bilder aus einem Tierheim in Wrocław, wo lange Autoschlangen anstehen, um wenigstens ein Tier für die paar harten Tage aufzunehmen. Das wundert sie nicht, denn die Polen sind gut in solchen Aktionen. Es sei ermutigend, stellt sie fest. Das sei die Essenz der Menschlichkeit, das mache uns zu einer Gesellschaft, so Flieger.
Aber vielleicht, so die Autorin, gebe es tatsächlich Situationen, in denen es ein Dilemma gebe, wohin man die Einsatzkräfte schicken soll, das heißt, was die Feuerwehrleute tun sollten? Sie habe großes Vertrauen in die Dienste. Sie möchte ihre herzliche und große Unterstützung für die Dienste zum Ausdruck bringen. Woher komme dieses Vertrauen in den Uniform? Es komme von der Beobachtung, wie die uniformierten Dienste im Laufe der Jahre und während vieler Krisen arbeiten. Die Feuerwehr sei der Dienst, der von allen kontinuierlich das größte Vertrauen der Polen genieße, erinnert die Publizistin.
Wir, lesen wir weiter, würden in Polen oft wiederholen, der Staat würde nicht funktionieren, dass man sich um alles selber kümmern müsse. Aber in einer Notsituation zeige sich plötzlich, dass der Staat gut funktioniere, dass seine Dienste den Polen, die gerade ihr Hab und Gut verloren haben und evakuiert werden müssen, wirksam helfen. Sie hoffe, dass diese Tragödie der Moment sein wird, in dem die Polen ihre Blick auf den Staat ändern und ihn endlich als einen großen Wert und Unterstützung wahrnehmen werden, so Estera Flieger in der Rzeczpospolita.
DO RZECZY: Die Regierung hat sich nicht bewährt
Anders sehen es Vertreter der Opposition. In einem Interview mit der Wochenzeitung Do Rzeczy bezieht sich die Abgeordnete der oppositionellen Partei Recht und Gerechtigkeit Małgorzata Golińska auf die Haltung der Regierung gegenüber der durch das Hochwasser verursachten Notsituation. Wie beurteilen Sie die Maßnahmen der Regierung in Bezug auf die Überschwemmungen in Südpolen, fragt Do Rzeczy. Die Maßnahmen der Regierung seien überfällig. Es werde versucht, so zu tun, als wüssten die Machthaber, was sie tun. Wären da nicht die Aktionen der Beamten auf der lokalen Ebene, die deutlich zeigen, dass sie sich kümmern, über ihren Kopf hinweg arbeiten und gut organisiert sind, wäre es noch schlimmer, so Golińska.
Welche Folgen haben die Worte von Premierminister Donald Tusk, der noch am Freitag sagte, dass die Prognosen nicht alarmierend seien, lautet die nächste Frage. Diese Worte hätten sicherlich einige der Dienste und auch die Menschen selbst beruhigt. Wenn der Premierminister eines Landes, der per definitionem Zugang zu mehr Informationen habe als der Durchschnittsbürger, auf einer Pressekonferenz sagt, dass keine große Gefahr bestehe, dann würden ihm die Menschen vertrauen. In der Folge könnten dann alle Ankündigungen über die Notwendigkeit von Evakuierungen oder anderen Maßnahmen ignoriert werden, urteilt die Abgeordnete der PiS-Partei Małgorzata Golińska.
DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Polen immer wichtiger
Polen ist auf dem besten Weg, ein führender europäischer Akteur zu werden, schreibt Dziennik/Gazeta Prawna unter Berufung auf einen Artikel in der französischen Le Monde. Zwei starke Trends würden zeigen, wie das größte Land Mitteleuropas immer stärker werde, berichtet die Zeitung und meint damit das Wirtschaftswachstum und die erhöhten Verteidigungsausgaben.
Das Blatt erinnert, dass Polen nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine große Anstrengungen unternommen hat, um seine Sicherheit zu stärken. Die Zeitung stellt fest, dass das Waffenkaufprogramm, das zu Zeiten der Regierung von Recht und Gerechtigkeit aufgelegt und von einigen als gigantomanisch bezeichnet wurde, von der Regierung Donald Tusk beibehalten wird und Gegenstand eines breiten politischen Konsenses geworden ist.
Neben dem Krieg jenseits der polnischen Ostgrenze habe sich auch die Situation im Westen verändert, betont das Blatt. Die beiden Partner Polens im Weimarer Dreieck würden sich in einem schlechten Zustand befinden. Gemeint sind damit politische Krisen in Frankreich und in der Bundesrepublik. Polen sei darüber hinaus spezifisch von Deutschland enttäuscht. Die Beziehungen sind zerrüttet vor allem wegen der Gleichgültigkeit von Bundeskanzler Olaf Scholz, lesen wir in der Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna.
Autor: Jakub Kukla