Er war ein Autodidakt in der Malerei, ein provinzieller Lehrer, ein Humanist, der aus vielen Kulturen schöpfte, ein Jude, der auf Polnisch schrieb, ein Jude, der von den Deutschen ermordet wurde.
In der 1936 veröffentlichten Erzählung „Republik der Träume“ beschreibt Bruno Schulz eine Figur namens Blauäugiger, „naiv und treu im Geiste“. Das Werk endet mit den Worten: „Der Blauäugige lädt alle ein, fortzusetzen, zu bauen, mitzuschaffen - wir sind doch alle von Natur aus Träumer, Brüder unter dem Zeichen der Kelle, wir sind von Natur aus Baumeister...“.
Über 70 Jahre später verband der Literaturwissenschaftler Michał Paweł Markowski in den Seiten des „Tygodnik Powszechny“ die Figur des Blauäugigen mit Bruno Schulz selbst und bezog sich auf den letzten Satz von „Republik der Träume“: „Schulz greift den Leser von der ersten Seite an und lässt ihn nie zur Ruhe kommen, er lässt ihn nicht zur Besinnung kommen. Seine Perfidie liegt darin, dass er sich jeglicher Interpretation widersetzt, er ermutigt vielmehr zum Nachahmen, Paraphrasieren, Imitieren. Es ist leichter, im Stil von Schulz zu sprechen, als über Schulz. Nach dem Lesen eines Absatzes weiß man sofort, dass es Schulz ist, aber es ist nicht sofort klar, was man über diesen Absatz sagen soll.“
Bruno Schulz - Selbstporträt
Kindheit und Jugend
Bruno Schulz wurde am 12. Juli 1892 in Drohobycz, einer kleinen galizischen Stadt in der Nähe von Lemberg, geboren. Er war das uneheliche Kind des Tuchhändlers Jakub Schulz und der aus einer reichen Familie stammenden Henrietta Kuhmärker, Tochter eines Holzhändlers. Die Eltern heirateten erst nach der Geburt des Sohnes.
Von 1902 bis 1910 besuchte der junge Bruno Schulz das Gymnasium Franz Joseph in Drohobycz, dann ging er an die Technische Hochschule Lemberg, um Architektur zu studieren, brach das Studium aber nach einem Jahr wegen einer Herz- und Lungenerkrankung ab. Als er an die Lemberger Hochschule zurückkehren wollte, brach der Erste Weltkrieg aus und die Familie zog nach Wien. Dort versuchte er auch zu studieren - an der Technischen Hochschule Wien und an der Akademie der bildenden Künste, aber er nahm nur wenige Male am Unterricht teil.
1915 kehrte die Familie nach Drohobycz zurück. Der schwerkranke Jakub Schulz starb noch im selben Jahr. Bruno erlebte seinen Tod sehr intensiv. Deshalb machte er den Vater - einen mythischen, sich ständig wandelnden und beruflich wechselnden Charakter - zur zentralen Figur seiner Prosa, eine Figur, deren Tod immer wieder neu inszeniert wird und die, im Gegensatz zur Realität, nie endgültig wird.
Arbeit und Erfolge
1918 trat Schulz der Drohobyczer Gruppe „Kalleia“ bei, einer Vereinigung jüdischer Intellektueller und Künstler. Er versuchte sich in der Malerei, wollte sogar mit Porträtmalerei Geld verdienen, hatte aber keinen Erfolg als Maler. Schließlich gezwungen, eine feste Anstellung anzunehmen, trat er 1924 eine Stelle an dem Gymnasium an, das er zuvor als Schüler besucht hatte. Bis 1941 unterrichtete er dort Zeichnen, Handarbeit und manchmal auch Mathematik, hatte jedoch aufgrund des fehlenden Studienabschlusses Schwierigkeiten, seine Stelle zu halten.
Ab 1925 schrieb Schulz mehr und mehr. Anfang der 1930er Jahre war der Band „Die Zimtläden“ fertig, aber der Autor konnte keinen Verlag finden. Alles änderte sich 1933 dank Zofia Nałkowska, der der Autor das Manuskript des Bandes nach Warschau brachte. Die Schriftstellerin war von Schulz' Prosa begeistert und setzte die Veröffentlichung des Werkes durch. Noch im selben Jahr erschienen „Die Zimtläden“. Dies öffnete ihm den Weg zu einer literarischen Karriere.
Jerzy Ficowski, einer der ersten Schulzologen in Polen, erinnerte sich im Polnischen Rundfunk an den Moment, als er „Die Zimtläden“ 1942 zum ersten Mal las.
„Ich begann zu lesen und plötzlich fühlte ich, dass etwas an der Grenze zwischen Wahnsinn und Begeisterung auf mich wirkt, wie eine seltsame Droge. Ich fühlte, dass ich einfach krank war, dass es unerträglich war... Ich war damals siebzehn Jahre alt und wurde für mein ganzes Leben gebissen”, erzählte er 2002.
Reproduktion einer Zeichnung von Bruno Schulz aus der privaten Sammlung von Jerzy Ficowski: Bruno Schulz, Selbstporträt, 1921.
Der literarische Erfolg ging jedoch nicht mit privaten Erfolgen einher. Im selben Jahr zerbrach die Beziehung des Schriftstellers zu Józefina Szelińska, der Autorin der ersten Übersetzung von Kafkas „Prozess“, unter der sich Schulz selbst als Übersetzer nannte, obwohl er nur Korrekturen vorgenommen hatte. Bis September 1939 hatte Schulz nur einige Artikel in der Presse veröffentlicht. Kurz vor Ausbruch des Krieges kündigte er ein neues Buch an, das jedoch spurlos verschwand.
Ghetto und Tod
Am 11. September 1939 marschierten die Deutschen in Drohobycz ein und verübten blutige Pogrome, bei denen sie besonders brutal die örtlichen Juden ermordeten. Am 24. September räumten sie den Sowjets Platz, denen dieser Teil des besetzten Polens zufiel. Die sowjetischen Behörden erlaubten Schulz, weiter am Gymnasium zu arbeiten, unterbanden jedoch jegliche Veröffentlichungsversuche, da seine Werke nicht den Normen der kommunistischen Kultur entsprachen.
Im Sommer 1941 kehrten die Deutschen in die Stadt zurück. Im Herbst desselben Jahres schlossen sie die jüdische Bevölkerung in ein Ghetto ein. Schulz verlor seine Lehrerstelle. Von diesem Moment an musste er Zwangsarbeit für die Nazis leisten.
Die Deutschen behandelten die Drohobyczer Juden wie ihr Eigentum. Bruno Schulz wurde der „Liebling“ des Gestapomanns Feliks Landau, eines besonders grausamen deutschen Kriegsverbrechers. Landau nutzte Schulz' malerisches Talent aus, indem er ihn beauftragte, die Wände seines Hauses, das Innere des Gestapo-Kasinos und das Gebäude der Reitschule zu schmücken.
Der Künstler plante mit Hilfe von Freunden außerhalb des Ghettos die Flucht. Vielleicht wäre ihm die Flucht gelungen, wenn nicht der „Schwarze Donnerstag“ am 19. November 1942 gewesen wäre. An diesem Tag veranstalteten die Deutschen ein Massaker an den Juden auf den Straßen des Ghettos als Vergeltung für die Schussverletzung eines ihrer Offiziere. Auch Bruno Schulz wurde getötet. Es ist nicht genau bekannt, wie es dazu kam. Laut einer Version der Ereignisse ging Schulz gerade Brot holen, als er auf den Offizier Karl Günther traf. Da Landau zuvor Günthers „Liebling“ erschossen hatte, rächte sich dieser an dem Gestapomann, indem er „seinen Juden“ tötete. Bruno Schulz' Leiche wurde höchstwahrscheinlich in einem Massengrab beigesetzt. Der Körper wurde nie gefunden. Die Legende bleibt bestehen.
PR/IAR/jc