In der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 1944, vor 80 Jahren, endete nach 63 Tagen intensiver und blutiger Kämpfe der Warschauer Aufstand. Es war die größte Erhebung für die Unabhängigkeit der polnischen Heimatarmee (Armia Krajowa) und die umfangreichste bewaffnete Aktion des Untergrunds im von den Deutschen besetzten Europa. Polnische Soldaten, deutlich schlechter bewaffnet als die deutschen Truppen, kämpften um jedes Haus und jeden Straßenzug. Manche Gebäude wechselten mehrfach den Besitzer. Auch die Bewohner der Hauptstadt, Pfadfinder und sogar Kinder haben sich beteiligt, indem sie Meldungen überbrachten und beim Bau von Barrikaden halfen.
Der Aufstand endete mit der Unterzeichnung eines Abkommens zur Einstellung der Feindseligkeiten in Warschau. Obwohl weder militärische noch politische Ziele der Erhebung erreicht wurden, gilt sie bis heute als Symbol für Mut und den unbeugsamen Kampf um Freiheit. In der kollektiven Erinnerung wird sie oft als nationaler Aufstand angesehen. Zum Gedenken an diese Ereignisse wird am 2. Oktober der Tag des Gedenkens an die Zivilbevölkerung des Warschauer Aufstands begangen, der 2015 vom polnischen Parlament einstimmig eingeführt wurde.
Waffenstillstand und Kapitulation
Aufgrund der Erschöpfung von Munition und Lebensmitteln sowie der fehlenden Unterstützung durch die an der Weichsel stationierte Rote Armee ist es am 2. Oktober 1944 um 5 Uhr morgens zu einem Waffenstillstand gekommen. Während der Verhandlungen erklärten sich die Deutschen bereit, die Rechte der AK-Kämpfer als Kombattanten anzuerkennen und keine Kollektivstrafen gegen die Zivilbevölkerung zu verhängen. Diese Zusagen haben sie jedoch nicht eingehalten.
Das Abkommen wurde in der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober im Hauptquartier von SS-General Erich von dem Bach in Ożarów bei Warschau unterzeichnet. Die Vertreter des Hauptkommandos der Heimatarmee, Oberst Kazimierz Iranek-Osmecki („Jarecki“) und Oberstleutnant Zygmunt Dobrowolski („Zyndram“), setzten ihre Unterschriften unter das Dokument. Einzelne Kämpfe dauerten noch zwei Tage an. Am Abend des 4. Oktober sendete die Aufstands-Radiostation „Błyskawica“ ihre letzte Sendung. Bis zum 5. Oktober legten die Aufständischen die Waffen nieder und kapitulierten vor den Deutschen.
Ziel: Sowjetisierung verhindern
Der Aufstand wurde von der Armia Krajowa im Rahmen der Operation "Burza" ("Sturm") organisiert und ging einher mit der Offenlegung und offiziellen Tätigkeit der höchsten Strukturen des Polnischen Untergrundstaates. Das Ziel des Kampfes war ein unabhängiges Polen, frei von deutscher und sowjetischer Besatzung. Die Führung der AK plante, die Hauptstadt eigenständig zu befreien, bevor die Rote Armee die Stadt erreichte, um den von Josef Stalin betriebenen Prozess der Sowjetisierung des Landes zu verhindern.
Man erwartete Hilfe der westlichen Alliierten, die sich jedoch als unzureichend erwies. Gleichzeitig stoppte Stalin die Offensive seiner Truppen auf Warschau.
Enorme Verluste auf beiden Seiten
Während der Kämpfe starben zwischen 16.000 und 18.000 Aufständische. Fast 25.000 wurden verwundet, darunter über 6.000 schwer. Nach der Kapitulation gerieten etwa 12.000 Soldaten und Offiziere in Kriegsgefangenschaft, darunter die Generäle Tadeusz Komorowski, Deckname "Bór", und Antoni Chruściel, Deckname "Monter", der die gesamten Aufstandskräfte befehligt hatte. Die Verluste unter der Zivilbevölkerung beliefen sich auf 150.000 bis 180.000 Tote.
Trotz ihrer enormen militärischen Überlegenheit erlitten die deutschen Streitkräfte schwere Verluste von fast 50 Prozent: 10.000 Gefallene, 6.000 bis 7.000 Vermisste und 9.000 Verwundete. Die Deutschen verglichen den Aufstand mit der Schlacht um Stalingrad.
Zerstörung von Warschau
Nach dem Fall des Aufstands zerstörten die Deutschen in den folgenden drei Monaten systematisch Warschau. Sie rissen historische Gebäude und Kirchen, die gesamte Altstadt, Bibliotheken, Museen und Archive nieder und verbrannten oder plünderten deren Sammlungen, die sie in das Dritte Reich abtransportierten. Die Zerstörung der Hauptstadt, des größten potenziellen Zentrums des Widerstands gegen die Besatzer, erleichterte später die Errichtung eines kommunistischen Machtapparats und die Sowjetisierung der polnischen Gesellschaft.
Schätzungen zufolge wurden während des Aufstands und infolge geplanter Aktionen nach dessen Ende über 70 Prozent des Vermögens der Hauptstadt zerstört. Die Folgen des Aufstands waren auf der einen Seite Leiden und zahlreiche Opfer unter den Kämpfern und der Zivilbevölkerung, auf der anderen Seite betont man, dass die Polen dank des Aufstands der Welt bewiesen haben, dass die Nation lebt und lautstark Freiheit fordert.
Erst Mitte Januar 1945 starteten die sowjetischen Truppen eine Offensive von der Weichsel aus. Am 17. Januar, nach wenigen Stunden Kämpfen mit den letzten deutschen Kräften, marschierten die Sowjets in Warschau ein. Sie fanden ein Meer von Ruinen vor, in dem sich nur wenige Bewohner versteckten. Nach Ansicht vieler erfolgte anstelle einer Befreiung ein Austausch der deutschen Besatzung gegen eine sowjetische.
Bedeutende Rolle in späteren Krisensituationen
In der Meinung einiger Historiker spielte die Erinnerung an den Warschauer Aufstand in späteren Krisensituationen eine bedeutende Rolle—sie verhinderte eine bewaffnete Intervention der Sowjetunion in Polen 1956 sowie in den Jahren 1980-1981.
Zum Gedenken an den Ausbruch des Aufstands wird am 1. August in Polen der Nationale Tag des Gedenkens an den Warschauer Aufstand begangen. Es ist ein staatlicher Feiertag, der 2009 per Gesetz eingeführt wurde.
IAR/adn