Der Tod des polnischen Schriftstellers Adam Zagajewski hat auch in den westlichen Medien eine Welle der Anteilnahme ausgelöst. Der unlängst verstorbene Lyriker hatte im deutschsprachigen Raum eine treue Leserschaft. Wojciech Osiński hat einige Stimmen zusammengefasst.
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Einst hat ein bekannter Literaturkritiker behauptet, dass die großen polnischen Dichter das deutsche Publikum zumeist nur auf Umwegen erreichten. Die besten Werke der polnischen Literatur seien in Versen geschrieben, wobei die Lyrik für deren Verbreitung im deutschsprachigen Raum denkbar ungeeignet sei. Ihre vollmundige Wirkung entfalte sie ausschließlich in polnischem Original.
Mag diese Einschätzung auch teilweise zutreffen, so hat uns Adam Zagajewski zu seinen Lebzeiten eines Besseren belehrt. Als der Lyriker vor einigen Tagen im Alter von 75 Jahren verstarb, haben die wichtigsten Medien in Deutschland, Österreich und der Schweiz darüber berichtet. ʺZagajewski zählte zu den wichtigsten Vertretern polnischer Gegenwartsliteratur. Nach den Terroranschlägen vom 11. September wurde sein Gedicht ‚Versuch’s die verstümmelte Welt zu besingen‘ international bekanntʺ - hörten wir in der Hauptausgabe der Tagesschau.
Zagajewski wurde auch in Deutschland vielfach ausgezeichnet. In einer der Begründungen hieß es, er sei ʺein Poet des Staunens, einer geradezu anarchischen Lust, Dinge und Begebenheiten auf sich wirken zu lassenʺ. In Zeiten der Volksrepublik machte er aus seiner oppositionellen Gesinnung keinen Hehl. Und natürlich wurde er vom kommunistischen Regime schikaniert und mehrmals mit Publikationsverboten bestraft. Dabei schrieb er Gedichte von hohem künstlerischen Rang, die einen exakten Eindruck von der Verrohung der Machthaber von Moskaus Gnaden vermittelten.
Im Jahre 1979 kam er für zwei Jahre als Stipendiat nach West-Berlin, war seit 2015 Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Sein jahrelanger Freund, der deutsche Lyriker und Romancier Michael Krüger, schreibt, Adam Zagajewski sei der letzte in der Reihe bedeutender polnischer Dichter wie Zbigniew Herbert, Tadeusz Różewicz oder Czesław Miłosz, die einst mal die europäische Literaturszene aufhorchen ließen. Das stimmt, er war jedoch auch außerhalb der Grenzen Europas bekannt, wurde von seinen amerikanischen Kollegen geschätzt und galt als Anwärter auf den Literaturnobelpreis.
Allerdings vertreten auch im Ausland viele Literaturkenner die Ansicht, dass Zagajewski die Dinge nur selten mit epischem Schwung zu beschreiben suchte. Aus seiner Feder kamen Kleinigkeiten, Gedichte, mitunter Feuilletons. ʺEin langatmiger Roman kann uns für mehrere Wochen in seinen Bann ziehen. Dies ist zweifellos etwas Faszinierendes, aber die Leser sollten die Macht der Poesie nicht unterschätzen. Gedichte bieten uns zwar nur kurze Augenblicke, doch diese Augenblicke sind es, die das Menschliche in uns stärkenʺ - sagte Adam Zagajewski vor einigen Monaten.
Treffender konnte er es kaum auf den Punkt bringen. Der gebürtige Lemberger war vor allem ein Meister der konzisen Form, ein subtiler Ästhet. Zagajewski selbst würde vermutlich dies alles mit einer lässigen Handbewegung vom Tisch wischen. Er wollte zeitlebens einfach nur ʺunabhängigʺ sein, meint sein Schriftstellerkollege Krzysztof Siwczyk. ʺDer Tod Adam Zagajewskis beschließt die Epoche einer unabhängigen polnischen Lyrik, die in der ganzen Welt Gehör fand. Es ist ein Verlust, dessen Ausmaß uns heute noch gar nicht bewusst istʺ.