Es lohnt sich, die Romane von Stanisław Rembek zu lesen
Polens künstlerische Elite, die der europäischen Avantgarde kurz nach dem Ersten Weltkrieg wesentliche Impulse verliehen hatte, geriet nur wenige Monate nach der Erlangung der Unabhängigkeit in eine schwierige Lage. Nach jahrzehntelanger Fremdherrschaft strebten junge polnische Autoren eigentlich ein unpolitisches Kunstideal an, mit dem sie zu einer Realität „höherer Ordnung“ vorstoßen. Im Zuge des Polnisch-Sowjetischen Krieges von 1919/20 mussten sie jedoch erneut um die Unabhängigkeit ihres Landes bangen, kämpften an der Front. Nach dem „Wunder an der Weichsel“ versuchten sie nun, ihre Kriegserfahrungen schriftlich zu fixieren.
Stanisław Rembek war einer der begabtesten polnischen Prosaschriftsteller des 20. Jahrhunderts. Und trotzdem geriet er etwas in Vergessenheit. Zu Unreht, meint prof. Maciej Urbanowski.fot. Wojciech Osiński
Einer von ihnen war Stanisław Rembek, der mit den Romanen „Nagan“ (1928) und „W Polu“ (1937) wichtige Achtungserfolge verbuchen konnte, die bald als eine Meisterleistung der Kriegsprosa betrachtet werden sollten. Kritiker entdeckten darin eine fein verästelte Intertextualität und ein sorgsam austariertes System von Nähe und Ferne zu deutschen Autoren wie Ernst Jünger und Erich Maria Remarque. Rembeks Texte seien allerdings „viel wertvoller“, meint Maciej Urbanowski von der Jagiellonen-Universität. Der Polonist und Literaturforscher ist Herausgeber der „Gesammelten Werke“ des Romanautors, der bis 1989 einer breiteren Leserschaft nahezu unbekannt war. Im Gespräch mit Wojciech Osiński versichert der Krakauer Professor: „Es lohnt sich, die längst überfällige Reise mit Stanisław Rembek anzutreten, gerade in Zeiten des Ukraine-Kriegs“.