Deutsche Redaktion

Nowitschok. Eine Zeit der Prüfung für den Westen

04.09.2020 10:55
Auf die Frage, ob der Kreml bestraft werden und das Nord Stream 2-Projekt aufgegeben werden sollte, soll Bundeskanzlerin Angela Merkel selbst geantwortet haben, dass Nawalnys Fall separat behandelt werden müsse, schreibt die Rzeczpospolita am Freitag. 
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Deutschland habe ein ernstes Problem. Der Westen habe ein ernstes Problem. Wir alle haben ein ernstes Problem - schreibt Jerzy Haszczyński in der Rzeczpospolita über den Fall der Vergiftung des russischen Oppositionsführers Alexei Nawalny. Die Bundesregierung wisse bereits zu 100 Prozent, dass es sich um eine Vergiftung mit dem russischen Nervengift Nowitschok handle und habe bereits die ganze Welt darüber informiert. Wenn die ganze Angelegenheit nur mit einer Empörung ende, dann werde dies nur die Schwäche des Westens zeigen.

Deutschland fordere zwar von Russland eine Erklärung. Nur - wie oft könne man behaupten von Moskaus Vergehen aufs neue schockiert zu sein und dringende Erklärungen fordern? Auf die Frage, ob der Kreml bestraft werden und das Nord Stream 2-Projekt aufgegeben werden sollte, soll Bundeskanzlerin Angela Merkel selbst geantwortet haben, dass Nawalnys Fall separat behandelt werden müsse.

Der Autor bedauert deshalb, dass nicht einmal der Anblick des sterbenden russischen Oppositionellen den Westen von der wirklichen Zusammenarbeit mit dem Kreml ablenke. Es sei deshalb höchste Zeit, überzeugt der Autor abschließend, für die EU und die NATO entsprechend zu handeln. Denn wenn die einzige Antwort Minisanktionen seien, und ein paar russische Agenten dadurch nicht mehr zum Skifahren in die Alpen könnten, dann stehe es schlecht um uns, lautet Haszczyńskis Fazit für die Rzeczpospolita.

DGP: Wird ein Pole der neue Leiter des NATO- Militärausschusses?

In zwei Wochen könnte der Generalstabschef der polnischen Armee, General Rajmund Andrzejczak, zum Vorsitzenden des Militärausschusses der NATO gewählt werden, schreibt indes das Blatt Dziennik/Gazeta Prawna. Es gäbe nur zwei Kandidaten, ihn und den holländischen Admiral Rob Bauer. Die Abstimmung sei geheim.

Es sei eine der Prioritäten für Andrzej Dudas zweite Amtszeit, schreibt die Zeitung unter Berufung auf den Leiter des Nationalen Sicherheitsbüros. Zuvor, erfahren wir, habe Präsident Lech Kaczyński den ersten Polen, Gen. Franciszek Gągor, für diesen Posten geplant. Beide starben jedoch bei dem Flugzeugabsturz in Smoleńsk 2010. Präsident Duda, heißt es weiter, wolle somit den Willen des verunglückten Staatsoberhauptes durchsetzen.

Im Rahmen seiner Kandidatur, zeige General Andrzejczak nicht nur die Sensibilität der Länder der NATO-Ostflanke und die Bedeutung der transatlantischen Beziehungen, sondern lege auch großen Wert auf Probleme im Süden des Bündnisses, die Situation neuer Mitgliedstaaten und neue Herausforderungen für die gesamte NATO.

Vertreter der Opposition, so das Blatt, sollen auch überzeugt sein, dass es sich lohne, für diesen Posten zu kämpfen. Der Leiter des NATO-Militärausschusses sei nämlich bei jedem Gespräch über die wichtigsten Themen anwesend und könne einen großen Einfluss darauf haben, dumme Ideen und unvernünftige Schritte des Bündnisses zu blockieren. Dies sei besonders wichtig, wenn es darum gehe, die Beziehungen zu Russland zu gestalten. Ein Pole in dieser Position, lesen wir abschließend, könnte sich somit aktiv um die Interessen Polens kümmern.

Wirtualna Polska: Polens Versuch und Irrtum-Strategie

Das Gesundheitsministerium hat am Donnerstag eine neue Strategie zur Bekämpfung der Coronavirus-Epidemie in Polen ankündigt. Die Entscheidung der Regierung über die Rückkehr aller Kinder in polnische Schulen kommentiert der Virologe Prof. Włodzimierz Gut für eines der größten Nachrichtenportale WP.

Der Experte des Nationalen Instituts für Hygiene sei überzeugt, dass die Entscheidung, Kinder zur traditionellen Schulbildung zurückzuschicken, richtig war. Der Professor betone, dass Schulklassen oder Kindergartengruppen kein größeres Risiko darstellen, weil ihre Zusammensetzung festgelegt sei und nicht gemischt werde. Włodzimierz Gut fügte hinzu, er habe mehr Angst vor einer anderen Strategie, die in Italien verfolgt wurde. Dort sei Anfang der Pandemie beschlossen worden, Bildungseinrichtungen zu schließen. Das "soziale Leben" allerdings sei uneingeschränkt weitergeführt worden.

Laut Statistiken, lesen wir, seien die meisten Infektionen bislang von Donnerstag bis Freitag diagnostiziert worden. Die Inkubationszeit der Krankheit betrage etwa sechs Tage, was darauf hinweise, dass Infektionen am Wochenende am häufigsten auftreten. Der Experte bleibt aber trotzdem der Meinung, dass die am Donnerstag vom Gesundheitsministerium angekündigte Änderung der Strategie zur Bekämpfung des Coronavirus die Gesundheitsversorgung entlasten werde. In Fällen, überzeugt der Virologe, in denen man die Zukunft nicht kenne, richte man sich eher nach dem Versuch und Irrtum-Prinzip, wie es die Regierung derzeit beschlossen habe. Falls diese Strategie nicht funktioniere, dann werde sie mit Sicherheit auf dem laufenden geändert, so der Professor im Interview mit Wirtualna Polska.


Piotr Siemiński