Deutsche Redaktion

„Gespaltene Kirche, eine Welt in der Krise"

22.04.2025 13:00
Der Tod von Papst Franziskus sei nicht nur ein religiöses, sondern auch ein geopolitisches Ereignis. Papst Franziskus hat oft für Kontroversen gesorgt. Keine sei jedoch so umstritten gewesen, wie seine Haltung zum Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Und: Könnte Europa wieder einmal der Versuchung billiger russischer Rohstoffe erliegen? Mehr dazu in der Presseschau.
Gestern ist Papst Franziskuns im Alter von 88 Jahren gestorben. Das traurige Ereignis ist heute eines der Hauptthemen in der polnischen Presse. Aus kirchlicher Sicht hinterlasse Franziskus eine tief gespaltene Kirche, wofr er allerdings nicht alleine schuldig sei, schreiben einige Kommentatoren.
Gestern ist Papst Franziskuns im Alter von 88 Jahren gestorben. Das traurige Ereignis ist heute eines der Hauptthemen in der polnischen Presse. Aus kirchlicher Sicht hinterlasse Franziskus eine tief gespaltene Kirche, wofür er allerdings nicht alleine schuldig sei, schreiben einige Kommentatoren.Marco Iacobucci Epp/Shutterstock

Rzeczpospolita: Gespaltene Kirche, eine Welt in der Krise

Gestern ist Papst Franziskus im Alter von 88 Jahren gestorben. Das traurige Ereignis ist heute eines der Hauptthemen in der polnischen Presse. Wie der Chefredakteur der konservativ-liberalen Tageszeitung Rzeczpospolita schreibt, sei der Tod von Papst Franziskus nicht nur ein religiöses, sondern auch ein geopolitisches Ereignis. Es geschehe in eine Zeit großer Instabilität: Krieg in Europa, Spannungen im Nahen Osten, Unsicherheit in Afrika und globale wirtschaftliche Spannungen durch Donald Trumps Handelskrieg mit China. Der Tod Franziskus‘ sei dem Autor nach deshalb ein weiteres Symbol für das Ende der alten Weltordnung.

Aus kirchlicher Sicht hinterlasse Franziskus eine tief gespaltene Kirche, wofür er allerdings nicht alleine schuldig sei, heißt es weiter. Bereits 2019 habe sein apostolischen Schreibens Amoris Laetitia über Liebe und Familie gezeigt, wie unterschiedlich die Auffassungen innerhalb der Kirche in ethischen Fragen seien. Die Kirchen Westeuropas würden demnach oft eine völlig andere Weltsicht als konservative Bischöfe in Polen oder Afrika zeigen, heißt es. Auch in den USA würden sich zwei Kirchenbilder gegenüberstehen: die liberale Kirche rund um den ehemaligen Präsident Joe Biden und die konservative Strömung um Politiker wie Trump und J.D. Vance. Für manche sei diese Vielfalt ein Zeichen der Stärke, für andere ein Symptom des Verfalls.

Wie Szułdrzyński schreibt, habe Franziskus zwar als ein progressiver Papst gegolten. In zentralen Fragen – etwa beim Thema Abtreibung – sei er jedoch der kirchlichen Lehre treu geblieben. Konservative Katholiken habe er jedoch trotzdem überrascht, lesen wir, als er die Todesstrafe moralisch verurteilte. Auch lebte er bescheiden und trat konsequent für die Armen sowie für mehr Offenheit gegenüber Flüchtlingen ein. Die heutige Spaltung in der Kirche resultiere damit vor allem aus dem unterschiedlichen Umgang mit der Moderne und Säkularisierung. Während einige Geistliche den Dialog mit diesen Strömungen suchen, hoffen andere auf eine Rückkehr zu traditionellen Werten.

Der Tod von Franziskus stelle die Kirche somit vor die zentrale Frage: Wie sollte sein Nachfolger aussehen? Sollte der neue Papst die Vielfalt kirchlicher Lehren akzeptieren oder vielleicht Einigkeit wiederherstellen – auch auf Kosten eines Bruchs? Werde es ihm gelingen, zwischen zwei extremen Strömungen zu vermitteln oder werde er eine Kirchenspaltung ausrufen, lautet die Frage. Geht es nach dem Autor, sei eines sicher: der nächste Papst stehe vor einer historischen Herausforderung. Er müsse die Rolle der Kirche in einer sich wandelnden Welt neu definieren. Seine Entscheidungen könnten nicht nur über die Zukunft des Katholizismus, sondern auch über den globalen Einfluss der Kirche entscheiden, schreibt der Chefredakteur der Rzeczpospolita.

Rzeczpospolita: Warum hat der Papst Putin nicht verurteilt?

Auch der Publizist Jerzy Haszczyński schreibt für die Rzeczposplita ein Kommentar zu Papst Franziskus' Tod. Ihm zufolge habe das Kirchenhaupt oft für Kontroversen gesorgt. Keine sei jedoch so umstritten gewesen, wie seine Haltung zum Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine.

Franziskus habe zwar sein Mitgefühl für die Opfer bekundet, die Gewalt und die Grausamkeit russischer Soldaten und Söldner verurteilt. Dennoch habe er es vermieden, Russland eindeutig als Aggressor zu benennen, schreibt der Autor. Selbst als westliche Länder Russland bereits isoliert und das Europäische Parlament es als terroristischen Staat eingestuft hatten, habe der Papst sich weiterhin zurückgehalten. Statt eindeutig den Schuldigen zu nennen, habe er von einer Provokation gesprochen. Der Krieg hätte verhindert werden können – so Franziskus – wäre die NATO nicht „bellend vor Russlands Tür“ gestanden. Auch habe er Länder kritisiert, die während des Krieges vom Waffenverkauf profitieren würden, heißt es.

Für besonderes Aufsehen habe seine Videobotschaft an junge russische Katholiken 2023 in St. Petersburg gesorgt, fährt der Autor fort. Franziskus habe das „große Russland“ Peters und Katharinas der Großen gelobt, das Erbe der Heiligen und Herrscher – ein Imperium, das laut dem Papst humanistisch gewesen sei. Für viele in Mittel- und Osteuropa seien dies schockierende Worte gewesen. Sie hätten eindeutig nach Kreml-Propaganda geklungen, so das Blatt.

Manche hätten seine Haltung mit seiner Herkunft erklärt. In Lateinamerika werde der Westen nämlich – vor allem die USA – häufig negativ gesehen. Der Papst könnte daher kritischer gegenüber dem Westen gewesen sein als gegenüber Russland.

Es gebe jedoch auch eine andere Erklärung, so der Autor. Geht es nach Haszczyński hätte Franziskus langfristig gedacht. Er habe sich vor allem um die Zukunft des Christentums im Nahen Osten gesorgt. In seiner Wiege verschwinde der christliche Glaube nämlich. In Ländern wie dem Irak oder Syrien werden Christen verfolgt oder zur Flucht gezwungen. Der Westen indes hätte – aus Sicht des Papstes – zu wenig getan, um sie zu schützen.

Russland hingegen sei militärisch in Syrien präsent gewesen – zum Schutz des Assad-Regimes, aber auch der dortigen Christen, lesen wir. Dieser unausgesprochene, aber wirksame „Pakt“ mit Putin, wie ihn der Autor nennt, könnte Franziskus’ Zurückhaltung erklären. Für ihn sei Putin vielleicht der Einzige gewesen, der die verbliebenen Christen im Nahen Osten geschützt habe.

Aus westlicher Sicht sei das schwer nachzuvollziehen, lesen wir abschließend. Für viele gelte Putin als Kriegsverbrecher. Doch für den Papst habe womöglich mehr auf dem Spiel gestanden: das Überleben des Christentums dort, wo es einst entstanden ist.

Könne dieses Denken seine Haltung rechtfertigen? Geht es nach Jerzy Haszczyński führe diese Frage über die Tagespolitik hinaus. Sie berühre das Selbstverständnis der Kirche – und ihre Rolle in einer zerrissenen Welt, lautet sein Fazit in der Rzeczpospolita.

Dziennik/Gazeta Prawna: Zwischen Energie und Sicherheit

Je mehr Donald Trump zweideutige Signale gegenüber der NATO sende, desto stärker fühle sich Wladimir Putin zu weiteren Aktionen ermutigt, warnt indes Zbigniew Parafianowicz im Gespräch mit der Dziennik/Gazeta Prawna. Der Experte verweist auf wachsende Haushaltsprobleme des Pentagon, die zu einem schrittweisen Rückzug der US-Präsenz in Europa führen könnten. Besonders der Abzug von Patriot-Raketen und Luftverteidigungssystemen aus Polen sei ein besorgniserregendes Signal. Solange die Ukraine jedoch kämpfe und russische Kräfte binde, bleibe Polen in einer relativ sicheren Lage. Auch die Haltung der EU spiele eine Schlüsselrolle: Solange Brüssel entschlossen mit Kiew über eine Rückkehr zu Handelsbedingungen wie vor dem Krieg verhandle, bleibe die wirtschaftliche Situation in Polen stabil.

Aktuell seien keine größeren Truppenabzüge zu verzeichnen – doch langfristig sei eine Reduzierung wahrscheinlich. Früher oder später werde dies die östliche Flanke der NATO treffen, heißt es. Deshalb, so Parafianowicz, müsse Polen aufhören, amerikanische Truppen als „ewige Versicherungspolice“ zu betrachten. Es sei an der Zeit, eigene nationale Verteidigungsfähigkeiten konsequent auszubauen.

Trump selbst zeige offen Desinteresse an der bisherigen transatlantischen Architektur. Er drohe mit dem Rückzug aus der Finanzierung des NATO-Hauptquartiers und kritisiere den klassischen West-Ost-Sicherheitsrahmen im Stil des Kalten Krieges.

Ein Thema, das Trump stattdessen besonders interessiere, sei die Energiepolitik. Könnten die europäischen Partner wieder einmal der Versuchung billiger russischer Rohstoffe erliegen? Deutschland etwa zögere, Taurus-Raketen an die Ukraine zu liefern. Gleichzeitig wäre für Berlin ein Neustart der Gasimporte aus Russland nicht undenkbar.

Die USA aber verfolgen eine ganz andere Strategie. Sie wollen die Energieinfrastruktur kontrollieren, so Parafianowicz. Laut dem Experten planen die Amerikaner, Pipelines und Terminals als Druckmittel zu nutzen – zum Beispiel durch LNG-Lieferungen nach Odessa. Diese Infrastruktur könnte künftig mit amerikanischem Gas gefüllt werden. LNG sei eine Obsession Trumps. Doch in der Energiefrage gebe es keine einfachen Antworten. Es sei eine „Polyphonie“, in der jeder Akteur seine eigene Stimme habe und nicht jeder Akkord harmonisch klinge, lesen wir am Schluss in DGP.

Autor: Piotr Siemiński

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