Rzeczpospolita: Friedenskonferenz hat keinen Durchbruch gebracht
Die Friedenskonferenz im Kurort Bürgenstock sollte einen Plan zur Beendigung der Kampfhandlungen zwischen Russland und der Ukraine vorlegen. Stattdessen habe sie nur verdeutlicht, wie weit man davon entfernt sei, schreibt Jędrzej Bielecki am Montag in der Rzeczpospolita.
Von den 160 eingeladenen Ländern waren am Samstag im Schweizer Ferienort Bürgenstock jedoch nur Vertreter von rund 90 Ländern anwesend. Ein Großteil davon auf recht niedrigem Niveau, bemerkt der Autor. Russland habe man dort nie erwartet, was den Staats- und Regierungschefs Chinas, Brasiliens und Saudi-Arabiens als Vorwand gedient habe, dem Treffen fernzubleiben. Für diese Länder verlaufe die Logik der Verhandlungen anders als für die Ukrainer. Es gehe nicht darum, die international anerkannten Grenzen zwischen der Ukraine und Russland wiederherzustellen, sondern Moskau und Kiew allenfalls gleichzustellen. Ihnen nach sei der Vorschlag des Kremls auch der Ausgangspunkt für weitere Verhandlungen.
Geht es nach dem Autor, sei für den ukrainischen Plan jedoch die Abwesenheit von Präsident Joe Biden in der Schweiz besonders schlimm gewesen. Vertreten wurde er durch Vizepräsidentin Kamala Harris. US-Medien zufolge könnte dies ein Signal dafür sein, dass das Weiße Haus zwar offiziell nur Friedensbedingungen zustimmen werde, die für Selenskyj akzeptabel seien, in der Praxis aber möglicherweise erstmals ein eigenes Szenario für die Beendigung des Krieges entwickle. Wie wir lesen, hätten die Amerikaner durch ihre Waffenlieferungen an die Ukraine großen Einfluss auf den Verlauf der Kriegshandlungen. In dieser Situation habe sich Kiew mit der Anwesenheit von Olaf Scholz, Emmanuel Macron und Rishi Sunak auf dem Gipfel in der Schweiz zufriedengeben müssen. Und das, obwohl alle drei in ihren Ländern politisch sehr geschwächt seien.
Von dem Zehn-Punkte-Friedensplan des ukrainischen Staatschefs habe man somit nur die einfachsten drei Punkte angenommen. Dazu gehören die Sicherung der Welternährung durch die Beibehaltung der Exportkorridore am Schwarzen Meer, Garantien für die Sicherheit der Atomkraftwerke und die Rückkehr nach Russland verschleppter ukrainischer Kinder. In den übrigen Punkten sei eine Einigung der internationalen Gemeinschaft jedoch wesentlich schwieriger. Dazu gehören insbesondere der russische Rückzug aus allen besetzten Gebieten (einschließlich der Krim), die Zahlung von Reparationen oder die Anklage Putins vor dem Internationalen Strafgerichtshof. Der Hauptstreitpunkt zwischen Kiew und Moskau seien die Sicherheitsgarantien, die die Ukrainer vom Westen erhalten könnten, so Bielecki weiter. Vor Beginn des Schweizer Treffens habe der Kreml am Freitag seine eigenen Bedingungen für die Beendigung des Krieges vorgelegt. Seit Beginn der Invasion seien diese noch nie so präzise formuliert worden, lesen wir im Blatt.
Putin fordere vier als „Noworossija" bezeichnete ukrainische Regionen. Die Russen hätten aber einen Großteil davon niemals besetzt. Die Erfüllung der russischen Forderungen würde damit nicht nur bedeuten, dass Kiew die russischen Eroberungen anerkennt, lesen wir im Blatt, sondern auch, dass es sich aus eigenen Gebieten zurückziehen würde. Der russische Tyrann verlange auch Garantien dafür, dass die Ukraine niemals der NATO beitrete und einen erheblichen Teil ihrer Streitkräfte aufgebe. Eine Bedingung für den Frieden sei außerdem die Aufhebung der gegen Russland verhängten westlichen Sanktionen.
Wie es abschließend im Blatt heißt, seien heute die Ukrainer in diesen Fragen noch unnachgiebiger geworden, insbesondere was die NATO-Mitgliedschaft betreffe. 90 Prozent seien überzeugt, dass Putin den Frieden nur suche, um Zeit zu gewinnen und eine weitere Invasion vorzubereiten. Der russische Diktator wolle die gesamte Ukraine direkt oder indirekt unter seine Kontrolle bringen. Nur die Entschlossenheit der ukrainischen Streitkräfte und ihrer westlichen Verbündeten könne ihn davon abhalten, lautet die Schlussfolgerung in der Rzeczpospolita.
Rzeczpospolita: Das Rezept für eine große EU-Katastrophe
Die Ergebnisse der jüngsten Europawahlen und die Reaktionen darauf sprechen Bände darüber, was eine europäische Autonomie wirklich bedeuten würde, schreibt indes der Politologe und Philosoph Marek A. Cichocki ebenfalls für die Rzeczpospolita. Dieser Lieblingsbegriff des französischen Präsidenten Emmanuel Macron sei so populär geworden, dass er heute praktisch nichts mehr bedeute. Die Wahlen zum Europäischen Parlament hätten nun seine wahre Bedeutung offenbart.
Nach den Wahlen könne man neue Risse in den Fundamenten der EU sehen. Ein politisches Erdbeben in Frankreich und im Herbst vielleicht auch in Deutschland. Polen scheine hier manchen als eine Oase der Ruhe, was aber vielleicht nur eine vorübergehende Illusion sei.
Und doch stehe das Gebilde der Europäischen Union nach wie vor wie ein Fels in der Brandung. Die vorherrschende Meinung laute daher, dass eigentlich nichts großes passiert sei. Das Brüsseler Establishment habe seine Mehrheit behalten, die so genannten Populisten hätten zwar etwas mehr Stimmen bekommen, könnten aber immer noch im Sanitärbereich gehalten werden.
Cichocki ist aber der Meinung, dass dies ein hervorragendes Rezept für eine Katastrophe sei. Mehr Warnsignale seien wirklich nicht mehr nötig. Wenn die EU nicht den Mut haben werde, diesmal ernsthafte Konsequenzen zu ziehen, so werde dieses Projekt dem Akademiker nach keine Zukunft haben. Was die EU wirklich brauche, heißt es im Blatt, sei eine echte europäische Autonomie und damit die Fähigkeit der Union, ihre eigenen Fehler zu korrigieren. Die EU müsse Lehren ziehen und anfangen, politisch zu denken. Entscheidungsträger, die versagt und Vertrauen missbraucht hätten, müssten zur Rechenschaft gezogen werden.
Ohne einen solchen Idealismus habe die europäische Integration keinen Sinn, überzeugt der Autor. Wenn die EU überleben soll, so müsse sie aufhören, ein Instrument der Beeinflussung, des Drucks und sogar der Erpressung einiger Staaten oder Interessengruppen gegenüber anderen zu sein. Es sei einfach nicht mehr möglich, diejenigen zu ertragen, die glauben, Europa würde ihnen gehören und sie deshalb damit machen könnten, was sie wollen. Wenn man die Union nicht als gemeinsames Gut und Eigentum aller behandle, so werde man nie lernen, Krankheiten zu erkennen und sie zu heilen. Und genau diese Fähigkeit zur Selbstheilung wäre die wahre europäische Autonomie, lautet Cichockis Fazit in der Rzeczpospolita.
Forsal: Das langsame Töten des Bären
Die Amerikaner und die G7 bringen Putins Russland mit immer neuen Sanktionspaketen zumindest wirtschaftlich an den Rand des Zusammenbruchs. Der Kreml reagiere darauf mit Einschüchterungsversuchen und flüchtigen „Friedensvorschlägen", schreibt Witold Sokała für das Portal Forsal.
Ein weiteres Paket von US-Sanktionen gegen große Banken und den Aktienmarkt habe auf den russischen Finanzmärkten für Aufregung gesorgt. Der Handel und die Abrechnung in Dollar- und Euro-wurde ausgesetzt. Die Bürger des Imperiums sollen sofort in den Wechselstuben Schlange gestanden haben, um ihre Rubel in etwas Sichereres zu tauschen. Die harte Währung sei aber ziemlich schnell ausgegangen. Dies sei aber noch lange nicht das Ende von Putins Problemen, so der Autor.
Auch die G7-Länder haben sich endlich untereinander darauf geeinigt, die ersten 50 Milliarden Dollar aus den Gewinnen der in westlichen Banken eingefrorenen russischen Konten an die Ukraine zu übergeben. Sokała begrüßt den Schritt, denn abgesehen von der finanziellen Dimension sei diese Entscheidung auch politisch wichtig. Sie stelle ein Signal an verschiedene internationale Schurken dar, lesen wir.
Die reichsten Länder der Welt wollen aber noch weiter gehen. Länder, die die Sanktionen nicht anerkennen, sollen es schwieriger haben, russisches Öl zu kaufen. Geplant seien weitere ernste Warnsignale gegen chinesische Unternehmen, die die Kriegswirtschaft des Kremls unterstützen.
Die Reaktion des Kremls dazu? Moskau lasse seine immer schlafferen Muskeln spielen. Einerseits gebe es demonstrative Militärübungen, um die Bereitschaft zur Eskalation der Feindseligkeiten zu signalisieren. Andererseits eine gewisse Neuheit, nämlich der von Putin formulierte „Friedensvorschlag“. Geht es nach Sokała, wolle Putin damit nur eines sagen: „Lasst uns, was wir gestohlen haben, fügt noch ein wenig hinzu, und vielleicht hören wir auf zu schießen.“
Sein Vorschlag werde wahrscheinlich in mehreren Ländern des „globalen Südens“ und bei einer Gruppe „nützlicher Idioten“ im Westen Anklang finden. Der Rest wisse, dass der Diktator sowieso mit dem Schießen aufhören werde, wenn ihm das Geld ausgeht. Anders lohne es sich nicht, mit Putin zu reden, heißt es am Schluss. Denn mit Russland gebe es nichts zu besprechen, aber mit Peking, Neu-Delhi und einigen anderen Hauptstädten lohne es sich, schreibt Witold Sokała für Forsal.
Autor: Piotr Siemiński