Die Festnahme des ehemaligen Vize-Justizministers und Abgeordneten der nationalkonservativen Partei Souveränes Polen Marcin Romanowski im Zusammenhang mit Unregelmäßigkeiten im Justizfonds schlägt hohe Wellen in der polnischen Presse. Der Grund: Romanowski ist nicht nur Parlamentarier - die parlamentarische Immunität war vor der Festnahme suspendiert worden - sondern auch polnischer Delegat der Parlamentarischen Versammlung des Europäischen Rates und wird daher, laut einem Teil der Experten, durch eine im internationalen Recht verankerte Immunität geschützt. Zudem hatte er sich am Freitag freiwillig der Staatsanwaltschaft gestellt und Zusammenarbeit angeboten, was diese ignorierte, um ihn dann medienwirksam festnehmen zu lassen. Inzwischen ist Romanowski wieder auf freiem Fuß, da das Gericht den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Untersuchungshaft für Romanowski abgelehnt hat.
Gazeta Polska Codziennie: So funktioniert ein Rechtsstaat nicht
Die Situation sei klar. Es sei zu einer Festnahme eines Abgeordneten gekommen, der neben der nationalen Immunität (die aufgehoben worden sei) auch die Immunität aus der Mitgliedschaft in einer europäischen Organisation gehabt habe und diese Immunität sei ignoriert worden, sagt in einem Gespräch mit der nationalkonservativen Gazeta Polska Codziennie Prof. Genowefa Grabowska, Expertin für internationales Recht. Das, so Grabowska, sei eine sehr ungünstige Situation für das Mitgliedsland, die als Missachtung sowohl des geltenden Völkerrechts als auch der internationalen Institutionen interpretiert werden könne. Man beobachte in diesem Prozess einen Versuch der Interpretation der Vorschriften auf unprofessionelle, unsachliche, aber dafür für die beantragende Staatsanwaltschaft bequeme Weise. Und das sei das schlimmste mögliche Szenario! Zudem sei ein Signal an die internationalen Institutionen gesendet worden, dass in Polen die Politik an erster Stelle stehe und erst danach das Recht. So funktioniere ein Rechtsstaat nicht, so die Expertin.
Auch generell, fährt Prof. Grabowska fort, beobachte sie die nach dem Machtwechsel durchgeführten Änderungen im Justizsystem mit Besorgnis. Es sei eine neue Phase der Rechtsstaatlichkeit angekündigt worden. Doch in Wirklichkeit hätten wir es mit einer Hochphase der Rechtswidrigkeit zu tun. Es sei schwierig, dies positiv zu bewerten. In den letzten Monaten habe man hauptsächlich Rachegelüste beobachten können und es gebe auch keinen Versuch, die Situation zu verbessern, also zu einem Zustand zurückzukehren, in dem das Recht normal funktioniere und nicht so, „wie wir es verstehen"! Selbst wenn die jetzige Regierung eine Reperaturversuche im Justizbereich vornehme, dann werde dies in die Hände von Menschen gelegt, die sich in der vorherigen Zeit als benachteiligt und ausgegrenzt betrachtet hätten. Die Chancen auf Verbesserung seien dann so gut wie nichtexistent, zudem könne man dies als „Einladung zur Rache“ interpretieren. Und genau diese destruktive und zu nichts führende Rache sei im Justizsystem zu beobachten. Sie habe jedoch den Eindruck, dass die überwältigende Mehrheit der Juristen statt ständiger „Ringkämpfe“ endlich in normalen, würdigen Bedingungen arbeiten wolle, so Prof. Genofewa Grabowska im Gespräch mit Gazeta Polska Codziennie.
Rzeczpospolita: Zweite Immunität schützt nicht vor Festnahme
Der Darstellung von Prof. Genofewa Grabowska, laut der Romanowski durch eine internationale Immunität vor der Festnahme geschützt gewesen sei, widerspricht in einem Kommentar für die Rzeczpospolita Prof. Władysław Czapliński vom Institut für Rechtsstudien der Polnischen Akademie der Wissenschaften und dem Europäischen Zentrum der Universität Warschau. Geht es nach Czapliński, schütze die Immunität der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Romanowski nicht vor einer Festnahme in Bezug auf die Unregelmäßigkeiten im Justizfonds. Sie sei eine funktionale Immunität, die nur Handlungen umfasse, die direkt mit der Ausübung parlamentarischer Funktionen verbunden seien. Sie finde jedoch in diesem Fall keine Anwendung und schütze Herrn Romanowski nicht vor der Festnahme und den Maßnahmen im Rahmen der Ermittlungen. Darüber hinaus verhindere diese Immunität nicht seine mögliche vorläufige Inhaftierung, meint Czapliński im Gespräch mit der Rzeczpospolita.
Gazeta Wyborcza: NATO über die Verbreiter von Desinformation
Die linksliberale Gazeta Wyborcza macht indes auf russische Desinformation in Bezug auf den Klimaschutz aufmerksam. NATO-Analysten haben keine Zweifel: Die Verbreiter von Klima-Desinformation wollen die Energiewende stören, berichtet das Blatt unter Berufung auf einen aktuellen Bericht des Bündnisses zum Einfluss des Klimawandels auf die internationale Sicherheit. Eines der wichtigsten Themen, die im Bericht hervorgehoben werden, so das Blatt, sei, dass Gegner und „strategische Konkurrenten“ der NATO, also Russland und China, politische Spannungen in den Mitgliedstaaten des Bündnisses ausnutzen. „Dies zeigt sich im Anstieg der Desinformation im Zusammenhang mit dem Klima und der Energiewende, die darauf abzielt, den öffentlichen Druck und den politischen Willen zu schwächen, die notwendig sind, um ehrgeizigere Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen“, heißt es im Bericht.
In Polen, so das Blatt, sei die russische Klima-Desinformation unter anderem während der Proteste der Landwirte gegen den Grünen Deal aufgeflammt. Im Mai habe die Analystin Anna Mierzyńska im Sejm deren Ausmaß eingeschätzt: „Was den Grünen Deal und die Landwirte betrifft, herrscht im Netz ein sehr intensiver Informationskrieg, in einem bisher von mir nicht beobachteten Ausmaß, und ich untersuche Desinformation seit 2017. Es findet eine Infektion der Menschen mit Botschaften gegen den Grünen Deal und Klimaschutzmaßnahmen statt“, habe Mierzyńska gesagt. Und sie habe hinzugefügt: „Um dem vorzubeugen, müssen systematische Maßnahmen viel früher ergriffen werden als auf diesem Stadium.“
Wie das Blatt betont, würden die Aktivitäten Russlands und Chinas zudem auch Cyberangriffe auf Umweltüberwachungssysteme und die Manipulation von Daten umfassen, die entscheidend für die zukünftige Modellierung der Klimapolitik und die politischen Entscheidungen in Bezug auf den Klimaschutz seien. Daher würden die NATO-Analysten vor Hackerangriffen vom Typ „Hack-and-Leak“ warnen, bei denen nach dem Datenleck die Daten gefälscht würden.
In der Analyse des Zeitraums von Mai 2022 bis Mai 2024 (also nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine) hätten NATO-Experten Russland als die treibende Kraft feindlicher Kommunikation in Online-Diskussionen über die Umstellung auf grüne Energie anerkannt, sowohl in sozialen Netzwerken als auch in Online-Nachrichtenmedien, so Gazeta Wyborcza.
Rzeczpospolita: Chinesen zur Kontrolle
Die Regierung kündigt neue Verfahren an, die asiatische Firmen zur Einhaltung des EU-Rechts zwingen sollen, schreibt in ihrem Aufmacher die konservativ-liberale Rzeczpospolita. „Das Problem mit den chinesischen Einkaufsplattformen erfordert schnelles Handeln, da das Problem für polnische Verkäufer immer größer wird. Wir möchten die Europäische Kommission auffordern, Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene zu ergreifen, um diese Plattformen zur Einhaltung der geltenden Gesetze zu zwingen“, sagt Ignacy Niemczycki, der stellvertretende Minister für Entwicklung und Technologie, im Gespräch mit der „Rzeczpospolita“.
Die Internetbranche sei sich einig, dass konkrete und entschlossene Maßnahmen erforderlich sind. „Wir sind verpflichtet, einheimische Unternehmer und Verbraucher vor den Bedrohungen durch chinesische E-Commerce-Plattformen zu schützen. Es ist an der Zeit, dem ein Ende zu setzen“, sagt Sebastian Błaszkiewicz, Vertriebsleiter bei der Unity Group.
Dass die polnische Regierung umfassendere Kontrollen chinesischer Dienste möchte und neue Vorschriften ankündigt, die diese zur Einhaltung des lokalen Rechts zwingen sollen, sei eine Hoffnung für polnische E-Shops, aber auch für viele Hersteller, die unter der Flut billiger Waren aus dem Osten leiden, schreibt dazu der Publizist des Blatts Paweł Rożyński. Viele chinesische Plattformen, so der Autor, würden nämlich weder Zoll noch Mehrwertsteuer zahlen. Zudem würden ihre Aktivitäten von Peking durch verschiedene Ermäßigungen oder Subventionen, z.B. für den Transport, unterstützt. Das Argument der billigeren Produkte für die Polen sei trügerisch, denn sobald die Rivalen aus dem Osten einen ausreichenden Marktanteil erobern, sei es mit der „Billigkeit“ vorbei und polnische Firmen könnten ihre frühere Position nicht wiedererlangen.
Lassen wir uns nicht täuschen, das sei keine faire Konkurrenz, urteilt der Autor. Das von China geschaffene Modell betreffe nicht nur den E-Handel, sondern auch Tausende anderer fortschrittlicher Produkte und Dienstleistungen wie Elektroautos oder Photovoltaik-Module. Zudem sei China zunehmend daran interessiert, seine Waren in den Westen zu exportieren, da es Schwierigkeiten habe, diese auf dem schwächelnden Binnenmarkt zu platzieren. Dieser Markt werde weiterhin stark geschützt, was stark von der Offenheit des westlichen Marktes abweiche. Das Ergebnis sei, dass Polen 2023 Waren im Wert von 51,3 Milliarden USD aus China importiert habe (wir sprechen nur vom registrierten Handel), während es Waren im Wert von nur 3,4 Milliarden USD exportiert habe. Dies sei natürlich das Ergebnis komplexer wirtschaftlicher Phänomene, die lange erklärt werden könnten, aber auch unfairer Handelspraktiken.
Jetzt erhebe die Europäische Union höhere Zölle auf Elektroautos, und die Republikaner, die auf dem direkten Weg ins Weiße Haus seien, wollen in den USA 60-prozentige Zölle auf alle Waren aus China verhängen. Es bleibe die Frage, ob China sich mit der Notwendigkeit eines ausgewogeneren Handels und der Reduzierung seines Überschusses abfinden oder ob es sich für einen Handelskrieg entscheiden werde. In diesem Fall würde dieser auch uns nicht verschonen, so Paweł Rożyński in der Rzeczpospolita.
Autor: Adam de Nisau